Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.derselben Farbe. Jch hätte glauben sollen, mit einem Kunstreiter zu sprechen. Von diplomatischen Verhältnissen hatte er vielleicht kaum so viel Kenntnisse, wie in der That vom Reiten. Er konnte mir nicht den unbedeutendsten Aufschluß über die Angelegenheiten geben, über welche ich mit ihm sprach. Er führte ein Französisch im Munde, das er von irgend einem aus dem französischen Krieg zurückgekehrten Korporal gelernt haben mußte, war aber dabei doch so zuversichtlich von seiner Stellung eingenommen, daß er immer mit einer officiellen Miene sprach, ohne auch nur in das geringste Geheimniß eingeweiht zu seyn. Mein Name kam auf das Tapet, er hatte nie von mir gehört und war, da er aus irgend einer Bemerkung schließen mußte, daß ich schon etwas geschrieben haben müsse, so unverschämt, mir zu sagen: es würden heutigen Tags so entsetzlich viel Bücher gedruckt, daß man gar nicht mehr wüßte, was man sich aus einer Leihbibliothek geben lassen solle. Großer Gott! dachte ich, als ich mich empfahl, dieser junge Mann scheint freilich nur bei der Gesandtschaft attachirt zu seyn, damit er sein Vermögen auf eine dem Staat nützliche und auswärts ehrenvolle Weise verzehrt. Allein er nistet sich doch in den Kombinationen der Staatsmänner als eine disponible Größe fest, gelang zu einer höhern Stelle, lernt gewisse Routinen und kann am Ende noch einst dazu kommen, daß er für die Jnteressen eines ganzen Volkes sorgen muß, derselbe junge Mann, welcher bis jetzt nur noch die Kunst versteht, Hunde zu derselben Farbe. Jch hätte glauben sollen, mit einem Kunstreiter zu sprechen. Von diplomatischen Verhältnissen hatte er vielleicht kaum so viel Kenntnisse, wie in der That vom Reiten. Er konnte mir nicht den unbedeutendsten Aufschluß über die Angelegenheiten geben, über welche ich mit ihm sprach. Er führte ein Französisch im Munde, das er von irgend einem aus dem französischen Krieg zurückgekehrten Korporal gelernt haben mußte, war aber dabei doch so zuversichtlich von seiner Stellung eingenommen, daß er immer mit einer officiellen Miene sprach, ohne auch nur in das geringste Geheimniß eingeweiht zu seyn. Mein Name kam auf das Tapet, er hatte nie von mir gehört und war, da er aus irgend einer Bemerkung schließen mußte, daß ich schon etwas geschrieben haben müsse, so unverschämt, mir zu sagen: es würden heutigen Tags so entsetzlich viel Bücher gedruckt, daß man gar nicht mehr wüßte, was man sich aus einer Leihbibliothek geben lassen solle. Großer Gott! dachte ich, als ich mich empfahl, dieser junge Mann scheint freilich nur bei der Gesandtschaft attachirt zu seyn, damit er sein Vermögen auf eine dem Staat nützliche und auswärts ehrenvolle Weise verzehrt. Allein er nistet sich doch in den Kombinationen der Staatsmänner als eine disponible Größe fest, gelang zu einer höhern Stelle, lernt gewisse Routinen und kann am Ende noch einst dazu kommen, daß er für die Jnteressen eines ganzen Volkes sorgen muß, derselbe junge Mann, welcher bis jetzt nur noch die Kunst versteht, Hunde zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0372" n="344"/> derselben Farbe. Jch hätte glauben sollen, mit einem Kunstreiter zu sprechen. Von diplomatischen Verhältnissen hatte er vielleicht kaum so viel Kenntnisse, wie in der That vom Reiten. Er konnte mir nicht den unbedeutendsten Aufschluß über die Angelegenheiten geben, über welche ich mit ihm sprach. Er führte ein Französisch im Munde, das er von irgend einem aus dem französischen Krieg zurückgekehrten Korporal gelernt haben mußte, war aber dabei doch so zuversichtlich von seiner Stellung eingenommen, daß er immer mit einer officiellen Miene sprach, ohne auch nur in das geringste Geheimniß eingeweiht zu seyn. Mein Name kam auf das Tapet, er hatte nie von mir gehört und war, da er aus irgend einer Bemerkung schließen mußte, daß ich schon etwas geschrieben haben müsse, so unverschämt, mir zu sagen: es würden heutigen Tags so entsetzlich viel Bücher gedruckt, daß man gar nicht mehr wüßte, was man sich aus einer Leihbibliothek geben lassen solle. Großer Gott! dachte ich, als ich mich empfahl, dieser junge Mann scheint freilich nur bei der Gesandtschaft attachirt zu seyn, damit er sein Vermögen auf eine dem Staat nützliche und auswärts ehrenvolle Weise verzehrt. Allein er nistet sich doch in den Kombinationen der Staatsmänner als eine disponible Größe fest, gelang zu einer höhern Stelle, lernt gewisse Routinen und kann am Ende noch einst dazu kommen, daß er für die Jnteressen eines ganzen Volkes sorgen muß, derselbe junge Mann, welcher bis jetzt nur noch die Kunst versteht, Hunde zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [344/0372]
derselben Farbe. Jch hätte glauben sollen, mit einem Kunstreiter zu sprechen. Von diplomatischen Verhältnissen hatte er vielleicht kaum so viel Kenntnisse, wie in der That vom Reiten. Er konnte mir nicht den unbedeutendsten Aufschluß über die Angelegenheiten geben, über welche ich mit ihm sprach. Er führte ein Französisch im Munde, das er von irgend einem aus dem französischen Krieg zurückgekehrten Korporal gelernt haben mußte, war aber dabei doch so zuversichtlich von seiner Stellung eingenommen, daß er immer mit einer officiellen Miene sprach, ohne auch nur in das geringste Geheimniß eingeweiht zu seyn. Mein Name kam auf das Tapet, er hatte nie von mir gehört und war, da er aus irgend einer Bemerkung schließen mußte, daß ich schon etwas geschrieben haben müsse, so unverschämt, mir zu sagen: es würden heutigen Tags so entsetzlich viel Bücher gedruckt, daß man gar nicht mehr wüßte, was man sich aus einer Leihbibliothek geben lassen solle. Großer Gott! dachte ich, als ich mich empfahl, dieser junge Mann scheint freilich nur bei der Gesandtschaft attachirt zu seyn, damit er sein Vermögen auf eine dem Staat nützliche und auswärts ehrenvolle Weise verzehrt. Allein er nistet sich doch in den Kombinationen der Staatsmänner als eine disponible Größe fest, gelang zu einer höhern Stelle, lernt gewisse Routinen und kann am Ende noch einst dazu kommen, daß er für die Jnteressen eines ganzen Volkes sorgen muß, derselbe junge Mann, welcher bis jetzt nur noch die Kunst versteht, Hunde zu
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/372>, abgerufen am 28.07.2024. |