Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.und hat dadurch nicht nur der Jndustrie und dem Handel der Heimath einen außerordentlichen Schwung gegeben, sondern auch auf dem Kontinente Nachahmungen, Prüfungen, ja sogar Chimären über die neue Jdee veranlaßt. Die Franzosen sind in der Prüfung stecken geblieben, die Deutschen in der Chimäre. Wenn man den Mittheilungen Reisender glauben kann, so soll dort der Eisenbahnschwindel die Stelle der daselbst so vielfach von der Regierung befürchteten Revolution eingenommen haben. Die Deutschen, von jeher gewöhnt, Alles, auch das Ungesetzliche, auf eine gesetzmäßige Weise zu betreiben, haben die Eisenbahnen wie Emeuten betrieben, es war für sie eine Revolution, die kein Blut kostete, und die in dem Augenblick, wo wir dieß schreiben, sogar schon beschwichtigt ist und ihren achtzehnten Fructidor gefunden haben wird. Der Franzose hat in der Eisenbahnenfrage wohl gefühlt, wie außerordentlich groß deren Wichtigkeit für das Zeitalter ist. Der Franzose hat sich sogar nicht verschweigen dürfen, daß, wenn irgend etwas, so die Eisenbahnen sein Centralisationssystem begünstigen. Dennoch haben sich die Franzosen gegen die Einführung derselben gesträubt und dabei, meines Erachtens, einen besondern Zug ihres Nationalcharakters verrathen. Man kann nicht sagen, daß der Franzose sehr geschickt ist, er hat Esprit, aber kein großes technisches Talent. Er erfindet leicht, er begreift auch leicht, aber nur in dem Fall, daß sein eigenes Verständniß und seine flackernde Kombination der Darstellung eines Experimentes, welches und hat dadurch nicht nur der Jndustrie und dem Handel der Heimath einen außerordentlichen Schwung gegeben, sondern auch auf dem Kontinente Nachahmungen, Prüfungen, ja sogar Chimären über die neue Jdee veranlaßt. Die Franzosen sind in der Prüfung stecken geblieben, die Deutschen in der Chimäre. Wenn man den Mittheilungen Reisender glauben kann, so soll dort der Eisenbahnschwindel die Stelle der daselbst so vielfach von der Regierung befürchteten Revolution eingenommen haben. Die Deutschen, von jeher gewöhnt, Alles, auch das Ungesetzliche, auf eine gesetzmäßige Weise zu betreiben, haben die Eisenbahnen wie Emeuten betrieben, es war für sie eine Revolution, die kein Blut kostete, und die in dem Augenblick, wo wir dieß schreiben, sogar schon beschwichtigt ist und ihren achtzehnten Fructidor gefunden haben wird. Der Franzose hat in der Eisenbahnenfrage wohl gefühlt, wie außerordentlich groß deren Wichtigkeit für das Zeitalter ist. Der Franzose hat sich sogar nicht verschweigen dürfen, daß, wenn irgend etwas, so die Eisenbahnen sein Centralisationssystem begünstigen. Dennoch haben sich die Franzosen gegen die Einführung derselben gesträubt und dabei, meines Erachtens, einen besondern Zug ihres Nationalcharakters verrathen. Man kann nicht sagen, daß der Franzose sehr geschickt ist, er hat Esprit, aber kein großes technisches Talent. Er erfindet leicht, er begreift auch leicht, aber nur in dem Fall, daß sein eigenes Verständniß und seine flackernde Kombination der Darstellung eines Experimentes, welches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0291" n="263"/> und hat dadurch nicht nur der Jndustrie und dem Handel der Heimath einen außerordentlichen Schwung gegeben, sondern auch auf dem Kontinente Nachahmungen, Prüfungen, ja sogar Chimären über die neue Jdee veranlaßt. Die Franzosen sind in der Prüfung stecken geblieben, die Deutschen in der Chimäre. Wenn man den Mittheilungen Reisender glauben kann, so soll dort der Eisenbahnschwindel die Stelle der daselbst so vielfach von der Regierung befürchteten Revolution eingenommen haben. Die Deutschen, von jeher gewöhnt, Alles, auch das Ungesetzliche, auf eine gesetzmäßige Weise zu betreiben, haben die Eisenbahnen wie Emeuten betrieben, es war für sie eine Revolution, die kein Blut kostete, und die in dem Augenblick, wo wir dieß schreiben, sogar schon beschwichtigt ist und ihren achtzehnten Fructidor gefunden haben wird. Der Franzose hat in der Eisenbahnenfrage wohl gefühlt, wie außerordentlich groß deren Wichtigkeit für das Zeitalter ist. Der Franzose hat sich sogar nicht verschweigen dürfen, daß, wenn irgend etwas, so die Eisenbahnen sein Centralisationssystem begünstigen. Dennoch haben sich die Franzosen gegen die Einführung derselben gesträubt und dabei, meines Erachtens, einen besondern Zug ihres Nationalcharakters verrathen. Man kann nicht sagen, daß der Franzose sehr geschickt ist, er hat <hi rendition="#aq">Esprit</hi>, aber kein großes technisches Talent. Er erfindet leicht, er begreift auch leicht, aber nur in dem Fall, daß sein eigenes Verständniß und seine flackernde Kombination der Darstellung eines Experimentes, welches </p> </div> </body> </text> </TEI> [263/0291]
und hat dadurch nicht nur der Jndustrie und dem Handel der Heimath einen außerordentlichen Schwung gegeben, sondern auch auf dem Kontinente Nachahmungen, Prüfungen, ja sogar Chimären über die neue Jdee veranlaßt. Die Franzosen sind in der Prüfung stecken geblieben, die Deutschen in der Chimäre. Wenn man den Mittheilungen Reisender glauben kann, so soll dort der Eisenbahnschwindel die Stelle der daselbst so vielfach von der Regierung befürchteten Revolution eingenommen haben. Die Deutschen, von jeher gewöhnt, Alles, auch das Ungesetzliche, auf eine gesetzmäßige Weise zu betreiben, haben die Eisenbahnen wie Emeuten betrieben, es war für sie eine Revolution, die kein Blut kostete, und die in dem Augenblick, wo wir dieß schreiben, sogar schon beschwichtigt ist und ihren achtzehnten Fructidor gefunden haben wird. Der Franzose hat in der Eisenbahnenfrage wohl gefühlt, wie außerordentlich groß deren Wichtigkeit für das Zeitalter ist. Der Franzose hat sich sogar nicht verschweigen dürfen, daß, wenn irgend etwas, so die Eisenbahnen sein Centralisationssystem begünstigen. Dennoch haben sich die Franzosen gegen die Einführung derselben gesträubt und dabei, meines Erachtens, einen besondern Zug ihres Nationalcharakters verrathen. Man kann nicht sagen, daß der Franzose sehr geschickt ist, er hat Esprit, aber kein großes technisches Talent. Er erfindet leicht, er begreift auch leicht, aber nur in dem Fall, daß sein eigenes Verständniß und seine flackernde Kombination der Darstellung eines Experimentes, welches
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/291>, abgerufen am 16.02.2025. |