Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.als der, welchen man bei aller feindlichen Stellung doch immer noch der Mühe für werth hält zu bekämpfen. Sich um den Gegner gar nicht kümmern, das verbittert ihm das Leben weit mehr, als wenn man es ihm durch fortwährenden Kampf noch so sauer macht." Bitter oder sauer, entgegnete ich, wie kommen Sie nur darauf, eine so entschiedene Feindschaft gegen den Staat zu nähren? "Das gehört nicht zur Sache," erwiederte er, "ich bin ein entschiedener Anhänger jener Tendenzen, bei deren Vertheidigung Molesworth im Unterhause leider nur über so wenig Stimmen zu gebieten hat. Allein ich halt' es für gänzlich falsch, sich mit einem Staate, dessen Einrichtungen man verachtet, auch noch weitläufig abzuquälen; ich umgehe den Staat. Jch kümmere mich zwar um seine Verbote, damit ich seiner Jurisdiction nicht anheim falle; aber Alles, was er anempfiehlt, Alles, wozu er eine moralische Bereitwilligkeit bei seinen Gliedern voraussetzt, läßt mich kalt und kümmert mich nicht. Weil mir der Zustand der Dinge, wie er jetzt ist, mißfällt, so brauch' ich doch nicht gleich Hand anzulegen, ihn zu verbessern. Zuletzt, mein Freund, Demokratie oder Aristokratie, es bleiben immer dieselben lästigen Zwangsvorschriften, durch welche man uns zu den Rädern einer Maschine oder zu den willenlosen Pflanzen eines Organismus machen will, in welchem ich durchaus nichts Natürliches sehe." Damals hätte der Widerspruch diesen Mann nicht als der, welchen man bei aller feindlichen Stellung doch immer noch der Mühe für werth hält zu bekämpfen. Sich um den Gegner gar nicht kümmern, das verbittert ihm das Leben weit mehr, als wenn man es ihm durch fortwährenden Kampf noch so sauer macht.“ Bitter oder sauer, entgegnete ich, wie kommen Sie nur darauf, eine so entschiedene Feindschaft gegen den Staat zu nähren? "Das gehört nicht zur Sache," erwiederte er, "ich bin ein entschiedener Anhänger jener Tendenzen, bei deren Vertheidigung Molesworth im Unterhause leider nur über so wenig Stimmen zu gebieten hat. Allein ich halt’ es für gänzlich falsch, sich mit einem Staate, dessen Einrichtungen man verachtet, auch noch weitläufig abzuquälen; ich umgehe den Staat. Jch kümmere mich zwar um seine Verbote, damit ich seiner Jurisdiction nicht anheim falle; aber Alles, was er anempfiehlt, Alles, wozu er eine moralische Bereitwilligkeit bei seinen Gliedern voraussetzt, läßt mich kalt und kümmert mich nicht. Weil mir der Zustand der Dinge, wie er jetzt ist, mißfällt, so brauch’ ich doch nicht gleich Hand anzulegen, ihn zu verbessern. Zuletzt, mein Freund, Demokratie oder Aristokratie, es bleiben immer dieselben lästigen Zwangsvorschriften, durch welche man uns zu den Rädern einer Maschine oder zu den willenlosen Pflanzen eines Organismus machen will, in welchem ich durchaus nichts Natürliches sehe.“ Damals hätte der Widerspruch diesen Mann nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="271"/> als der, welchen man bei aller feindlichen Stellung doch immer noch der Mühe für werth hält zu bekämpfen. Sich um den Gegner gar nicht kümmern, das verbittert ihm das Leben weit mehr, als wenn man es ihm durch fortwährenden Kampf noch so sauer macht.“</p> <p>Bitter oder sauer, entgegnete ich, wie kommen Sie nur darauf, eine so entschiedene Feindschaft gegen den Staat zu nähren?</p> <p> "Das gehört nicht zur Sache," erwiederte er, "ich bin ein entschiedener Anhänger jener Tendenzen, bei deren Vertheidigung Molesworth im Unterhause leider nur über so wenig Stimmen zu gebieten hat. Allein ich halt’ es für gänzlich falsch, sich mit einem Staate, dessen Einrichtungen man verachtet, auch noch weitläufig abzuquälen; ich umgehe den Staat. Jch kümmere mich zwar um seine Verbote, damit ich seiner Jurisdiction nicht anheim falle; aber Alles, was er anempfiehlt, Alles, wozu er eine moralische Bereitwilligkeit bei seinen Gliedern voraussetzt, läßt mich kalt und kümmert mich nicht. Weil mir der Zustand der Dinge, wie er jetzt ist, mißfällt, so brauch’ ich doch nicht gleich Hand anzulegen, ihn zu verbessern. Zuletzt, mein Freund, Demokratie oder Aristokratie, es bleiben immer dieselben lästigen Zwangsvorschriften, durch welche man uns zu den Rädern einer Maschine oder zu den willenlosen Pflanzen eines Organismus machen will, in welchem ich durchaus nichts Natürliches sehe.“</p> <p>Damals hätte der Widerspruch diesen Mann nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [271/0299]
als der, welchen man bei aller feindlichen Stellung doch immer noch der Mühe für werth hält zu bekämpfen. Sich um den Gegner gar nicht kümmern, das verbittert ihm das Leben weit mehr, als wenn man es ihm durch fortwährenden Kampf noch so sauer macht.“
Bitter oder sauer, entgegnete ich, wie kommen Sie nur darauf, eine so entschiedene Feindschaft gegen den Staat zu nähren?
"Das gehört nicht zur Sache," erwiederte er, "ich bin ein entschiedener Anhänger jener Tendenzen, bei deren Vertheidigung Molesworth im Unterhause leider nur über so wenig Stimmen zu gebieten hat. Allein ich halt’ es für gänzlich falsch, sich mit einem Staate, dessen Einrichtungen man verachtet, auch noch weitläufig abzuquälen; ich umgehe den Staat. Jch kümmere mich zwar um seine Verbote, damit ich seiner Jurisdiction nicht anheim falle; aber Alles, was er anempfiehlt, Alles, wozu er eine moralische Bereitwilligkeit bei seinen Gliedern voraussetzt, läßt mich kalt und kümmert mich nicht. Weil mir der Zustand der Dinge, wie er jetzt ist, mißfällt, so brauch’ ich doch nicht gleich Hand anzulegen, ihn zu verbessern. Zuletzt, mein Freund, Demokratie oder Aristokratie, es bleiben immer dieselben lästigen Zwangsvorschriften, durch welche man uns zu den Rädern einer Maschine oder zu den willenlosen Pflanzen eines Organismus machen will, in welchem ich durchaus nichts Natürliches sehe.“
Damals hätte der Widerspruch diesen Mann nicht
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/299>, abgerufen am 16.02.2025. |