Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.verfallen, nicht soviel eignes Talent voraussetzte, dann würd' ich in diesem Lobpreisen meiner Erlösung fortfahren. Wie man nicht auf dem festen Lande schwimmen lernt, so kann Christus nur in denen wirken, die Lust bezeugen, ihn in sich aufzunehmen. Aber darum nur, mein theurer Herr, wollt' ich Sie bitten, ob Sie Jhren hohen Beruf als geistiger Vormund des Publikums nicht dahin benützen könnten, wenigstens einigen Fragen, wenn nicht der Hauptfrage, die Grundlage des Christenthums zu geben? Sie empfehlen, wo Sie können, bei der Erziehung Grundsätze, Methoden, Sie empfehlen einen Stoff des Unterrichts vor dem Andern, Sie dringen auf Sittlichkeit. Sie geben das Jdeal der Menschheit, welches Jhnen vorschwebt, in lauter vereinzelten Stücken, wie die Theile jenes Panzers, mit welchem der griechische Liebesgott spielt; ach, mein theurer Herr, Sie werden doch fühlen, daß die Erziehung aus einem Stücke kommen müsse, und daß die Menschen, welche in ihrer Jugend nur die eine Hälfte ihrer Bestimmung kennen gelernt haben, ihr ganzes übriges Leben vergeblich daran setzen müssen, die andre zu finden? Vergessen Sie das Christenthum, wenn Sie mit Männern über das Ewige, Große und Herrliche der Geschichte sprechen, aber vergessen Sie es nicht, wenn Sie mit Kindern und Greisen darüber sprechen. Scheuchen Sie von der Wiege und dem Grabe nicht die Friedensboten unsres Heilands fort. Wehren Sie den Kindern nicht, die er ruft, noch ehe sie gehen können; die Greise, denen er ruft, wenn sie müde sind. Jch verfallen, nicht soviel eignes Talent voraussetzte, dann würd’ ich in diesem Lobpreisen meiner Erlösung fortfahren. Wie man nicht auf dem festen Lande schwimmen lernt, so kann Christus nur in denen wirken, die Lust bezeugen, ihn in sich aufzunehmen. Aber darum nur, mein theurer Herr, wollt’ ich Sie bitten, ob Sie Jhren hohen Beruf als geistiger Vormund des Publikums nicht dahin benützen könnten, wenigstens einigen Fragen, wenn nicht der Hauptfrage, die Grundlage des Christenthums zu geben? Sie empfehlen, wo Sie können, bei der Erziehung Grundsätze, Methoden, Sie empfehlen einen Stoff des Unterrichts vor dem Andern, Sie dringen auf Sittlichkeit. Sie geben das Jdeal der Menschheit, welches Jhnen vorschwebt, in lauter vereinzelten Stücken, wie die Theile jenes Panzers, mit welchem der griechische Liebesgott spielt; ach, mein theurer Herr, Sie werden doch fühlen, daß die Erziehung aus einem Stücke kommen müsse, und daß die Menschen, welche in ihrer Jugend nur die eine Hälfte ihrer Bestimmung kennen gelernt haben, ihr ganzes übriges Leben vergeblich daran setzen müssen, die andre zu finden? Vergessen Sie das Christenthum, wenn Sie mit Männern über das Ewige, Große und Herrliche der Geschichte sprechen, aber vergessen Sie es nicht, wenn Sie mit Kindern und Greisen darüber sprechen. Scheuchen Sie von der Wiege und dem Grabe nicht die Friedensboten unsres Heilands fort. Wehren Sie den Kindern nicht, die er ruft, noch ehe sie gehen können; die Greise, denen er ruft, wenn sie müde sind. Jch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0421" n="393"/> verfallen, nicht soviel eignes Talent voraussetzte, dann würd’ ich in diesem Lobpreisen meiner Erlösung fortfahren. Wie man nicht auf dem festen Lande schwimmen lernt, so kann Christus nur in denen wirken, die Lust bezeugen, ihn in sich aufzunehmen. Aber darum nur, mein theurer Herr, wollt’ ich Sie bitten, ob Sie Jhren hohen Beruf als geistiger Vormund des Publikums nicht dahin benützen könnten, wenigstens <hi rendition="#g">einigen</hi> Fragen, wenn nicht der Hauptfrage, die Grundlage des Christenthums zu geben? Sie empfehlen, wo Sie können, bei der Erziehung Grundsätze, Methoden, Sie empfehlen einen Stoff des Unterrichts vor dem Andern, Sie dringen auf Sittlichkeit. Sie geben das Jdeal der Menschheit, welches Jhnen vorschwebt, in lauter vereinzelten Stücken, wie die Theile jenes Panzers, mit welchem der griechische Liebesgott spielt; ach, mein theurer Herr, Sie werden doch fühlen, daß die Erziehung aus <hi rendition="#g">einem</hi> Stücke kommen müsse, und daß die Menschen, welche in ihrer Jugend nur die eine Hälfte ihrer Bestimmung kennen gelernt haben, ihr ganzes übriges Leben vergeblich daran setzen müssen, die andre zu finden? Vergessen Sie das Christenthum, wenn Sie mit Männern über das Ewige, Große und Herrliche der Geschichte sprechen, aber vergessen Sie es nicht, wenn Sie mit Kindern und Greisen darüber sprechen. Scheuchen Sie von der Wiege und dem Grabe nicht die Friedensboten unsres Heilands fort. Wehren Sie den Kindern nicht, die er ruft, noch ehe sie gehen können; die Greise, denen er ruft, wenn sie müde sind. Jch </p> </div> </body> </text> </TEI> [393/0421]
verfallen, nicht soviel eignes Talent voraussetzte, dann würd’ ich in diesem Lobpreisen meiner Erlösung fortfahren. Wie man nicht auf dem festen Lande schwimmen lernt, so kann Christus nur in denen wirken, die Lust bezeugen, ihn in sich aufzunehmen. Aber darum nur, mein theurer Herr, wollt’ ich Sie bitten, ob Sie Jhren hohen Beruf als geistiger Vormund des Publikums nicht dahin benützen könnten, wenigstens einigen Fragen, wenn nicht der Hauptfrage, die Grundlage des Christenthums zu geben? Sie empfehlen, wo Sie können, bei der Erziehung Grundsätze, Methoden, Sie empfehlen einen Stoff des Unterrichts vor dem Andern, Sie dringen auf Sittlichkeit. Sie geben das Jdeal der Menschheit, welches Jhnen vorschwebt, in lauter vereinzelten Stücken, wie die Theile jenes Panzers, mit welchem der griechische Liebesgott spielt; ach, mein theurer Herr, Sie werden doch fühlen, daß die Erziehung aus einem Stücke kommen müsse, und daß die Menschen, welche in ihrer Jugend nur die eine Hälfte ihrer Bestimmung kennen gelernt haben, ihr ganzes übriges Leben vergeblich daran setzen müssen, die andre zu finden? Vergessen Sie das Christenthum, wenn Sie mit Männern über das Ewige, Große und Herrliche der Geschichte sprechen, aber vergessen Sie es nicht, wenn Sie mit Kindern und Greisen darüber sprechen. Scheuchen Sie von der Wiege und dem Grabe nicht die Friedensboten unsres Heilands fort. Wehren Sie den Kindern nicht, die er ruft, noch ehe sie gehen können; die Greise, denen er ruft, wenn sie müde sind. Jch
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/421>, abgerufen am 28.07.2024. |