Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.verfahren der Hauptstadt gegenüber so unsicher, daß sich nicht selten der Fall ereignet, man wird zu gleicher Zeit vier- oder fünfmal an verschiedenen Orten gewählt. Man muß gestehen, es liegt hierin eine große Anhänglichkeit an das Talent, aber auch ein sehr ohnmächtiger Gebrauch seiner politischen Rechtsame. Wenn die Hälfte der französischen Deputirten aus gewählten Wählern und Beamten besteht, so kann man nur die andere Hälfte wahrhaft des hommes politiques nennen. Diese müssen eine gewisse Berühmtheit besitzen, sie müssen sie sich auf irgend eine Weise zu erwerben suchen. Man wurde entweder ein Name durch die Unbill der Zeiten, man ist Legitimist oder Republikaner und wird verfolgt; man weiß nur auf seinen Charakter zu fußen, man hat Beharrlichkeit, Consequenz, Tugenden genug, die von dem ehrgeizigen Jnstinkte der Franzosen bald ausgewittert und gepriesen sind. Oder man ist Gelehrter, man besitzt diese wunderliche Eigenschaft der französischen Gelehrten, zu gleicher Zeit Beförderer der Wissenschaften zu seyn, und Politik zu treiben, wie der jakobinische Chemiker Raspail, der republikanische Physiker Arago. Auch in diesem Falle ist man unter der Masse leicht bekannt oder kann sich durch einige bedeutungsvolle Winke für die Wahl leicht kenntlich machen. Der letzte Wink ist der, als Journalist anzufangen. Frankreich hat Beispiele, wie man in diesem Falle als Premierminister aufhören kann. Die Laufbahn des Herrn Thiers ist eine glänzende Genugthuung, die eine Nation dem verfahren der Hauptstadt gegenüber so unsicher, daß sich nicht selten der Fall ereignet, man wird zu gleicher Zeit vier- oder fünfmal an verschiedenen Orten gewählt. Man muß gestehen, es liegt hierin eine große Anhänglichkeit an das Talent, aber auch ein sehr ohnmächtiger Gebrauch seiner politischen Rechtsame. Wenn die Hälfte der französischen Deputirten aus gewählten Wählern und Beamten besteht, so kann man nur die andere Hälfte wahrhaft des hommes politiques nennen. Diese müssen eine gewisse Berühmtheit besitzen, sie müssen sie sich auf irgend eine Weise zu erwerben suchen. Man wurde entweder ein Name durch die Unbill der Zeiten, man ist Legitimist oder Republikaner und wird verfolgt; man weiß nur auf seinen Charakter zu fußen, man hat Beharrlichkeit, Consequenz, Tugenden genug, die von dem ehrgeizigen Jnstinkte der Franzosen bald ausgewittert und gepriesen sind. Oder man ist Gelehrter, man besitzt diese wunderliche Eigenschaft der französischen Gelehrten, zu gleicher Zeit Beförderer der Wissenschaften zu seyn, und Politik zu treiben, wie der jakobinische Chemiker Raspail, der republikanische Physiker Arago. Auch in diesem Falle ist man unter der Masse leicht bekannt oder kann sich durch einige bedeutungsvolle Winke für die Wahl leicht kenntlich machen. Der letzte Wink ist der, als Journalist anzufangen. Frankreich hat Beispiele, wie man in diesem Falle als Premierminister aufhören kann. Die Laufbahn des Herrn Thiers ist eine glänzende Genugthuung, die eine Nation dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0335" n="307"/> verfahren der Hauptstadt gegenüber so unsicher, daß sich nicht selten der Fall ereignet, man wird zu gleicher Zeit vier- oder fünfmal an verschiedenen Orten gewählt. Man muß gestehen, es liegt hierin eine große Anhänglichkeit an das Talent, aber auch ein sehr ohnmächtiger Gebrauch seiner politischen Rechtsame.</p> <p>Wenn die Hälfte der französischen Deputirten aus gewählten Wählern und Beamten besteht, so kann man nur die andere Hälfte wahrhaft <hi rendition="#aq">des hommes politiques</hi> nennen. Diese müssen eine gewisse Berühmtheit besitzen, sie müssen sie sich auf irgend eine Weise zu erwerben suchen. Man wurde entweder ein <hi rendition="#g">Name</hi> durch die Unbill der Zeiten, man ist Legitimist oder Republikaner und wird verfolgt; man weiß nur auf seinen Charakter zu fußen, man hat Beharrlichkeit, Consequenz, Tugenden genug, die von dem ehrgeizigen Jnstinkte der Franzosen bald ausgewittert und gepriesen sind. Oder man ist Gelehrter, man besitzt diese wunderliche Eigenschaft der französischen Gelehrten, zu gleicher Zeit Beförderer der Wissenschaften zu seyn, und Politik zu treiben, wie der jakobinische Chemiker Raspail, der republikanische Physiker Arago. Auch in diesem Falle ist man unter der Masse leicht bekannt oder kann sich durch einige bedeutungsvolle Winke für die Wahl leicht kenntlich machen. Der letzte Wink ist der, als Journalist anzufangen. Frankreich hat Beispiele, wie man in diesem Falle als Premierminister aufhören kann. Die Laufbahn des Herrn Thiers ist eine glänzende Genugthuung, die eine Nation dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [307/0335]
verfahren der Hauptstadt gegenüber so unsicher, daß sich nicht selten der Fall ereignet, man wird zu gleicher Zeit vier- oder fünfmal an verschiedenen Orten gewählt. Man muß gestehen, es liegt hierin eine große Anhänglichkeit an das Talent, aber auch ein sehr ohnmächtiger Gebrauch seiner politischen Rechtsame.
Wenn die Hälfte der französischen Deputirten aus gewählten Wählern und Beamten besteht, so kann man nur die andere Hälfte wahrhaft des hommes politiques nennen. Diese müssen eine gewisse Berühmtheit besitzen, sie müssen sie sich auf irgend eine Weise zu erwerben suchen. Man wurde entweder ein Name durch die Unbill der Zeiten, man ist Legitimist oder Republikaner und wird verfolgt; man weiß nur auf seinen Charakter zu fußen, man hat Beharrlichkeit, Consequenz, Tugenden genug, die von dem ehrgeizigen Jnstinkte der Franzosen bald ausgewittert und gepriesen sind. Oder man ist Gelehrter, man besitzt diese wunderliche Eigenschaft der französischen Gelehrten, zu gleicher Zeit Beförderer der Wissenschaften zu seyn, und Politik zu treiben, wie der jakobinische Chemiker Raspail, der republikanische Physiker Arago. Auch in diesem Falle ist man unter der Masse leicht bekannt oder kann sich durch einige bedeutungsvolle Winke für die Wahl leicht kenntlich machen. Der letzte Wink ist der, als Journalist anzufangen. Frankreich hat Beispiele, wie man in diesem Falle als Premierminister aufhören kann. Die Laufbahn des Herrn Thiers ist eine glänzende Genugthuung, die eine Nation dem
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/335>, abgerufen am 28.07.2024. |