Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.cholerischer Natur, sie waren auf keine Zwecke gerichtet, sondern dieß war ihr Zweck, sich zu haben und zu kennen, sich zu fühlen wie Brüder vor Gott oder der Natur, und dasselbe zu fühlen und eben so zu seyn der Eine, wie der Andre. Wilson spricht nie davon, aber ich seh's an seinem leuchtenden Auge, wenn er von Freundschaft spricht, daß es so unter seinen Sternen muß gewesen seyn. Den Freund nennt er nur mit Thränen. Er erschoß sich später, aus Liebe zu einem Mädchen, das ihn verschmähte, weil er häßlich war und von Blattern ganz zerfetzt. Will der Häßliche bei den Frauen Glück machen, so muß er seyn, wie Mirabeau war, wild, unternehmend, ein Himmelsstürmer, vor dessen Zorn das Weib zittert, durch dessen Kühnheit gegen Andre sie sich geschmeichelt fühlt, und den sie nicht läßt, wenn sie ihn oder er sie einmal schwach gesehen. Auch Wilson war unglücklich, als er mit einem weiblichen Wesen anknüpfte. Sein Freund war der Sohn reicher, kalter und vornehmer Eltern, Fabrikanten, die mit der Aristokratie der Geburt und des Ranges wetteiferten. Die Wilson anbetete, war die Schwester seines Freundes. Er sagte mir, sie hätten sich vier Jahre geliebt und es sich mit den Augen, zuweilen mit der Hand gestanden, aber niemals sey eine weitere Annäherung zwischen ihnen vorgefallen. Jhr Verhältniß hielt sich in den Schranken einer conventionellen Begegnung. Wilson war ein niederer Handwerker. Eines Tages reichte sie ihm schluchzend die Hand, er wandte sich ab, er cholerischer Natur, sie waren auf keine Zwecke gerichtet, sondern dieß war ihr Zweck, sich zu haben und zu kennen, sich zu fühlen wie Brüder vor Gott oder der Natur, und dasselbe zu fühlen und eben so zu seyn der Eine, wie der Andre. Wilson spricht nie davon, aber ich seh’s an seinem leuchtenden Auge, wenn er von Freundschaft spricht, daß es so unter seinen Sternen muß gewesen seyn. Den Freund nennt er nur mit Thränen. Er erschoß sich später, aus Liebe zu einem Mädchen, das ihn verschmähte, weil er häßlich war und von Blattern ganz zerfetzt. Will der Häßliche bei den Frauen Glück machen, so muß er seyn, wie Mirabeau war, wild, unternehmend, ein Himmelsstürmer, vor dessen Zorn das Weib zittert, durch dessen Kühnheit gegen Andre sie sich geschmeichelt fühlt, und den sie nicht läßt, wenn sie ihn oder er sie einmal schwach gesehen. Auch Wilson war unglücklich, als er mit einem weiblichen Wesen anknüpfte. Sein Freund war der Sohn reicher, kalter und vornehmer Eltern, Fabrikanten, die mit der Aristokratie der Geburt und des Ranges wetteiferten. Die Wilson anbetete, war die Schwester seines Freundes. Er sagte mir, sie hätten sich vier Jahre geliebt und es sich mit den Augen, zuweilen mit der Hand gestanden, aber niemals sey eine weitere Annäherung zwischen ihnen vorgefallen. Jhr Verhältniß hielt sich in den Schranken einer conventionellen Begegnung. Wilson war ein niederer Handwerker. Eines Tages reichte sie ihm schluchzend die Hand, er wandte sich ab, er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="7"/> cholerischer Natur, sie waren auf keine Zwecke gerichtet, sondern dieß war ihr Zweck, sich zu haben und zu kennen, sich zu fühlen wie Brüder vor Gott oder der Natur, und dasselbe zu fühlen und eben so zu seyn der Eine, wie der Andre. Wilson spricht nie davon, aber ich seh’s an seinem leuchtenden Auge, wenn er von Freundschaft spricht, daß es so unter seinen Sternen muß gewesen seyn. Den Freund nennt er nur mit Thränen. Er erschoß sich später, aus Liebe zu einem Mädchen, das ihn verschmähte, weil er häßlich war und von Blattern ganz zerfetzt. Will der Häßliche bei den Frauen Glück machen, so muß er seyn, wie Mirabeau war, wild, unternehmend, ein Himmelsstürmer, vor dessen Zorn das Weib zittert, durch dessen Kühnheit gegen Andre sie sich geschmeichelt fühlt, und den sie nicht läßt, wenn sie ihn oder er sie einmal schwach gesehen.</p> <p>Auch Wilson war unglücklich, als er mit einem weiblichen Wesen anknüpfte. Sein Freund war der Sohn reicher, kalter und vornehmer Eltern, Fabrikanten, die mit der Aristokratie der Geburt und des Ranges wetteiferten. Die Wilson anbetete, war die Schwester seines Freundes. Er sagte mir, sie hätten sich vier Jahre geliebt und es sich mit den Augen, zuweilen mit der Hand gestanden, aber niemals sey eine weitere Annäherung zwischen ihnen vorgefallen. Jhr Verhältniß hielt sich in den Schranken einer conventionellen Begegnung. Wilson war ein niederer Handwerker. Eines Tages reichte sie ihm schluchzend die Hand, er wandte sich ab, er </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0035]
cholerischer Natur, sie waren auf keine Zwecke gerichtet, sondern dieß war ihr Zweck, sich zu haben und zu kennen, sich zu fühlen wie Brüder vor Gott oder der Natur, und dasselbe zu fühlen und eben so zu seyn der Eine, wie der Andre. Wilson spricht nie davon, aber ich seh’s an seinem leuchtenden Auge, wenn er von Freundschaft spricht, daß es so unter seinen Sternen muß gewesen seyn. Den Freund nennt er nur mit Thränen. Er erschoß sich später, aus Liebe zu einem Mädchen, das ihn verschmähte, weil er häßlich war und von Blattern ganz zerfetzt. Will der Häßliche bei den Frauen Glück machen, so muß er seyn, wie Mirabeau war, wild, unternehmend, ein Himmelsstürmer, vor dessen Zorn das Weib zittert, durch dessen Kühnheit gegen Andre sie sich geschmeichelt fühlt, und den sie nicht läßt, wenn sie ihn oder er sie einmal schwach gesehen.
Auch Wilson war unglücklich, als er mit einem weiblichen Wesen anknüpfte. Sein Freund war der Sohn reicher, kalter und vornehmer Eltern, Fabrikanten, die mit der Aristokratie der Geburt und des Ranges wetteiferten. Die Wilson anbetete, war die Schwester seines Freundes. Er sagte mir, sie hätten sich vier Jahre geliebt und es sich mit den Augen, zuweilen mit der Hand gestanden, aber niemals sey eine weitere Annäherung zwischen ihnen vorgefallen. Jhr Verhältniß hielt sich in den Schranken einer conventionellen Begegnung. Wilson war ein niederer Handwerker. Eines Tages reichte sie ihm schluchzend die Hand, er wandte sich ab, er
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/35>, abgerufen am 27.07.2024. |