Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einige Jahre das väterliche Haus, um zu lernen, wie viel Reiche in der Natur es gibt, wie vielerlei Fische in dem Tweed hausen, in welchem Jahre Julius Cäsar gestorben ist und wie man ein geschickter und besorgter Bienenzüchter wird. Diese Leute müssen außerordentlich viel Eigenschaften in sich vereinigen. Ja es wird von ihnen nicht allein verlangt, daß sie im Choral singen, sondern daß sie auch die Geige dazu spielen. Seitdem das Kumuliren der Aemter so eingerissen ist, übernehmen die Schulmeister auch die Dienste der Kirche und müssen sich des Orgelspiels befleißigen. Kurz wenn diese Leute später ein gewisses närrisches und übergeschnapptes Wesen bekommen, so liegt die Schuld davon nur in der Fülle von Gegenständen, mit welchen man ihre geringe Fassungskraft überladen hat. Jch habe noch immer gefunden, daß Männer, welche mehr lernten als wozu sie die Weihe, den Beruf und fast die Kraft hatten, ein sehr abgeschmacktes Wesen annehmen. Man wird es zum Beispiel immer finden bei den sogenannten commis voyageur, bei Kellnern, welche mit der Anstrengung, mit welcher man andern Leuten die Zähne auszieht, sich die Kenntniß einer fremden Sprache angeeignet haben. Sie sind fortwährend in einem ekstatischen Zustande, sie können den Mund nicht halten, und überhaspeln sich in ihren Reden so sehr, daß sie zuletzt auf Narrheiten hinauskommen. Sie verlernen auch ihre eigne Muttersprache und fangen an, wie gebrochen zu sprechen; sie übersetzen gleichsam, was sie in ihrer Muttersprache sagen wollen, erst aus einige Jahre das väterliche Haus, um zu lernen, wie viel Reiche in der Natur es gibt, wie vielerlei Fische in dem Tweed hausen, in welchem Jahre Julius Cäsar gestorben ist und wie man ein geschickter und besorgter Bienenzüchter wird. Diese Leute müssen außerordentlich viel Eigenschaften in sich vereinigen. Ja es wird von ihnen nicht allein verlangt, daß sie im Choral singen, sondern daß sie auch die Geige dazu spielen. Seitdem das Kumuliren der Aemter so eingerissen ist, übernehmen die Schulmeister auch die Dienste der Kirche und müssen sich des Orgelspiels befleißigen. Kurz wenn diese Leute später ein gewisses närrisches und übergeschnapptes Wesen bekommen, so liegt die Schuld davon nur in der Fülle von Gegenständen, mit welchen man ihre geringe Fassungskraft überladen hat. Jch habe noch immer gefunden, daß Männer, welche mehr lernten als wozu sie die Weihe, den Beruf und fast die Kraft hatten, ein sehr abgeschmacktes Wesen annehmen. Man wird es zum Beispiel immer finden bei den sogenannten commis voyageur, bei Kellnern, welche mit der Anstrengung, mit welcher man andern Leuten die Zähne auszieht, sich die Kenntniß einer fremden Sprache angeeignet haben. Sie sind fortwährend in einem ekstatischen Zustande, sie können den Mund nicht halten, und überhaspeln sich in ihren Reden so sehr, daß sie zuletzt auf Narrheiten hinauskommen. Sie verlernen auch ihre eigne Muttersprache und fangen an, wie gebrochen zu sprechen; sie übersetzen gleichsam, was sie in ihrer Muttersprache sagen wollen, erst aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0384" n="356"/> einige Jahre das väterliche Haus, um zu lernen, wie viel Reiche in der Natur es gibt, wie vielerlei Fische in dem Tweed hausen, in welchem Jahre Julius Cäsar gestorben ist und wie man ein geschickter und besorgter Bienenzüchter wird. Diese Leute müssen außerordentlich viel Eigenschaften in sich vereinigen. Ja es wird von ihnen nicht allein verlangt, daß sie im Choral singen, sondern daß sie auch die Geige dazu spielen. Seitdem das Kumuliren der Aemter so eingerissen ist, übernehmen die Schulmeister auch die Dienste der Kirche und müssen sich des Orgelspiels befleißigen. Kurz wenn diese Leute später ein gewisses närrisches und übergeschnapptes Wesen bekommen, so liegt die Schuld davon nur in der Fülle von Gegenständen, mit welchen man ihre geringe Fassungskraft überladen hat. Jch habe noch immer gefunden, daß Männer, welche mehr lernten als wozu sie die Weihe, den Beruf und fast die Kraft hatten, ein sehr abgeschmacktes Wesen annehmen. Man wird es zum Beispiel immer finden bei den sogenannten <hi rendition="#aq">commis voyageur</hi>, bei Kellnern, welche mit der Anstrengung, mit welcher man andern Leuten die Zähne auszieht, sich die Kenntniß einer fremden Sprache angeeignet haben. Sie sind fortwährend in einem ekstatischen Zustande, sie können den Mund nicht halten, und überhaspeln sich in ihren Reden so sehr, daß sie zuletzt auf Narrheiten hinauskommen. Sie verlernen auch ihre eigne Muttersprache und fangen an, wie gebrochen zu sprechen; sie übersetzen gleichsam, was sie in ihrer Muttersprache sagen wollen, erst aus </p> </div> </body> </text> </TEI> [356/0384]
einige Jahre das väterliche Haus, um zu lernen, wie viel Reiche in der Natur es gibt, wie vielerlei Fische in dem Tweed hausen, in welchem Jahre Julius Cäsar gestorben ist und wie man ein geschickter und besorgter Bienenzüchter wird. Diese Leute müssen außerordentlich viel Eigenschaften in sich vereinigen. Ja es wird von ihnen nicht allein verlangt, daß sie im Choral singen, sondern daß sie auch die Geige dazu spielen. Seitdem das Kumuliren der Aemter so eingerissen ist, übernehmen die Schulmeister auch die Dienste der Kirche und müssen sich des Orgelspiels befleißigen. Kurz wenn diese Leute später ein gewisses närrisches und übergeschnapptes Wesen bekommen, so liegt die Schuld davon nur in der Fülle von Gegenständen, mit welchen man ihre geringe Fassungskraft überladen hat. Jch habe noch immer gefunden, daß Männer, welche mehr lernten als wozu sie die Weihe, den Beruf und fast die Kraft hatten, ein sehr abgeschmacktes Wesen annehmen. Man wird es zum Beispiel immer finden bei den sogenannten commis voyageur, bei Kellnern, welche mit der Anstrengung, mit welcher man andern Leuten die Zähne auszieht, sich die Kenntniß einer fremden Sprache angeeignet haben. Sie sind fortwährend in einem ekstatischen Zustande, sie können den Mund nicht halten, und überhaspeln sich in ihren Reden so sehr, daß sie zuletzt auf Narrheiten hinauskommen. Sie verlernen auch ihre eigne Muttersprache und fangen an, wie gebrochen zu sprechen; sie übersetzen gleichsam, was sie in ihrer Muttersprache sagen wollen, erst aus
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/384>, abgerufen am 28.07.2024. |