Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Es war meine Absicht, eh' ich mir in diesem Kapitel die Feststellung einiger Grundsätze erlauben wollte, den größten Theil des pädagogischen Details zu erschöpfen, in so fern es auf Personen und Historie in unsern Unterhaltungen immer zunächst ankommen soll. Jch kann Sie hier nicht übergehen, Miß Sylvia! Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß ich Sie im Schooße der kleinen Frauenzimmer aufsuche, welchen Sie wohl noch ein wenig mehr, als nur Rechnen und Schreiben zu lehren verstehen! Ja Miß Sylvia würde, wenn ihre Kenntnisse, wie sie jetzt aus Realien bestehen, aus Humanioren bestanden hätten, im Alterthum, ich meine im Mittelalter, gewiß so gut haben unterweisen können, als jene italienische Dame, deren Standbild im Hofe der Universität von Padua rechter Hand aufgestellt ist, die so vielen Zulauf in ihre Vorlesungen hatte und den Andrang, gewiß auch noch aus Rücksichten der Galanterie, durch Schranken zurückhalten mußte, so daß sie nur hinter einem Sprachgitter ihre Vorträge hielt. Wenn Sie, meine gute Miß Sylvia, nun so stehen müßten vor den Studenten der Londoner Aktienuniversität, und entweder lateinisch sprächen, wie Madame Dacier oder wie Miß Elisabeth Wright Macauley, die nun plötzlich gestorben ist, und mehr als eine Schauspielerin, eine Methodistenpredigerin war, die auch über Botanik, Volkswirthschaft und Schädellehre so häufige, nicht unbesucht gebliebene Vorträge hielt! Doch Verzeihung, daß ich Sie in die Reihe excentrischer Frauenzimmer bringe, Es war meine Absicht, eh’ ich mir in diesem Kapitel die Feststellung einiger Grundsätze erlauben wollte, den größten Theil des pädagogischen Details zu erschöpfen, in so fern es auf Personen und Historie in unsern Unterhaltungen immer zunächst ankommen soll. Jch kann Sie hier nicht übergehen, Miß Sylvia! Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß ich Sie im Schooße der kleinen Frauenzimmer aufsuche, welchen Sie wohl noch ein wenig mehr, als nur Rechnen und Schreiben zu lehren verstehen! Ja Miß Sylvia würde, wenn ihre Kenntnisse, wie sie jetzt aus Realien bestehen, aus Humanioren bestanden hätten, im Alterthum, ich meine im Mittelalter, gewiß so gut haben unterweisen können, als jene italienische Dame, deren Standbild im Hofe der Universität von Padua rechter Hand aufgestellt ist, die so vielen Zulauf in ihre Vorlesungen hatte und den Andrang, gewiß auch noch aus Rücksichten der Galanterie, durch Schranken zurückhalten mußte, so daß sie nur hinter einem Sprachgitter ihre Vorträge hielt. Wenn Sie, meine gute Miß Sylvia, nun so stehen müßten vor den Studenten der Londoner Aktienuniversität, und entweder lateinisch sprächen, wie Madame Dacier oder wie Miß Elisabeth Wright Macauley, die nun plötzlich gestorben ist, und mehr als eine Schauspielerin, eine Methodistenpredigerin war, die auch über Botanik, Volkswirthschaft und Schädellehre so häufige, nicht unbesucht gebliebene Vorträge hielt! Doch Verzeihung, daß ich Sie in die Reihe excentrischer Frauenzimmer bringe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0394" n="366"/> <p> Es war meine Absicht, eh’ ich mir in diesem Kapitel die Feststellung einiger Grundsätze erlauben wollte, den größten Theil des pädagogischen Details zu erschöpfen, in so fern es auf Personen und Historie in unsern Unterhaltungen immer zunächst ankommen soll. Jch kann Sie hier nicht übergehen, Miß Sylvia! Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß ich Sie im Schooße der kleinen Frauenzimmer aufsuche, welchen Sie wohl noch ein wenig mehr, als nur Rechnen und Schreiben zu lehren verstehen! Ja Miß Sylvia würde, wenn ihre Kenntnisse, wie sie jetzt aus Realien bestehen, aus Humanioren bestanden hätten, im Alterthum, ich meine im Mittelalter, gewiß so gut haben unterweisen können, als jene italienische Dame, deren Standbild im Hofe der Universität von Padua rechter Hand aufgestellt ist, die so vielen Zulauf in ihre Vorlesungen hatte und den Andrang, gewiß auch noch aus Rücksichten der Galanterie, durch Schranken zurückhalten mußte, so daß sie nur hinter einem Sprachgitter ihre Vorträge hielt. Wenn Sie, meine gute Miß Sylvia, nun so stehen müßten vor den Studenten der Londoner Aktienuniversität, und entweder lateinisch sprächen, wie Madame Dacier oder wie Miß Elisabeth Wright Macauley, die nun plötzlich gestorben ist, und mehr als eine Schauspielerin, eine Methodistenpredigerin war, die auch über Botanik, Volkswirthschaft und Schädellehre so häufige, nicht unbesucht gebliebene Vorträge hielt! Doch Verzeihung, daß ich Sie in die Reihe excentrischer Frauenzimmer bringe, </p> </div> </body> </text> </TEI> [366/0394]
Es war meine Absicht, eh’ ich mir in diesem Kapitel die Feststellung einiger Grundsätze erlauben wollte, den größten Theil des pädagogischen Details zu erschöpfen, in so fern es auf Personen und Historie in unsern Unterhaltungen immer zunächst ankommen soll. Jch kann Sie hier nicht übergehen, Miß Sylvia! Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß ich Sie im Schooße der kleinen Frauenzimmer aufsuche, welchen Sie wohl noch ein wenig mehr, als nur Rechnen und Schreiben zu lehren verstehen! Ja Miß Sylvia würde, wenn ihre Kenntnisse, wie sie jetzt aus Realien bestehen, aus Humanioren bestanden hätten, im Alterthum, ich meine im Mittelalter, gewiß so gut haben unterweisen können, als jene italienische Dame, deren Standbild im Hofe der Universität von Padua rechter Hand aufgestellt ist, die so vielen Zulauf in ihre Vorlesungen hatte und den Andrang, gewiß auch noch aus Rücksichten der Galanterie, durch Schranken zurückhalten mußte, so daß sie nur hinter einem Sprachgitter ihre Vorträge hielt. Wenn Sie, meine gute Miß Sylvia, nun so stehen müßten vor den Studenten der Londoner Aktienuniversität, und entweder lateinisch sprächen, wie Madame Dacier oder wie Miß Elisabeth Wright Macauley, die nun plötzlich gestorben ist, und mehr als eine Schauspielerin, eine Methodistenpredigerin war, die auch über Botanik, Volkswirthschaft und Schädellehre so häufige, nicht unbesucht gebliebene Vorträge hielt! Doch Verzeihung, daß ich Sie in die Reihe excentrischer Frauenzimmer bringe,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/394>, abgerufen am 28.07.2024. |