Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.man ihm vormacht, entgegen kömmt. Der Gedanke, eine Civilisationsfrage nur nicht blos nachahmend anzugreifen, sondern sie vielleicht gänzlich zu verfehlen, hat die Franzosen zweideutig gegen die Eisenbahnen gestimmt und dadurch Veranlassung gegeben, daß man den Lichtseiten des Eisenbahnsystems auch eine Schattenseite gegenüber stellte. Frankreich gibt vor, durch Eisenbahnen aller finanziellen Kontrole beraubt zu werden. Eine Eisenbahn zwischen Brüssel und Paris würde ohne eine Handelsverbindung mit Belgien und eine Aufhebung des höchst einseitigen, auf den Vortheil einiger privilegirter Kasten berechneten Prohibitivsystems gar nicht denkbar seyn. Ein französischer Schriftsteller, der sonst nur für einen entschiedenen Anhänger aller akademischen Einseitigkeit Frankreichs bekannt ist, Herr Nisard, hat mit viel witziger Laune die Verlegenheiten dargestellt, in welche der französische Handelsegoismus durch die Brüsseler Eisenbahn gerathen würde. Kontrole auf der Grenze wäre nicht mehr möglich, da durch einen solchen Aufenthalt der Zweck der Eisenbahnen, die Schnelligkeit, ganz verfehlt wäre. Eine Kontrole kurz vor Paris würde eben so schwierig und unfruchtbar seyn, da es eine ganze Karavane von Wägen, einige hundert Koffer und Mantelsäcke und eben so viel Passagiere zu untersuchen geben würde. Eine andere Besorgniß gegen Einführung der Eisenbahnen ist noch thörichter, die nämlich, daß der Zeitgeist mit allzugroßer Schnelligkeit sich würde zu verbreiten man ihm vormacht, entgegen kömmt. Der Gedanke, eine Civilisationsfrage nur nicht blos nachahmend anzugreifen, sondern sie vielleicht gänzlich zu verfehlen, hat die Franzosen zweideutig gegen die Eisenbahnen gestimmt und dadurch Veranlassung gegeben, daß man den Lichtseiten des Eisenbahnsystems auch eine Schattenseite gegenüber stellte. Frankreich gibt vor, durch Eisenbahnen aller finanziellen Kontrole beraubt zu werden. Eine Eisenbahn zwischen Brüssel und Paris würde ohne eine Handelsverbindung mit Belgien und eine Aufhebung des höchst einseitigen, auf den Vortheil einiger privilegirter Kasten berechneten Prohibitivsystems gar nicht denkbar seyn. Ein französischer Schriftsteller, der sonst nur für einen entschiedenen Anhänger aller akademischen Einseitigkeit Frankreichs bekannt ist, Herr Nisard, hat mit viel witziger Laune die Verlegenheiten dargestellt, in welche der französische Handelsegoismus durch die Brüsseler Eisenbahn gerathen würde. Kontrole auf der Grenze wäre nicht mehr möglich, da durch einen solchen Aufenthalt der Zweck der Eisenbahnen, die Schnelligkeit, ganz verfehlt wäre. Eine Kontrole kurz vor Paris würde eben so schwierig und unfruchtbar seyn, da es eine ganze Karavane von Wägen, einige hundert Koffer und Mantelsäcke und eben so viel Passagiere zu untersuchen geben würde. Eine andere Besorgniß gegen Einführung der Eisenbahnen ist noch thörichter, die nämlich, daß der Zeitgeist mit allzugroßer Schnelligkeit sich würde zu verbreiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0292" n="264"/> man ihm vormacht, entgegen kömmt. Der Gedanke, eine Civilisationsfrage nur nicht blos nachahmend anzugreifen, sondern sie vielleicht gänzlich zu verfehlen, hat die Franzosen zweideutig gegen die Eisenbahnen gestimmt und dadurch Veranlassung gegeben, daß man den Lichtseiten des Eisenbahnsystems auch eine Schattenseite gegenüber stellte. Frankreich gibt vor, durch Eisenbahnen aller finanziellen Kontrole beraubt zu werden. Eine Eisenbahn zwischen Brüssel und Paris würde ohne eine Handelsverbindung mit Belgien und eine Aufhebung des höchst einseitigen, auf den Vortheil einiger privilegirter Kasten berechneten Prohibitivsystems gar nicht denkbar seyn. Ein französischer Schriftsteller, der sonst nur für einen entschiedenen Anhänger aller akademischen Einseitigkeit Frankreichs bekannt ist, Herr Nisard, hat mit viel witziger Laune die Verlegenheiten dargestellt, in welche der französische Handelsegoismus durch die Brüsseler Eisenbahn gerathen würde. Kontrole auf der Grenze wäre nicht mehr möglich, da durch einen solchen Aufenthalt der Zweck der Eisenbahnen, die Schnelligkeit, ganz verfehlt wäre. Eine Kontrole kurz vor Paris würde eben so schwierig und unfruchtbar seyn, da es eine ganze Karavane von Wägen, einige hundert Koffer und Mantelsäcke und eben so viel Passagiere zu untersuchen geben würde.</p> <p>Eine andere Besorgniß gegen Einführung der Eisenbahnen ist noch thörichter, die nämlich, daß der Zeitgeist mit allzugroßer Schnelligkeit sich würde zu verbreiten </p> </div> </body> </text> </TEI> [264/0292]
man ihm vormacht, entgegen kömmt. Der Gedanke, eine Civilisationsfrage nur nicht blos nachahmend anzugreifen, sondern sie vielleicht gänzlich zu verfehlen, hat die Franzosen zweideutig gegen die Eisenbahnen gestimmt und dadurch Veranlassung gegeben, daß man den Lichtseiten des Eisenbahnsystems auch eine Schattenseite gegenüber stellte. Frankreich gibt vor, durch Eisenbahnen aller finanziellen Kontrole beraubt zu werden. Eine Eisenbahn zwischen Brüssel und Paris würde ohne eine Handelsverbindung mit Belgien und eine Aufhebung des höchst einseitigen, auf den Vortheil einiger privilegirter Kasten berechneten Prohibitivsystems gar nicht denkbar seyn. Ein französischer Schriftsteller, der sonst nur für einen entschiedenen Anhänger aller akademischen Einseitigkeit Frankreichs bekannt ist, Herr Nisard, hat mit viel witziger Laune die Verlegenheiten dargestellt, in welche der französische Handelsegoismus durch die Brüsseler Eisenbahn gerathen würde. Kontrole auf der Grenze wäre nicht mehr möglich, da durch einen solchen Aufenthalt der Zweck der Eisenbahnen, die Schnelligkeit, ganz verfehlt wäre. Eine Kontrole kurz vor Paris würde eben so schwierig und unfruchtbar seyn, da es eine ganze Karavane von Wägen, einige hundert Koffer und Mantelsäcke und eben so viel Passagiere zu untersuchen geben würde.
Eine andere Besorgniß gegen Einführung der Eisenbahnen ist noch thörichter, die nämlich, daß der Zeitgeist mit allzugroßer Schnelligkeit sich würde zu verbreiten
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/292>, abgerufen am 16.02.2025. |