Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.der Klasse eine schwierige Frage vorlegt, die niemand zu beantworten weiß, am wenigsten Peter Schlehsack, so erhebt sich plötzlich eine Stimme und sagt: "Schlehsack weiß es," oder es heißt, "Schlehsack will etwas sagen," wobei die zornige und etwas rohe Art, wie er hierüber seine Entrüstung ausspricht, es sogar noch dahin bringt, daß er für den Andern bestraft wird. Eines Tages soll Schlehsack eine Rede halten; der Lehrer schmeichelt sich, irgend einen guten künftigen Parlamentsredner zu entdecken und gibt zur Uebung ein allgemeines Thema über den Aberglauben. Wer sollte mehr Beruf haben, sich hören zu lassen, als der alte Bruder, der, um einst Pfarrer zu werden, sich hier mit Griechisch und Latein quält? Er betritt den Katheder und beginnt mit lispelnder Stimme und gen Himmel gerichteten Augen: "Als - Gott - dem - Menschen - seinen lebendigen Odem in die Nase blies ...." Dieser Anfang erregte allgemeines Gelächter; der Lehrer, um seine eigene Reizung der Lachmuskeln zu verbergen, verlangte das Manuscript der Rede und ersah daraus, daß Peter Schlehsack, um über den Aberglauben zu reden, die ganze Schöpfungsgeschichte des Menschen erzählt hatte. Schlehsack mußte abtreten und kam sich in diesem Augenblicke wie Luther vor, dem ein Concilium den Vortrag seiner Lehrmeinungen untersagte. Seit dieser verunglückten maidspeach machte Schlehsack auffallende Rückschritte; er konnte bei keinem Avancement mehr flott werden, blieb mehrere Jahre in jener Klasse, wo er der Klasse eine schwierige Frage vorlegt, die niemand zu beantworten weiß, am wenigsten Peter Schlehsack, so erhebt sich plötzlich eine Stimme und sagt: "Schlehsack weiß es," oder es heißt, "Schlehsack will etwas sagen," wobei die zornige und etwas rohe Art, wie er hierüber seine Entrüstung ausspricht, es sogar noch dahin bringt, daß er für den Andern bestraft wird. Eines Tages soll Schlehsack eine Rede halten; der Lehrer schmeichelt sich, irgend einen guten künftigen Parlamentsredner zu entdecken und gibt zur Uebung ein allgemeines Thema über den Aberglauben. Wer sollte mehr Beruf haben, sich hören zu lassen, als der alte Bruder, der, um einst Pfarrer zu werden, sich hier mit Griechisch und Latein quält? Er betritt den Katheder und beginnt mit lispelnder Stimme und gen Himmel gerichteten Augen: "Als – Gott – dem – Menschen – seinen lebendigen Odem in die Nase blies ...." Dieser Anfang erregte allgemeines Gelächter; der Lehrer, um seine eigene Reizung der Lachmuskeln zu verbergen, verlangte das Manuscript der Rede und ersah daraus, daß Peter Schlehsack, um über den Aberglauben zu reden, die ganze Schöpfungsgeschichte des Menschen erzählt hatte. Schlehsack mußte abtreten und kam sich in diesem Augenblicke wie Luther vor, dem ein Concilium den Vortrag seiner Lehrmeinungen untersagte. Seit dieser verunglückten maidspeach machte Schlehsack auffallende Rückschritte; er konnte bei keinem Avancement mehr flott werden, blieb mehrere Jahre in jener Klasse, wo er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0382" n="354"/> der Klasse eine schwierige Frage vorlegt, die niemand zu beantworten weiß, am wenigsten Peter Schlehsack, so erhebt sich plötzlich eine Stimme und sagt: "Schlehsack weiß es," oder es heißt, "Schlehsack will etwas sagen," wobei die zornige und etwas rohe Art, wie er hierüber seine Entrüstung ausspricht, es sogar noch dahin bringt, daß er für den Andern bestraft wird. Eines Tages soll Schlehsack eine Rede halten; der Lehrer schmeichelt sich, irgend einen guten künftigen Parlamentsredner zu entdecken und gibt zur Uebung ein allgemeines Thema über den Aberglauben. Wer sollte mehr Beruf haben, sich hören zu lassen, als der alte Bruder, der, um einst Pfarrer zu werden, sich hier mit Griechisch und Latein quält? Er betritt den Katheder und beginnt mit lispelnder Stimme und gen Himmel gerichteten Augen: "Als – Gott – dem – Menschen – seinen lebendigen Odem in die Nase blies ...." Dieser Anfang erregte allgemeines Gelächter; der Lehrer, um seine eigene Reizung der Lachmuskeln zu verbergen, verlangte das Manuscript der Rede und ersah daraus, daß Peter Schlehsack, um über den Aberglauben zu reden, die ganze Schöpfungsgeschichte des Menschen erzählt hatte. Schlehsack mußte abtreten und kam sich in diesem Augenblicke wie Luther vor, dem ein Concilium den Vortrag seiner Lehrmeinungen untersagte. Seit dieser verunglückten <hi rendition="#aq">maidspeach</hi> machte Schlehsack auffallende Rückschritte; er konnte bei keinem Avancement mehr flott werden, blieb mehrere Jahre in jener Klasse, wo er </p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0382]
der Klasse eine schwierige Frage vorlegt, die niemand zu beantworten weiß, am wenigsten Peter Schlehsack, so erhebt sich plötzlich eine Stimme und sagt: "Schlehsack weiß es," oder es heißt, "Schlehsack will etwas sagen," wobei die zornige und etwas rohe Art, wie er hierüber seine Entrüstung ausspricht, es sogar noch dahin bringt, daß er für den Andern bestraft wird. Eines Tages soll Schlehsack eine Rede halten; der Lehrer schmeichelt sich, irgend einen guten künftigen Parlamentsredner zu entdecken und gibt zur Uebung ein allgemeines Thema über den Aberglauben. Wer sollte mehr Beruf haben, sich hören zu lassen, als der alte Bruder, der, um einst Pfarrer zu werden, sich hier mit Griechisch und Latein quält? Er betritt den Katheder und beginnt mit lispelnder Stimme und gen Himmel gerichteten Augen: "Als – Gott – dem – Menschen – seinen lebendigen Odem in die Nase blies ...." Dieser Anfang erregte allgemeines Gelächter; der Lehrer, um seine eigene Reizung der Lachmuskeln zu verbergen, verlangte das Manuscript der Rede und ersah daraus, daß Peter Schlehsack, um über den Aberglauben zu reden, die ganze Schöpfungsgeschichte des Menschen erzählt hatte. Schlehsack mußte abtreten und kam sich in diesem Augenblicke wie Luther vor, dem ein Concilium den Vortrag seiner Lehrmeinungen untersagte. Seit dieser verunglückten maidspeach machte Schlehsack auffallende Rückschritte; er konnte bei keinem Avancement mehr flott werden, blieb mehrere Jahre in jener Klasse, wo er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |