Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Dieß System, übertragen auf die Berührung mit fremden Staaten, muß allerdings von einem großen Mißtrauen gegen alles geleitet werden, was vom Volke stammt; also nicht blos gegen den Parteigeist, der die Einheit mancher Staaten zersplittert, sondern auch gegen diese Staaten selbst, wenn sie auf das Princip der Volkssouverainität gegründet sind, gegen die königliche Prärogative, wenn diese vom Volke eingesetzt ist. Dennoch schließt diese unwandelbare Theorie der österreichischen Politik die Anerkennung der Geschichte und unwiderruflicher Thatsachen nicht aus. Oesterreichs auswärtige Stellung ist negativ, allein sie negirt die Revolution nicht. Das ist der große Unterschied der österreichischen Diplomatie von derjenigen, welche wir von andern autokratischen Staaten befolgt sehen, daß Oesterreich alle Thatsachen, welche sich in Europa geltend zu machen wußten, anerkannte, daß Oesterreich zwar die Fortschritte der Revolution bekämpft, überall wo es kann, aber sich darum nicht abmüht, die Revolution selbst zu bekämpfen, ihr Princip, ihren Ursprung. Was will man machen? Die Revolution ist einmal da, sie hat Terrain in unsern Gemüthern gewonnen, all' unsre Begriffe sind von ihr geschwängert; sie hat durch Napoleon selbst den meisten autokratischen Staaten als Dünger zu einer neuen Umackerung gedient. Man verliert nur Zeit und Mühe, wenn man die Scherben des zertrümmerten Riesenbildes wieder aufsuchen und tief in die Erde vergraben wollte. Was einmal da gewesen ist, das bleibt, die Geschichte Dieß System, übertragen auf die Berührung mit fremden Staaten, muß allerdings von einem großen Mißtrauen gegen alles geleitet werden, was vom Volke stammt; also nicht blos gegen den Parteigeist, der die Einheit mancher Staaten zersplittert, sondern auch gegen diese Staaten selbst, wenn sie auf das Princip der Volkssouverainität gegründet sind, gegen die königliche Prärogative, wenn diese vom Volke eingesetzt ist. Dennoch schließt diese unwandelbare Theorie der österreichischen Politik die Anerkennung der Geschichte und unwiderruflicher Thatsachen nicht aus. Oesterreichs auswärtige Stellung ist negativ, allein sie negirt die Revolution nicht. Das ist der große Unterschied der österreichischen Diplomatie von derjenigen, welche wir von andern autokratischen Staaten befolgt sehen, daß Oesterreich alle Thatsachen, welche sich in Europa geltend zu machen wußten, anerkannte, daß Oesterreich zwar die Fortschritte der Revolution bekämpft, überall wo es kann, aber sich darum nicht abmüht, die Revolution selbst zu bekämpfen, ihr Princip, ihren Ursprung. Was will man machen? Die Revolution ist einmal da, sie hat Terrain in unsern Gemüthern gewonnen, all’ unsre Begriffe sind von ihr geschwängert; sie hat durch Napoleon selbst den meisten autokratischen Staaten als Dünger zu einer neuen Umackerung gedient. Man verliert nur Zeit und Mühe, wenn man die Scherben des zertrümmerten Riesenbildes wieder aufsuchen und tief in die Erde vergraben wollte. Was einmal da gewesen ist, das bleibt, die Geschichte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0364" n="336"/> <p> Dieß System, übertragen auf die Berührung mit fremden Staaten, muß allerdings von einem großen Mißtrauen gegen alles geleitet werden, was vom Volke stammt; also nicht blos gegen den Parteigeist, der die Einheit mancher Staaten zersplittert, sondern auch gegen diese Staaten selbst, wenn sie auf das Princip der Volkssouverainität gegründet sind, gegen die königliche Prärogative, wenn diese vom Volke eingesetzt ist. Dennoch schließt diese unwandelbare Theorie der österreichischen Politik die Anerkennung der Geschichte und unwiderruflicher Thatsachen nicht aus. Oesterreichs auswärtige Stellung ist negativ, allein sie negirt die Revolution nicht. Das ist der große Unterschied der österreichischen Diplomatie von derjenigen, welche wir von andern autokratischen Staaten befolgt sehen, daß Oesterreich alle Thatsachen, welche sich in Europa geltend zu machen wußten, anerkannte, daß Oesterreich zwar die Fortschritte der Revolution bekämpft, überall wo es kann, aber sich darum nicht abmüht, die Revolution selbst zu bekämpfen, ihr Princip, ihren Ursprung. Was will man machen? Die Revolution ist einmal da, sie hat Terrain in unsern Gemüthern gewonnen, all’ unsre Begriffe sind von ihr geschwängert; sie hat durch Napoleon selbst den meisten autokratischen Staaten als Dünger zu einer neuen Umackerung gedient. Man verliert nur Zeit und Mühe, wenn man die Scherben des zertrümmerten Riesenbildes wieder aufsuchen und tief in die Erde vergraben wollte. Was einmal da gewesen ist, das bleibt, die Geschichte </p> </div> </body> </text> </TEI> [336/0364]
Dieß System, übertragen auf die Berührung mit fremden Staaten, muß allerdings von einem großen Mißtrauen gegen alles geleitet werden, was vom Volke stammt; also nicht blos gegen den Parteigeist, der die Einheit mancher Staaten zersplittert, sondern auch gegen diese Staaten selbst, wenn sie auf das Princip der Volkssouverainität gegründet sind, gegen die königliche Prärogative, wenn diese vom Volke eingesetzt ist. Dennoch schließt diese unwandelbare Theorie der österreichischen Politik die Anerkennung der Geschichte und unwiderruflicher Thatsachen nicht aus. Oesterreichs auswärtige Stellung ist negativ, allein sie negirt die Revolution nicht. Das ist der große Unterschied der österreichischen Diplomatie von derjenigen, welche wir von andern autokratischen Staaten befolgt sehen, daß Oesterreich alle Thatsachen, welche sich in Europa geltend zu machen wußten, anerkannte, daß Oesterreich zwar die Fortschritte der Revolution bekämpft, überall wo es kann, aber sich darum nicht abmüht, die Revolution selbst zu bekämpfen, ihr Princip, ihren Ursprung. Was will man machen? Die Revolution ist einmal da, sie hat Terrain in unsern Gemüthern gewonnen, all’ unsre Begriffe sind von ihr geschwängert; sie hat durch Napoleon selbst den meisten autokratischen Staaten als Dünger zu einer neuen Umackerung gedient. Man verliert nur Zeit und Mühe, wenn man die Scherben des zertrümmerten Riesenbildes wieder aufsuchen und tief in die Erde vergraben wollte. Was einmal da gewesen ist, das bleibt, die Geschichte
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/364>, abgerufen am 28.07.2024. |