Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.die neue war so thatsächlich nothwendig, daß sie sich gleichsam von selbst schuf. Ehe man noch den rechten Gedanken fort hatte und ihn später auch durch die Dampfheizung vervollkommnete, war man genöthigt, eine Zeitung, die unter Napoleon zwanzig bis dreißigtausend Abonnenten hatte, zwei- dreimal zu setzen, weil man sonst den Tag und die Minute, wo der Abonnent seine Zeitung haben will, und die Konkurrenz sie auszugeben gebietet, nicht einhalten konnte. Warum hat die Gelehrsamkeit noch nie anerkannt, daß der wahre Stein der Weisen, ein Metall, und zwar das Blei, ist? Die beweglichen Lettern gaben der Wissenschaft erst die Garantie ihrer Dauer, und das Dunkel eines neuen Mittelalters könnte erst dann wieder über Europa hereinbrechen, wenn sich vielleicht die Masse des gedruckten Papiers, was zu befürchten steht, zu einer solchen Ueberfluthung steigern sollte, daß das menschliche Auge überall nichts als Bücher und Papier erblickend, sich bis zur Unempfindlichkeit abstumpfte gegen etwas, das ihm massenweise geboten wird. Jch fürchte immer, daß die Zeit, wo am meisten gedruckt, immer auch die ist, wo man das Wenigste lesen wird. Jst erst die Wissenschaft und die Aufklärung, ist erst die Literatur, selbst in ihren schönen und graziösen Bewegungen, etwas, das den Reiz der Neuheit und des Außerordentlichen verloren hat, dann sind wir auf jenem Punkte, der mir die traurigste Periode von allen zu verkündigen scheint, in der Barbarei der Ueberkultur. Jch höre demnach mit Freuden von Buchhändlern und die neue war so thatsächlich nothwendig, daß sie sich gleichsam von selbst schuf. Ehe man noch den rechten Gedanken fort hatte und ihn später auch durch die Dampfheizung vervollkommnete, war man genöthigt, eine Zeitung, die unter Napoleon zwanzig bis dreißigtausend Abonnenten hatte, zwei- dreimal zu setzen, weil man sonst den Tag und die Minute, wo der Abonnent seine Zeitung haben will, und die Konkurrenz sie auszugeben gebietet, nicht einhalten konnte. Warum hat die Gelehrsamkeit noch nie anerkannt, daß der wahre Stein der Weisen, ein Metall, und zwar das Blei, ist? Die beweglichen Lettern gaben der Wissenschaft erst die Garantie ihrer Dauer, und das Dunkel eines neuen Mittelalters könnte erst dann wieder über Europa hereinbrechen, wenn sich vielleicht die Masse des gedruckten Papiers, was zu befürchten steht, zu einer solchen Ueberfluthung steigern sollte, daß das menschliche Auge überall nichts als Bücher und Papier erblickend, sich bis zur Unempfindlichkeit abstumpfte gegen etwas, das ihm massenweise geboten wird. Jch fürchte immer, daß die Zeit, wo am meisten gedruckt, immer auch die ist, wo man das Wenigste lesen wird. Jst erst die Wissenschaft und die Aufklärung, ist erst die Literatur, selbst in ihren schönen und graziösen Bewegungen, etwas, das den Reiz der Neuheit und des Außerordentlichen verloren hat, dann sind wir auf jenem Punkte, der mir die traurigste Periode von allen zu verkündigen scheint, in der Barbarei der Ueberkultur. Jch höre demnach mit Freuden von Buchhändlern und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0289" n="261"/> die neue war so thatsächlich nothwendig, daß sie sich gleichsam von selbst schuf. Ehe man noch den rechten Gedanken fort hatte und ihn später auch durch die Dampfheizung vervollkommnete, war man genöthigt, eine Zeitung, die unter Napoleon zwanzig bis dreißigtausend Abonnenten hatte, zwei- dreimal zu setzen, weil man sonst den Tag und die Minute, wo der Abonnent seine Zeitung haben will, und die Konkurrenz sie auszugeben gebietet, nicht einhalten konnte. Warum hat die Gelehrsamkeit noch nie anerkannt, daß der wahre Stein der Weisen, ein Metall, und zwar das Blei, ist? Die beweglichen Lettern gaben der Wissenschaft erst die Garantie ihrer Dauer, und das Dunkel eines neuen Mittelalters könnte erst dann wieder über Europa hereinbrechen, wenn sich vielleicht die Masse des gedruckten Papiers, was zu befürchten steht, zu einer solchen Ueberfluthung steigern sollte, daß das menschliche Auge überall nichts als Bücher und Papier erblickend, sich bis zur Unempfindlichkeit abstumpfte gegen etwas, das ihm massenweise geboten wird. Jch fürchte immer, daß die Zeit, wo am meisten gedruckt, immer auch die ist, wo man das Wenigste lesen wird. Jst erst die Wissenschaft und die Aufklärung, ist erst die Literatur, selbst in ihren schönen und graziösen Bewegungen, etwas, das den Reiz der Neuheit und des Außerordentlichen verloren hat, dann sind wir auf jenem Punkte, der mir die traurigste Periode von allen zu verkündigen scheint, in der Barbarei der Ueberkultur. Jch höre demnach mit Freuden von Buchhändlern und </p> </div> </body> </text> </TEI> [261/0289]
die neue war so thatsächlich nothwendig, daß sie sich gleichsam von selbst schuf. Ehe man noch den rechten Gedanken fort hatte und ihn später auch durch die Dampfheizung vervollkommnete, war man genöthigt, eine Zeitung, die unter Napoleon zwanzig bis dreißigtausend Abonnenten hatte, zwei- dreimal zu setzen, weil man sonst den Tag und die Minute, wo der Abonnent seine Zeitung haben will, und die Konkurrenz sie auszugeben gebietet, nicht einhalten konnte. Warum hat die Gelehrsamkeit noch nie anerkannt, daß der wahre Stein der Weisen, ein Metall, und zwar das Blei, ist? Die beweglichen Lettern gaben der Wissenschaft erst die Garantie ihrer Dauer, und das Dunkel eines neuen Mittelalters könnte erst dann wieder über Europa hereinbrechen, wenn sich vielleicht die Masse des gedruckten Papiers, was zu befürchten steht, zu einer solchen Ueberfluthung steigern sollte, daß das menschliche Auge überall nichts als Bücher und Papier erblickend, sich bis zur Unempfindlichkeit abstumpfte gegen etwas, das ihm massenweise geboten wird. Jch fürchte immer, daß die Zeit, wo am meisten gedruckt, immer auch die ist, wo man das Wenigste lesen wird. Jst erst die Wissenschaft und die Aufklärung, ist erst die Literatur, selbst in ihren schönen und graziösen Bewegungen, etwas, das den Reiz der Neuheit und des Außerordentlichen verloren hat, dann sind wir auf jenem Punkte, der mir die traurigste Periode von allen zu verkündigen scheint, in der Barbarei der Ueberkultur. Jch höre demnach mit Freuden von Buchhändlern und
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/289>, abgerufen am 28.07.2024. |