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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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hinlegte. Er taumelt mit dem Strom der Zeiten fort. Er ist aus seinem natürlichen Boden mit allen Wurzeln des Herzens herausgerissen. Seine redlichen Begriffe werden ihm, dem gereisten und gewitzigten Manne, bald als Ammenmährchen erscheinen.

Schon oben führte ich den Satz durch, daß es gar keine andere Moral gibt, als die, welche sich an historische Thatsachen anlehnt. Wer würde leugnen, daß die Lehren der Moral zu allen Zeiten ziemlich dieselben waren, daß sie ewige sind? Allein es handelt sich darum, diese Lehren lebendig zu erhalten in den menschlichen Gemüthern. Es kömmt weit weniger auf das an, was die Moral gebietet, denn das wissen alle Menschen, die Vorstellung des Guten ist ihnen eben so angeboren, wie die Neigung zum Bösen. Aber wie wird die Vorstellung des Guten geweckt? wie wird die träge, schlummernde, indifferente Menschennatur zur Uebung desselben hingezogen? wie erlangt sie die Kraft, alle Gründe der Bosheit ihres Herzens mit weit mächtigeren Gegengründen der Tugend in sich niederzukämpfen? Jn dieser Rücksicht hatte das Alterthum weit bessere Veranstaltungen getroffen, als die polizeilichen unsrer Zeit sind. Großartige Jmpulse müssen den Menschen aus seiner brütenden Unentschiedenheit aufjagen. Jmpulse dieser Art sind gesellschaftliche Jnstitutionen, namentlich politische und religiöse, und vor allen Dingen die Begebenheiten der Geschichte.

Wie ist es bei uns? Unsre Erziehung bildet sich ein, sie

hinlegte. Er taumelt mit dem Strom der Zeiten fort. Er ist aus seinem natürlichen Boden mit allen Wurzeln des Herzens herausgerissen. Seine redlichen Begriffe werden ihm, dem gereisten und gewitzigten Manne, bald als Ammenmährchen erscheinen.

Schon oben führte ich den Satz durch, daß es gar keine andere Moral gibt, als die, welche sich an historische Thatsachen anlehnt. Wer würde leugnen, daß die Lehren der Moral zu allen Zeiten ziemlich dieselben waren, daß sie ewige sind? Allein es handelt sich darum, diese Lehren lebendig zu erhalten in den menschlichen Gemüthern. Es kömmt weit weniger auf das an, was die Moral gebietet, denn das wissen alle Menschen, die Vorstellung des Guten ist ihnen eben so angeboren, wie die Neigung zum Bösen. Aber wie wird die Vorstellung des Guten geweckt? wie wird die träge, schlummernde, indifferente Menschennatur zur Uebung desselben hingezogen? wie erlangt sie die Kraft, alle Gründe der Bosheit ihres Herzens mit weit mächtigeren Gegengründen der Tugend in sich niederzukämpfen? Jn dieser Rücksicht hatte das Alterthum weit bessere Veranstaltungen getroffen, als die polizeilichen unsrer Zeit sind. Großartige Jmpulse müssen den Menschen aus seiner brütenden Unentschiedenheit aufjagen. Jmpulse dieser Art sind gesellschaftliche Jnstitutionen, namentlich politische und religiöse, und vor allen Dingen die Begebenheiten der Geschichte.

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[382/0410] hinlegte. Er taumelt mit dem Strom der Zeiten fort. Er ist aus seinem natürlichen Boden mit allen Wurzeln des Herzens herausgerissen. Seine redlichen Begriffe werden ihm, dem gereisten und gewitzigten Manne, bald als Ammenmährchen erscheinen. Schon oben führte ich den Satz durch, daß es gar keine andere Moral gibt, als die, welche sich an historische Thatsachen anlehnt. Wer würde leugnen, daß die Lehren der Moral zu allen Zeiten ziemlich dieselben waren, daß sie ewige sind? Allein es handelt sich darum, diese Lehren lebendig zu erhalten in den menschlichen Gemüthern. Es kömmt weit weniger auf das an, was die Moral gebietet, denn das wissen alle Menschen, die Vorstellung des Guten ist ihnen eben so angeboren, wie die Neigung zum Bösen. Aber wie wird die Vorstellung des Guten geweckt? wie wird die träge, schlummernde, indifferente Menschennatur zur Uebung desselben hingezogen? wie erlangt sie die Kraft, alle Gründe der Bosheit ihres Herzens mit weit mächtigeren Gegengründen der Tugend in sich niederzukämpfen? Jn dieser Rücksicht hatte das Alterthum weit bessere Veranstaltungen getroffen, als die polizeilichen unsrer Zeit sind. Großartige Jmpulse müssen den Menschen aus seiner brütenden Unentschiedenheit aufjagen. Jmpulse dieser Art sind gesellschaftliche Jnstitutionen, namentlich politische und religiöse, und vor allen Dingen die Begebenheiten der Geschichte. Wie ist es bei uns? Unsre Erziehung bildet sich ein, sie

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/410>, abgerufen am 22.11.2024.