Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.das der Wiedergeburt hielten sich immer das Gleichgewicht. Rom führte bald ein vollständiges Repräsentativsystem in seine Gesetzgebung und Staatsverwaltung ein. Die Patrizier waren die Pairs, die Tribunen die Volksdeputirten. Es gab Behörden, besonders solche, welche von Priesterkollegien gewählt wurden, welche eine dauernde Gewalt vorstellten. Die Aristokratie erhielt sich ohnehin in ihrer festen Konsistenz und verwandelte, was die Wogen der Volksgunst an ihr Gestade schwemmten, bald in ihren eigenen Stoff. Ja, als sogar später alle Bollwerke der Volksfreiheit eingerissen schienen und auch die Aristokratie von der Alleinherrschaft der Cäsaren vernichtet wurde, blieb immer noch eine gewisse, wenn nicht Gesetzgebung, doch öffentliche Meinung übrig, durch welche der Despotismus gezügelt wurde. Die schmähliche Existenz des römischen Staates unter den ersten und letzten Kaisern lag weit weniger in dem Verlust der politischen Freiheit, als in dem wilden Toben der leidenschaftlichen Charaktere, von welchen jene Geschichte berichten konnte. Es war weit mehr als Uebermuth und schlechte Gesinnung, Furcht vor der Rache des Volkes, Geiz und Habsucht, lauter rein persönliche Laster, welche allmählig das Bewußtseyn des Gleichgewichts der politischen Gewalten untergruben. Man konnte bei den fürchterlichen Ausschweifungen der Kaiserherrschaft zuletzt nur noch daran denken, sein persönliches Eigenthum zu sichern, und trug demnach allen so fein gewesenen Kombinations- und Unterscheidungssinn auf die Ausbildung der Civilgesetze das der Wiedergeburt hielten sich immer das Gleichgewicht. Rom führte bald ein vollständiges Repräsentativsystem in seine Gesetzgebung und Staatsverwaltung ein. Die Patrizier waren die Pairs, die Tribunen die Volksdeputirten. Es gab Behörden, besonders solche, welche von Priesterkollegien gewählt wurden, welche eine dauernde Gewalt vorstellten. Die Aristokratie erhielt sich ohnehin in ihrer festen Konsistenz und verwandelte, was die Wogen der Volksgunst an ihr Gestade schwemmten, bald in ihren eigenen Stoff. Ja, als sogar später alle Bollwerke der Volksfreiheit eingerissen schienen und auch die Aristokratie von der Alleinherrschaft der Cäsaren vernichtet wurde, blieb immer noch eine gewisse, wenn nicht Gesetzgebung, doch öffentliche Meinung übrig, durch welche der Despotismus gezügelt wurde. Die schmähliche Existenz des römischen Staates unter den ersten und letzten Kaisern lag weit weniger in dem Verlust der politischen Freiheit, als in dem wilden Toben der leidenschaftlichen Charaktere, von welchen jene Geschichte berichten konnte. Es war weit mehr als Uebermuth und schlechte Gesinnung, Furcht vor der Rache des Volkes, Geiz und Habsucht, lauter rein persönliche Laster, welche allmählig das Bewußtseyn des Gleichgewichts der politischen Gewalten untergruben. Man konnte bei den fürchterlichen Ausschweifungen der Kaiserherrschaft zuletzt nur noch daran denken, sein persönliches Eigenthum zu sichern, und trug demnach allen so fein gewesenen Kombinations- und Unterscheidungssinn auf die Ausbildung der Civilgesetze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0325" n="297"/> das der Wiedergeburt hielten sich immer das Gleichgewicht. Rom führte bald ein vollständiges Repräsentativsystem in seine Gesetzgebung und Staatsverwaltung ein. Die Patrizier waren die Pairs, die Tribunen die Volksdeputirten. Es gab Behörden, besonders solche, welche von Priesterkollegien gewählt wurden, welche eine dauernde Gewalt vorstellten. Die Aristokratie erhielt sich ohnehin in ihrer festen Konsistenz und verwandelte, was die Wogen der Volksgunst an ihr Gestade schwemmten, bald in ihren eigenen Stoff. Ja, als sogar später alle Bollwerke der Volksfreiheit eingerissen schienen und auch die Aristokratie von der Alleinherrschaft der Cäsaren vernichtet wurde, blieb immer noch eine gewisse, wenn nicht Gesetzgebung, doch öffentliche Meinung übrig, durch welche der Despotismus gezügelt wurde. Die schmähliche Existenz des römischen Staates unter den ersten und letzten Kaisern lag weit weniger in dem Verlust der politischen Freiheit, als in dem wilden Toben der leidenschaftlichen Charaktere, von welchen jene Geschichte berichten konnte. Es war weit mehr als Uebermuth und schlechte Gesinnung, Furcht vor der Rache des Volkes, Geiz und Habsucht, lauter rein persönliche Laster, welche allmählig das Bewußtseyn des Gleichgewichts der politischen Gewalten untergruben. Man konnte bei den fürchterlichen Ausschweifungen der Kaiserherrschaft zuletzt nur noch daran denken, sein persönliches Eigenthum zu sichern, und trug demnach allen so fein gewesenen Kombinations- und Unterscheidungssinn auf die Ausbildung der Civilgesetze </p> </div> </body> </text> </TEI> [297/0325]
das der Wiedergeburt hielten sich immer das Gleichgewicht. Rom führte bald ein vollständiges Repräsentativsystem in seine Gesetzgebung und Staatsverwaltung ein. Die Patrizier waren die Pairs, die Tribunen die Volksdeputirten. Es gab Behörden, besonders solche, welche von Priesterkollegien gewählt wurden, welche eine dauernde Gewalt vorstellten. Die Aristokratie erhielt sich ohnehin in ihrer festen Konsistenz und verwandelte, was die Wogen der Volksgunst an ihr Gestade schwemmten, bald in ihren eigenen Stoff. Ja, als sogar später alle Bollwerke der Volksfreiheit eingerissen schienen und auch die Aristokratie von der Alleinherrschaft der Cäsaren vernichtet wurde, blieb immer noch eine gewisse, wenn nicht Gesetzgebung, doch öffentliche Meinung übrig, durch welche der Despotismus gezügelt wurde. Die schmähliche Existenz des römischen Staates unter den ersten und letzten Kaisern lag weit weniger in dem Verlust der politischen Freiheit, als in dem wilden Toben der leidenschaftlichen Charaktere, von welchen jene Geschichte berichten konnte. Es war weit mehr als Uebermuth und schlechte Gesinnung, Furcht vor der Rache des Volkes, Geiz und Habsucht, lauter rein persönliche Laster, welche allmählig das Bewußtseyn des Gleichgewichts der politischen Gewalten untergruben. Man konnte bei den fürchterlichen Ausschweifungen der Kaiserherrschaft zuletzt nur noch daran denken, sein persönliches Eigenthum zu sichern, und trug demnach allen so fein gewesenen Kombinations- und Unterscheidungssinn auf die Ausbildung der Civilgesetze
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/325>, abgerufen am 28.07.2024. |