Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Kurz, dieses Munizipalbürgerthum in den absoluten Staaten soll sehr kostspielig seyn. Dafür ist es aber auch mit einem gewissen Scheine von Freiheit verbunden, von Freiheit über jene Wiesen und Gärten, welche rings das Weichbild der Stadt ausfüllen, Freiheit über die Meilenzeiger auf den Kreuzwegen, nach welchen sich die Reisenden in der Gegend zurecht finden können, Freiheit, die Armen des Ortes zu kleiden und zu speisen, kurz, alles das aus eigenem Antriebe und aus eigenen Mitteln zu thun, was, wenn es der Staat thun sollte, ihm eine Menge Geld und eine Unzahl Beamte kosten würde. Das moderne Europa ist so sehr die Frucht des mittelalterlichen Feudalismus, daß dieser Begriff, welchen man mit dem Bürgerthume verbindet, dieser lokale Geruch, der an ihm haftet, eigentlich überall und selbst in jenen Ländern, deren Zukunft durch Verfassungen gesichert wurde, der herrschende ist. Der Franzose und Engländer verbindet die Vorstellung seiner politischen Rechte weit mehr mit dem Ausrufe: Jch bin Franzose, ich bin Engländer, als mit dem: Jch bin Bürger von Frankreich oder England; der Nordamerikaner dagegen sagt nie anders, als: Jch bin Bürger der Union. Beide, der Europäer und der Amerikaner, sind stolz genug, mit ihrem Ausrufe dasselbe ausdrücken zu wollen. Nur findet der Engländer die Garantie seiner Freiheit weit mehr in dem Ruhm seiner Geschichte, in dem glorreichen Gedanken, einem Stamme und einer Kurz, dieses Munizipalbürgerthum in den absoluten Staaten soll sehr kostspielig seyn. Dafür ist es aber auch mit einem gewissen Scheine von Freiheit verbunden, von Freiheit über jene Wiesen und Gärten, welche rings das Weichbild der Stadt ausfüllen, Freiheit über die Meilenzeiger auf den Kreuzwegen, nach welchen sich die Reisenden in der Gegend zurecht finden können, Freiheit, die Armen des Ortes zu kleiden und zu speisen, kurz, alles das aus eigenem Antriebe und aus eigenen Mitteln zu thun, was, wenn es der Staat thun sollte, ihm eine Menge Geld und eine Unzahl Beamte kosten würde. Das moderne Europa ist so sehr die Frucht des mittelalterlichen Feudalismus, daß dieser Begriff, welchen man mit dem Bürgerthume verbindet, dieser lokale Geruch, der an ihm haftet, eigentlich überall und selbst in jenen Ländern, deren Zukunft durch Verfassungen gesichert wurde, der herrschende ist. Der Franzose und Engländer verbindet die Vorstellung seiner politischen Rechte weit mehr mit dem Ausrufe: Jch bin Franzose, ich bin Engländer, als mit dem: Jch bin Bürger von Frankreich oder England; der Nordamerikaner dagegen sagt nie anders, als: Jch bin Bürger der Union. Beide, der Europäer und der Amerikaner, sind stolz genug, mit ihrem Ausrufe dasselbe ausdrücken zu wollen. Nur findet der Engländer die Garantie seiner Freiheit weit mehr in dem Ruhm seiner Geschichte, in dem glorreichen Gedanken, einem Stamme und einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="280"/> Kurz, dieses Munizipalbürgerthum in den absoluten Staaten soll sehr kostspielig seyn. Dafür ist es aber auch mit einem gewissen Scheine von Freiheit verbunden, von Freiheit über jene Wiesen und Gärten, welche rings das Weichbild der Stadt ausfüllen, Freiheit über die Meilenzeiger auf den Kreuzwegen, nach welchen sich die Reisenden in der Gegend zurecht finden können, Freiheit, die Armen des Ortes zu kleiden und zu speisen, kurz, alles das aus eigenem Antriebe und aus eigenen Mitteln zu thun, was, wenn es der Staat thun sollte, ihm eine Menge Geld und eine Unzahl Beamte kosten würde.</p> <p>Das moderne Europa ist so sehr die Frucht des mittelalterlichen Feudalismus, daß dieser Begriff, welchen man mit dem Bürgerthume verbindet, dieser lokale Geruch, der an ihm haftet, eigentlich überall und selbst in jenen Ländern, deren Zukunft durch Verfassungen gesichert wurde, der herrschende ist. Der Franzose und Engländer verbindet die Vorstellung seiner politischen Rechte weit mehr mit dem Ausrufe: Jch bin Franzose, ich bin Engländer, als mit dem: Jch bin Bürger von Frankreich oder England; der Nordamerikaner dagegen sagt nie anders, als: Jch bin Bürger der Union. Beide, der Europäer und der Amerikaner, sind stolz genug, mit ihrem Ausrufe dasselbe ausdrücken zu wollen. Nur findet der Engländer die Garantie seiner Freiheit weit mehr in dem Ruhm seiner Geschichte, in dem glorreichen Gedanken, einem Stamme und einer </p> </div> </body> </text> </TEI> [280/0308]
Kurz, dieses Munizipalbürgerthum in den absoluten Staaten soll sehr kostspielig seyn. Dafür ist es aber auch mit einem gewissen Scheine von Freiheit verbunden, von Freiheit über jene Wiesen und Gärten, welche rings das Weichbild der Stadt ausfüllen, Freiheit über die Meilenzeiger auf den Kreuzwegen, nach welchen sich die Reisenden in der Gegend zurecht finden können, Freiheit, die Armen des Ortes zu kleiden und zu speisen, kurz, alles das aus eigenem Antriebe und aus eigenen Mitteln zu thun, was, wenn es der Staat thun sollte, ihm eine Menge Geld und eine Unzahl Beamte kosten würde.
Das moderne Europa ist so sehr die Frucht des mittelalterlichen Feudalismus, daß dieser Begriff, welchen man mit dem Bürgerthume verbindet, dieser lokale Geruch, der an ihm haftet, eigentlich überall und selbst in jenen Ländern, deren Zukunft durch Verfassungen gesichert wurde, der herrschende ist. Der Franzose und Engländer verbindet die Vorstellung seiner politischen Rechte weit mehr mit dem Ausrufe: Jch bin Franzose, ich bin Engländer, als mit dem: Jch bin Bürger von Frankreich oder England; der Nordamerikaner dagegen sagt nie anders, als: Jch bin Bürger der Union. Beide, der Europäer und der Amerikaner, sind stolz genug, mit ihrem Ausrufe dasselbe ausdrücken zu wollen. Nur findet der Engländer die Garantie seiner Freiheit weit mehr in dem Ruhm seiner Geschichte, in dem glorreichen Gedanken, einem Stamme und einer
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/308>, abgerufen am 28.07.2024. |