Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.anfangen können. Man hat dagegen geltend gemacht, daß ja dann auch wieder die Regierungen den Vortheil haben würden, Reaktionsmaßregeln mit desto größerem Nachdruck zu ergreifen. Vermittelst einer Eisenbahn kann leicht ein ganzes Armeekorps im Fluge von Ungarn nach Jtalien und von Rußland an die Grenzen der Schweiz versetzt werden. Rechnet man hinzu, daß dasjenige, was sich für die Revolution durch die Eisenbahnen beschleunigen würde, doch immer nur das Gerücht einer irgendwo ausgebrochenen Explosion seyn kann, so stehen die Regierungen, über ihre materiellen Kräfte gebietend, auch hier nur im Vorsprunge. Melancholischer sind die Besorgnisse derjenigen poetischen Gemüther, welche sich überhaupt vor der Verbreitung des Dampfes und der industriellen Aufklärung fürchten. Diese phantastischen Seelen werden bei Einführung der Eisenbahnen jenes dämmernde Helldunkel vermissen, welches auf dem Begriffe der lokalen Entfernung liegt. Es geht ihnen durch den Gedanken, hier zu frühstücken und 20 Meilen weiter schon zu Abend essen zu können, eine Jllusion verloren. Die Schönheit der Gegenden verschwindet; poetische Wanderschaften durch Gebirgsgegenden mit Hemmschuhen und allenfalls zerbrochner Axe werden undenkbarer. Diese poetischen Gemüther haben demnach die kindische Vorstellung, die ganze Welt werde sich hinfort nur auf Eisenbahnen bewegen und kaum noch einen schattenreichen Platz im nah gelegenen Wäldchen suchen oder des anfangen können. Man hat dagegen geltend gemacht, daß ja dann auch wieder die Regierungen den Vortheil haben würden, Reaktionsmaßregeln mit desto größerem Nachdruck zu ergreifen. Vermittelst einer Eisenbahn kann leicht ein ganzes Armeekorps im Fluge von Ungarn nach Jtalien und von Rußland an die Grenzen der Schweiz versetzt werden. Rechnet man hinzu, daß dasjenige, was sich für die Revolution durch die Eisenbahnen beschleunigen würde, doch immer nur das Gerücht einer irgendwo ausgebrochenen Explosion seyn kann, so stehen die Regierungen, über ihre materiellen Kräfte gebietend, auch hier nur im Vorsprunge. Melancholischer sind die Besorgnisse derjenigen poetischen Gemüther, welche sich überhaupt vor der Verbreitung des Dampfes und der industriellen Aufklärung fürchten. Diese phantastischen Seelen werden bei Einführung der Eisenbahnen jenes dämmernde Helldunkel vermissen, welches auf dem Begriffe der lokalen Entfernung liegt. Es geht ihnen durch den Gedanken, hier zu frühstücken und 20 Meilen weiter schon zu Abend essen zu können, eine Jllusion verloren. Die Schönheit der Gegenden verschwindet; poetische Wanderschaften durch Gebirgsgegenden mit Hemmschuhen und allenfalls zerbrochner Axe werden undenkbarer. Diese poetischen Gemüther haben demnach die kindische Vorstellung, die ganze Welt werde sich hinfort nur auf Eisenbahnen bewegen und kaum noch einen schattenreichen Platz im nah gelegenen Wäldchen suchen oder des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0293" n="265"/> anfangen können. Man hat dagegen geltend gemacht, daß ja dann auch wieder die Regierungen den Vortheil haben würden, Reaktionsmaßregeln mit desto größerem Nachdruck zu ergreifen. Vermittelst einer Eisenbahn kann leicht ein ganzes Armeekorps im Fluge von Ungarn nach Jtalien und von Rußland an die Grenzen der Schweiz versetzt werden. Rechnet man hinzu, daß dasjenige, was sich für die Revolution durch die Eisenbahnen beschleunigen würde, doch immer nur das Gerücht einer irgendwo ausgebrochenen Explosion seyn kann, so stehen die Regierungen, über ihre materiellen Kräfte gebietend, auch hier nur im Vorsprunge.</p> <p>Melancholischer sind die Besorgnisse derjenigen poetischen Gemüther, welche sich überhaupt vor der Verbreitung des Dampfes und der industriellen Aufklärung fürchten. Diese phantastischen Seelen werden bei Einführung der Eisenbahnen jenes dämmernde Helldunkel vermissen, welches auf dem Begriffe der lokalen Entfernung liegt. Es geht ihnen durch den Gedanken, hier zu frühstücken und 20 Meilen weiter schon zu Abend essen zu können, eine Jllusion verloren. Die Schönheit der Gegenden verschwindet; poetische Wanderschaften durch Gebirgsgegenden mit Hemmschuhen und allenfalls zerbrochner Axe werden undenkbarer. Diese poetischen Gemüther haben demnach die kindische Vorstellung, die ganze Welt werde sich hinfort nur auf Eisenbahnen bewegen und kaum noch einen schattenreichen Platz im nah gelegenen Wäldchen suchen oder des </p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0293]
anfangen können. Man hat dagegen geltend gemacht, daß ja dann auch wieder die Regierungen den Vortheil haben würden, Reaktionsmaßregeln mit desto größerem Nachdruck zu ergreifen. Vermittelst einer Eisenbahn kann leicht ein ganzes Armeekorps im Fluge von Ungarn nach Jtalien und von Rußland an die Grenzen der Schweiz versetzt werden. Rechnet man hinzu, daß dasjenige, was sich für die Revolution durch die Eisenbahnen beschleunigen würde, doch immer nur das Gerücht einer irgendwo ausgebrochenen Explosion seyn kann, so stehen die Regierungen, über ihre materiellen Kräfte gebietend, auch hier nur im Vorsprunge.
Melancholischer sind die Besorgnisse derjenigen poetischen Gemüther, welche sich überhaupt vor der Verbreitung des Dampfes und der industriellen Aufklärung fürchten. Diese phantastischen Seelen werden bei Einführung der Eisenbahnen jenes dämmernde Helldunkel vermissen, welches auf dem Begriffe der lokalen Entfernung liegt. Es geht ihnen durch den Gedanken, hier zu frühstücken und 20 Meilen weiter schon zu Abend essen zu können, eine Jllusion verloren. Die Schönheit der Gegenden verschwindet; poetische Wanderschaften durch Gebirgsgegenden mit Hemmschuhen und allenfalls zerbrochner Axe werden undenkbarer. Diese poetischen Gemüther haben demnach die kindische Vorstellung, die ganze Welt werde sich hinfort nur auf Eisenbahnen bewegen und kaum noch einen schattenreichen Platz im nah gelegenen Wäldchen suchen oder des
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/293>, abgerufen am 16.02.2025. |