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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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können damit gemeint seyn? Zunächst ist die individuelle Freiheit die Grundlage eines Erziehungssystems, wie es die Jnteressen der Moral verlangen. Meine Zöglinge sollen nicht sagen: nos numerus sumus: wir sind der 3,881,221ste im Volke, sondern sie sollen sich fühlen als Jntegration der Masse, als ein Glied in der Kette in Beziehung auf die Jdee des Allgemeinen, wenigstens in Beziehung auf die Gemeinde, wenn nur überhaupt auf etwas, das nicht durch Einzelne, sondern nur durch Mehrere erreicht werden kann. Jch kann nicht von mir sagen, daß ich ehrlich genug bin, um ein mir anvertrautes Gut getreu zu verwalten, aber gebt mir die Kasse einer Gesellschaft, ich will es versuchen, ich glaube, ich werde sie nicht bestehlen! Mein zweiter Grundsatz wäre dann allerdings das Gewissen. Jhr bildet am Gewissen nur die Ruhe aus, die es gibt; ich würde von der Ruhe niemals sprechen, sondern immer nur von dem Stolz des Gewissens. Die Ehre und der gute Name wirken auf das strebsame und unruhige Gemüth des Kindes weit mehr, als die sentimentale Schilderung eines Greises, der heiter und zufrieden auf einem mehr oder weniger schmerzlosen Krankenlager stirbt. Drittens: in dem moralischen Ehrgeiz ist noch nicht jener Dualismus enthalten, nämlich Herz und Kopf, Bildung nach zwei verschiedenen Seiten hin. Die Ehre, in Beziehung auf das Allgemeine, ist das Bestreben, nicht blos für einen braven, sondern auch gescheuten Menschen zu gelten. Unter diesem Gesichtspunkte geht Alles Hand in

können damit gemeint seyn? Zunächst ist die individuelle Freiheit die Grundlage eines Erziehungssystems, wie es die Jnteressen der Moral verlangen. Meine Zöglinge sollen nicht sagen: nos numerus sumus: wir sind der 3,881,221ste im Volke, sondern sie sollen sich fühlen als Jntegration der Masse, als ein Glied in der Kette in Beziehung auf die Jdee des Allgemeinen, wenigstens in Beziehung auf die Gemeinde, wenn nur überhaupt auf etwas, das nicht durch Einzelne, sondern nur durch Mehrere erreicht werden kann. Jch kann nicht von mir sagen, daß ich ehrlich genug bin, um ein mir anvertrautes Gut getreu zu verwalten, aber gebt mir die Kasse einer Gesellschaft, ich will es versuchen, ich glaube, ich werde sie nicht bestehlen! Mein zweiter Grundsatz wäre dann allerdings das Gewissen. Jhr bildet am Gewissen nur die Ruhe aus, die es gibt; ich würde von der Ruhe niemals sprechen, sondern immer nur von dem Stolz des Gewissens. Die Ehre und der gute Name wirken auf das strebsame und unruhige Gemüth des Kindes weit mehr, als die sentimentale Schilderung eines Greises, der heiter und zufrieden auf einem mehr oder weniger schmerzlosen Krankenlager stirbt. Drittens: in dem moralischen Ehrgeiz ist noch nicht jener Dualismus enthalten, nämlich Herz und Kopf, Bildung nach zwei verschiedenen Seiten hin. Die Ehre, in Beziehung auf das Allgemeine, ist das Bestreben, nicht blos für einen braven, sondern auch gescheuten Menschen zu gelten. Unter diesem Gesichtspunkte geht Alles Hand in

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[385/0413] können damit gemeint seyn? Zunächst ist die individuelle Freiheit die Grundlage eines Erziehungssystems, wie es die Jnteressen der Moral verlangen. Meine Zöglinge sollen nicht sagen: nos numerus sumus: wir sind der 3,881,221ste im Volke, sondern sie sollen sich fühlen als Jntegration der Masse, als ein Glied in der Kette in Beziehung auf die Jdee des Allgemeinen, wenigstens in Beziehung auf die Gemeinde, wenn nur überhaupt auf etwas, das nicht durch Einzelne, sondern nur durch Mehrere erreicht werden kann. Jch kann nicht von mir sagen, daß ich ehrlich genug bin, um ein mir anvertrautes Gut getreu zu verwalten, aber gebt mir die Kasse einer Gesellschaft, ich will es versuchen, ich glaube, ich werde sie nicht bestehlen! Mein zweiter Grundsatz wäre dann allerdings das Gewissen. Jhr bildet am Gewissen nur die Ruhe aus, die es gibt; ich würde von der Ruhe niemals sprechen, sondern immer nur von dem Stolz des Gewissens. Die Ehre und der gute Name wirken auf das strebsame und unruhige Gemüth des Kindes weit mehr, als die sentimentale Schilderung eines Greises, der heiter und zufrieden auf einem mehr oder weniger schmerzlosen Krankenlager stirbt. Drittens: in dem moralischen Ehrgeiz ist noch nicht jener Dualismus enthalten, nämlich Herz und Kopf, Bildung nach zwei verschiedenen Seiten hin. Die Ehre, in Beziehung auf das Allgemeine, ist das Bestreben, nicht blos für einen braven, sondern auch gescheuten Menschen zu gelten. Unter diesem Gesichtspunkte geht Alles Hand in

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/413>, abgerufen am 22.11.2024.