Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.so müssen diese dazu dienen, mit der Aristokratie des Landes, wo sie ihren Sitz aufschlagen, zu wetteifern, bei den Thorheiten des Auslandes die Thorheiten des Jnlandes zu vertreten, Wettrennen mitzumachen, glänzende Diners zu geben und wo möglich sich den Prinzipat in der fashionablen Welt anzueignen. Die Ostentation muß sich von der Toilette des bevollmächtigten Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken. Seine Pferde müssen die theuersten, seine Hunde die gewandtesten seyn. Er braucht sich weit weniger mit der Politik der fremden Staatsmänner zu beschäftigen, als mit deren Frauen. Leichtsinn setzt seine Konstituenten nicht in Besorgnisse, oder nur, wenn sie hören, daß ihr Gesandter ein großer Spieler ist. Jn diesem Falle kann die edelste und fashionabelste Figur nicht mehr für sich einstehen; hat das Spiel einmal erst alle übrigen Leidenschaften in Beschlag genommen, so zieht es allmählig den ganzen Menschen in seine Sphäre herunter, lenkt alle Triebfedern seines Geistes auf die Hoffnung des Gewinnes oder wenigstens den Aerger, daß man verliert; man greift, um das Glück zu betrügen, nicht selten nach verzweifelten Mitteln und kann überhaupt für sich selbst nicht mehr gut sagen. Wenn ein Kabinet hört, daß sein Botschafter ein großer Spieler geworden ist, so sollte es ihn immer von einer Stelle abberufen, die er auf würdige Weise nicht mehr ausfüllen kann. Nun, wenn die Diplomatie etwas anders wäre, als das Treiben eines Roues in der Gesellschaft, was würde so müssen diese dazu dienen, mit der Aristokratie des Landes, wo sie ihren Sitz aufschlagen, zu wetteifern, bei den Thorheiten des Auslandes die Thorheiten des Jnlandes zu vertreten, Wettrennen mitzumachen, glänzende Diners zu geben und wo möglich sich den Prinzipat in der fashionablen Welt anzueignen. Die Ostentation muß sich von der Toilette des bevollmächtigten Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken. Seine Pferde müssen die theuersten, seine Hunde die gewandtesten seyn. Er braucht sich weit weniger mit der Politik der fremden Staatsmänner zu beschäftigen, als mit deren Frauen. Leichtsinn setzt seine Konstituenten nicht in Besorgnisse, oder nur, wenn sie hören, daß ihr Gesandter ein großer Spieler ist. Jn diesem Falle kann die edelste und fashionabelste Figur nicht mehr für sich einstehen; hat das Spiel einmal erst alle übrigen Leidenschaften in Beschlag genommen, so zieht es allmählig den ganzen Menschen in seine Sphäre herunter, lenkt alle Triebfedern seines Geistes auf die Hoffnung des Gewinnes oder wenigstens den Aerger, daß man verliert; man greift, um das Glück zu betrügen, nicht selten nach verzweifelten Mitteln und kann überhaupt für sich selbst nicht mehr gut sagen. Wenn ein Kabinet hört, daß sein Botschafter ein großer Spieler geworden ist, so sollte es ihn immer von einer Stelle abberufen, die er auf würdige Weise nicht mehr ausfüllen kann. Nun, wenn die Diplomatie etwas anders wäre, als das Treiben eines Roués in der Gesellschaft, was würde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0349" n="321"/> so müssen diese dazu dienen, mit der Aristokratie des Landes, wo sie ihren Sitz aufschlagen, zu wetteifern, bei den Thorheiten des Auslandes die Thorheiten des Jnlandes zu vertreten, Wettrennen mitzumachen, glänzende Diners zu geben und wo möglich sich den Prinzipat in der fashionablen Welt anzueignen. Die Ostentation muß sich von der Toilette des bevollmächtigten Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken. Seine Pferde müssen die theuersten, seine Hunde die gewandtesten seyn. Er braucht sich weit weniger mit der Politik der fremden Staatsmänner zu beschäftigen, als mit deren Frauen. Leichtsinn setzt seine Konstituenten nicht in Besorgnisse, oder nur, wenn sie hören, daß ihr Gesandter ein großer Spieler ist. Jn diesem Falle kann die edelste und fashionabelste Figur nicht mehr für sich einstehen; hat das Spiel einmal erst alle übrigen Leidenschaften in Beschlag genommen, so zieht es allmählig den ganzen Menschen in seine Sphäre herunter, lenkt alle Triebfedern seines Geistes auf die Hoffnung des Gewinnes oder wenigstens den Aerger, daß man verliert; man greift, um das Glück zu betrügen, nicht selten nach verzweifelten Mitteln und kann überhaupt für sich selbst nicht mehr gut sagen. Wenn ein Kabinet hört, daß sein Botschafter ein großer Spieler geworden ist, so sollte es ihn immer von einer Stelle abberufen, die er auf würdige Weise nicht mehr ausfüllen kann.</p> <p>Nun, wenn die Diplomatie etwas anders wäre, als das Treiben eines Roués in der Gesellschaft, was würde </p> </div> </body> </text> </TEI> [321/0349]
so müssen diese dazu dienen, mit der Aristokratie des Landes, wo sie ihren Sitz aufschlagen, zu wetteifern, bei den Thorheiten des Auslandes die Thorheiten des Jnlandes zu vertreten, Wettrennen mitzumachen, glänzende Diners zu geben und wo möglich sich den Prinzipat in der fashionablen Welt anzueignen. Die Ostentation muß sich von der Toilette des bevollmächtigten Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken. Seine Pferde müssen die theuersten, seine Hunde die gewandtesten seyn. Er braucht sich weit weniger mit der Politik der fremden Staatsmänner zu beschäftigen, als mit deren Frauen. Leichtsinn setzt seine Konstituenten nicht in Besorgnisse, oder nur, wenn sie hören, daß ihr Gesandter ein großer Spieler ist. Jn diesem Falle kann die edelste und fashionabelste Figur nicht mehr für sich einstehen; hat das Spiel einmal erst alle übrigen Leidenschaften in Beschlag genommen, so zieht es allmählig den ganzen Menschen in seine Sphäre herunter, lenkt alle Triebfedern seines Geistes auf die Hoffnung des Gewinnes oder wenigstens den Aerger, daß man verliert; man greift, um das Glück zu betrügen, nicht selten nach verzweifelten Mitteln und kann überhaupt für sich selbst nicht mehr gut sagen. Wenn ein Kabinet hört, daß sein Botschafter ein großer Spieler geworden ist, so sollte es ihn immer von einer Stelle abberufen, die er auf würdige Weise nicht mehr ausfüllen kann.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/349>, abgerufen am 28.07.2024. |