Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.und sich zunächst eine steinreiche Gräfin als Gattin mitzubringen, von seinem eignen Ehrgeize dorthin getrieben, oder wurde er von Thiers geschickt, oder wurde er von Nesselrode verschrieben? Das ist ein Räthsel. Seit Pozzo di Borgo's Quiescirung haben sich in der russischen Politik einige Veränderungen ergeben, die deutlich zu Tage liegen. Die Politik dieser großen Macht hat sich, mit einem Worte zu sagen, vereinfacht. Pozzo di Borgo's Vorliebe war es gewesen, zu trennen, zu vervielfachen und sich zu weit hinaus zu wagen, hinaus selbst in ein Feld, das man nicht betreten sollte, wenn man nichts zu repräsentiren hat, als einen energischen, drohenden und zugleich doch nicht offen feindseligen Willen. Pozzo di Borgo erfaßte Rußland mehr als eine Jdee, denn als eine Wirklichkeit, welche er, der Paris nicht verließ, nur aus der Vorstellung kannte. Dieser große Diplomat war vollkommen geeignet, die stumme Größe Rußlands in einer Zeit zu repräsentiren, wo die Autorität, welche in Frankreich herrschen und sich befestigen sollte, so zahllosen Jntriguen, einer so minutiös zersplitterten Anfechtung unterworfen war, wie wir dieß an Louis Philipp in den ersten Zeiten seiner Regierung sehen konnten. Späterhin mochten diese verschlagenen Andeutungen, daß Rußland heute dieß wolle, morgen jenes zurückweise, hier drohe, dort warne, diese eigenthümlichen kleinen Jntriguen Pozzo di Borgo's wohl mehr Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland erzeugen, als dem Kabinet von St. Petersburg erwünscht war. Es und sich zunächst eine steinreiche Gräfin als Gattin mitzubringen, von seinem eignen Ehrgeize dorthin getrieben, oder wurde er von Thiers geschickt, oder wurde er von Nesselrode verschrieben? Das ist ein Räthsel. Seit Pozzo di Borgo’s Quiescirung haben sich in der russischen Politik einige Veränderungen ergeben, die deutlich zu Tage liegen. Die Politik dieser großen Macht hat sich, mit einem Worte zu sagen, vereinfacht. Pozzo di Borgo’s Vorliebe war es gewesen, zu trennen, zu vervielfachen und sich zu weit hinaus zu wagen, hinaus selbst in ein Feld, das man nicht betreten sollte, wenn man nichts zu repräsentiren hat, als einen energischen, drohenden und zugleich doch nicht offen feindseligen Willen. Pozzo di Borgo erfaßte Rußland mehr als eine Jdee, denn als eine Wirklichkeit, welche er, der Paris nicht verließ, nur aus der Vorstellung kannte. Dieser große Diplomat war vollkommen geeignet, die stumme Größe Rußlands in einer Zeit zu repräsentiren, wo die Autorität, welche in Frankreich herrschen und sich befestigen sollte, so zahllosen Jntriguen, einer so minutiös zersplitterten Anfechtung unterworfen war, wie wir dieß an Louis Philipp in den ersten Zeiten seiner Regierung sehen konnten. Späterhin mochten diese verschlagenen Andeutungen, daß Rußland heute dieß wolle, morgen jenes zurückweise, hier drohe, dort warne, diese eigenthümlichen kleinen Jntriguen Pozzo di Borgo’s wohl mehr Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland erzeugen, als dem Kabinet von St. Petersburg erwünscht war. Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0360" n="332"/> und sich zunächst eine steinreiche Gräfin als Gattin mitzubringen, von seinem eignen Ehrgeize dorthin getrieben, oder wurde er von Thiers geschickt, oder wurde er von Nesselrode verschrieben? Das ist ein Räthsel.</p> <p>Seit Pozzo di Borgo’s Quiescirung haben sich in der russischen Politik einige Veränderungen ergeben, die deutlich zu Tage liegen. Die Politik dieser großen Macht hat sich, mit einem Worte zu sagen, vereinfacht. Pozzo di Borgo’s Vorliebe war es gewesen, zu trennen, zu vervielfachen und sich zu weit hinaus zu wagen, hinaus selbst in ein Feld, das man nicht betreten sollte, wenn man nichts zu repräsentiren hat, als einen energischen, drohenden und zugleich doch nicht offen feindseligen Willen. Pozzo di Borgo erfaßte Rußland mehr als eine Jdee, denn als eine Wirklichkeit, welche er, der Paris nicht verließ, nur aus der Vorstellung kannte. Dieser große Diplomat war vollkommen geeignet, die stumme Größe Rußlands in einer Zeit zu repräsentiren, wo die Autorität, welche in Frankreich herrschen und sich befestigen sollte, so zahllosen Jntriguen, einer so minutiös zersplitterten Anfechtung unterworfen war, wie wir dieß an Louis Philipp in den ersten Zeiten seiner Regierung sehen konnten. Späterhin mochten diese verschlagenen Andeutungen, daß Rußland heute dieß wolle, morgen jenes zurückweise, hier drohe, dort warne, diese eigenthümlichen kleinen Jntriguen Pozzo di Borgo’s wohl mehr Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland erzeugen, als dem Kabinet von St. Petersburg erwünscht war. Es </p> </div> </body> </text> </TEI> [332/0360]
und sich zunächst eine steinreiche Gräfin als Gattin mitzubringen, von seinem eignen Ehrgeize dorthin getrieben, oder wurde er von Thiers geschickt, oder wurde er von Nesselrode verschrieben? Das ist ein Räthsel.
Seit Pozzo di Borgo’s Quiescirung haben sich in der russischen Politik einige Veränderungen ergeben, die deutlich zu Tage liegen. Die Politik dieser großen Macht hat sich, mit einem Worte zu sagen, vereinfacht. Pozzo di Borgo’s Vorliebe war es gewesen, zu trennen, zu vervielfachen und sich zu weit hinaus zu wagen, hinaus selbst in ein Feld, das man nicht betreten sollte, wenn man nichts zu repräsentiren hat, als einen energischen, drohenden und zugleich doch nicht offen feindseligen Willen. Pozzo di Borgo erfaßte Rußland mehr als eine Jdee, denn als eine Wirklichkeit, welche er, der Paris nicht verließ, nur aus der Vorstellung kannte. Dieser große Diplomat war vollkommen geeignet, die stumme Größe Rußlands in einer Zeit zu repräsentiren, wo die Autorität, welche in Frankreich herrschen und sich befestigen sollte, so zahllosen Jntriguen, einer so minutiös zersplitterten Anfechtung unterworfen war, wie wir dieß an Louis Philipp in den ersten Zeiten seiner Regierung sehen konnten. Späterhin mochten diese verschlagenen Andeutungen, daß Rußland heute dieß wolle, morgen jenes zurückweise, hier drohe, dort warne, diese eigenthümlichen kleinen Jntriguen Pozzo di Borgo’s wohl mehr Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland erzeugen, als dem Kabinet von St. Petersburg erwünscht war. Es
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/360>, abgerufen am 28.07.2024. |