Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.wiegt, als eine diplomatische Note, als ein gutes Gesetz über den Runkelrübenzucker? Wahrlich es steht zu fürchten, daß die Lauheit der freien Geister gegen die politische Welt sich aller Derjenigen bemächtigen könnte, welche die Regierungen sich zugewandt sehen müssen, weil sie sonst wirklich in die Verlegenheit kämen, nur noch als Nebensache zu figuriren. Unsre Zeit wird als revolutionär geschildert. Jch habe dieses Merkmal oben schon bestritten oder es wenigstens auf eine Bestimmung zurückgeführt, die nicht so gefahrdrohend ist. Jch glaube weit mehr, die Tendenz unsrer Zeit liegt in jener Jdeenverbindung, die hier so eben angeregt wurde. Warum konspirirt man gegen den Staat? Nicht um ihn zu verändern, um die alten Eigennamen in den Staatsämtern mit neuen zu vertauschen, sondern weil man Jdeen hat, die man durch die laufende Staatsform und Verwaltung nicht mehr realisiren zu können glaubt. Es ist hier nicht die absolute Position oder die absolute Negation, sondern etwas Drittes, das beachtet werden will. Um dieses Dritte seyd besorgt, Staatsmänner, nicht um Revolution, Reaction, nicht um Toriesmus oder Whigismus, nicht um euch oder die Andern, sondern um jene von der Geschichte, dem Nachdenken über Zeit, Verhältnisse und Menschen leicht abstrahirten Thatsachen, welche endlich doch die Faktoren und Coefficienten der Geschichte seyn werden! Da sind Fragen der Moral und Religion, da sind glühende Jdeale im Haupte der Dichter und wiegt, als eine diplomatische Note, als ein gutes Gesetz über den Runkelrübenzucker? Wahrlich es steht zu fürchten, daß die Lauheit der freien Geister gegen die politische Welt sich aller Derjenigen bemächtigen könnte, welche die Regierungen sich zugewandt sehen müssen, weil sie sonst wirklich in die Verlegenheit kämen, nur noch als Nebensache zu figuriren. Unsre Zeit wird als revolutionär geschildert. Jch habe dieses Merkmal oben schon bestritten oder es wenigstens auf eine Bestimmung zurückgeführt, die nicht so gefahrdrohend ist. Jch glaube weit mehr, die Tendenz unsrer Zeit liegt in jener Jdeenverbindung, die hier so eben angeregt wurde. Warum konspirirt man gegen den Staat? Nicht um ihn zu verändern, um die alten Eigennamen in den Staatsämtern mit neuen zu vertauschen, sondern weil man Jdeen hat, die man durch die laufende Staatsform und Verwaltung nicht mehr realisiren zu können glaubt. Es ist hier nicht die absolute Position oder die absolute Negation, sondern etwas Drittes, das beachtet werden will. Um dieses Dritte seyd besorgt, Staatsmänner, nicht um Revolution, Reaction, nicht um Toriesmus oder Whigismus, nicht um euch oder die Andern, sondern um jene von der Geschichte, dem Nachdenken über Zeit, Verhältnisse und Menschen leicht abstrahirten Thatsachen, welche endlich doch die Faktoren und Coefficienten der Geschichte seyn werden! Da sind Fragen der Moral und Religion, da sind glühende Jdeale im Haupte der Dichter und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0375" n="347"/> wiegt, als eine diplomatische Note, als ein gutes Gesetz über den Runkelrübenzucker? Wahrlich es steht zu fürchten, daß die Lauheit der freien Geister gegen die politische Welt sich aller Derjenigen bemächtigen könnte, welche die Regierungen sich zugewandt sehen müssen, weil sie sonst wirklich in die Verlegenheit kämen, nur noch als Nebensache zu figuriren.</p> <p>Unsre Zeit wird als revolutionär geschildert. Jch habe dieses Merkmal oben schon bestritten oder es wenigstens auf eine Bestimmung zurückgeführt, die nicht so gefahrdrohend ist. Jch glaube weit mehr, die Tendenz unsrer Zeit liegt in jener Jdeenverbindung, die hier so eben angeregt wurde. Warum konspirirt man gegen den Staat? Nicht um ihn zu verändern, um die alten Eigennamen in den Staatsämtern mit neuen zu vertauschen, sondern weil man Jdeen hat, die man durch die laufende Staatsform und Verwaltung nicht mehr realisiren zu können glaubt. Es ist hier nicht die absolute Position oder die absolute Negation, sondern etwas Drittes, das beachtet werden will. Um dieses Dritte seyd besorgt, Staatsmänner, nicht um Revolution, Reaction, nicht um Toriesmus oder Whigismus, nicht um euch oder die Andern, sondern um jene von der Geschichte, dem Nachdenken über Zeit, Verhältnisse und Menschen leicht abstrahirten Thatsachen, welche endlich doch die Faktoren und Coefficienten der Geschichte seyn werden! Da sind Fragen der Moral und Religion, da sind glühende Jdeale im Haupte der Dichter und </p> </div> </body> </text> </TEI> [347/0375]
wiegt, als eine diplomatische Note, als ein gutes Gesetz über den Runkelrübenzucker? Wahrlich es steht zu fürchten, daß die Lauheit der freien Geister gegen die politische Welt sich aller Derjenigen bemächtigen könnte, welche die Regierungen sich zugewandt sehen müssen, weil sie sonst wirklich in die Verlegenheit kämen, nur noch als Nebensache zu figuriren.
Unsre Zeit wird als revolutionär geschildert. Jch habe dieses Merkmal oben schon bestritten oder es wenigstens auf eine Bestimmung zurückgeführt, die nicht so gefahrdrohend ist. Jch glaube weit mehr, die Tendenz unsrer Zeit liegt in jener Jdeenverbindung, die hier so eben angeregt wurde. Warum konspirirt man gegen den Staat? Nicht um ihn zu verändern, um die alten Eigennamen in den Staatsämtern mit neuen zu vertauschen, sondern weil man Jdeen hat, die man durch die laufende Staatsform und Verwaltung nicht mehr realisiren zu können glaubt. Es ist hier nicht die absolute Position oder die absolute Negation, sondern etwas Drittes, das beachtet werden will. Um dieses Dritte seyd besorgt, Staatsmänner, nicht um Revolution, Reaction, nicht um Toriesmus oder Whigismus, nicht um euch oder die Andern, sondern um jene von der Geschichte, dem Nachdenken über Zeit, Verhältnisse und Menschen leicht abstrahirten Thatsachen, welche endlich doch die Faktoren und Coefficienten der Geschichte seyn werden! Da sind Fragen der Moral und Religion, da sind glühende Jdeale im Haupte der Dichter und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/375 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/375>, abgerufen am 28.07.2024. |