Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert. Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all' unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert. Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all’ unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0373" n="345"/> dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.</p> <p>Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all’ unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die </p> </div> </body> </text> </TEI> [345/0373]
dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.
Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all’ unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/373>, abgerufen am 16.02.2025. |