Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.darauf folgenden Erfindungen des neunzehnten Jahrhunderts haben alle einen mehr praktischen Charakter. Mit dem Sinn für die Kunst steigerte sich das Bedürfniß einer mehr wohlfeilen Vervielfältigung ihrer Leistungen; man erfand die Lithographie. Mit dem politischen Umschwung der Zeitgenossen, den großen welterschütternden Begebenheiten und dem verworrenen Antheil, welchen alle Welt an der Politik des Tages nahm, erfand man die Schnellpresse für die Buchdruckerei, man erfand zu demselben Zweck das endlose Papier, man erfand in Folge der kriegerischen Stimmung der Zeit die Dampfkanonen, die Perkussionsschlösser an den Feuergewehren; kurz, der menschliche Geist arbeitete und rang in allen Gebieten nach Ueberwältigung der wie Proteus sich sträubenden und in ihren Gesetzen ungemessenen und gestaltenreichen Natur. Man dachte nicht mehr einseitig nur an den Reichthum und die Gesundheit oder ein langes Leben, sondern wurde von einem bis zur Andacht gesteigerten Drange getrieben, von der Natur Alles möglich zu halten, jede Wirkung, jede Verbindung, die der menschliche Geist ihr nur zu geben im Stande wäre. Bei einzelnen Köpfen, die sich vorzüglich auf das Erfinden gelegt hatten, und denen einmal ein glücklicher Wurf gelungen war, steigerte sich der Scharfsinn zur Spitzfindigkeit und die Originalität zu einer an Narrheit grenzenden Monomanie. So erzählte mir jüngst ein Gentleman, welcher zerrütteter Vermögensumstände halber gezwungen war, eine Zeit lang auf darauf folgenden Erfindungen des neunzehnten Jahrhunderts haben alle einen mehr praktischen Charakter. Mit dem Sinn für die Kunst steigerte sich das Bedürfniß einer mehr wohlfeilen Vervielfältigung ihrer Leistungen; man erfand die Lithographie. Mit dem politischen Umschwung der Zeitgenossen, den großen welterschütternden Begebenheiten und dem verworrenen Antheil, welchen alle Welt an der Politik des Tages nahm, erfand man die Schnellpresse für die Buchdruckerei, man erfand zu demselben Zweck das endlose Papier, man erfand in Folge der kriegerischen Stimmung der Zeit die Dampfkanonen, die Perkussionsschlösser an den Feuergewehren; kurz, der menschliche Geist arbeitete und rang in allen Gebieten nach Ueberwältigung der wie Proteus sich sträubenden und in ihren Gesetzen ungemessenen und gestaltenreichen Natur. Man dachte nicht mehr einseitig nur an den Reichthum und die Gesundheit oder ein langes Leben, sondern wurde von einem bis zur Andacht gesteigerten Drange getrieben, von der Natur Alles möglich zu halten, jede Wirkung, jede Verbindung, die der menschliche Geist ihr nur zu geben im Stande wäre. Bei einzelnen Köpfen, die sich vorzüglich auf das Erfinden gelegt hatten, und denen einmal ein glücklicher Wurf gelungen war, steigerte sich der Scharfsinn zur Spitzfindigkeit und die Originalität zu einer an Narrheit grenzenden Monomanie. So erzählte mir jüngst ein Gentleman, welcher zerrütteter Vermögensumstände halber gezwungen war, eine Zeit lang auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="253"/> darauf folgenden Erfindungen des neunzehnten Jahrhunderts haben alle einen mehr praktischen Charakter. Mit dem Sinn für die <hi rendition="#g">Kunst</hi> steigerte sich das Bedürfniß einer mehr wohlfeilen Vervielfältigung ihrer Leistungen; man erfand die Lithographie. Mit dem politischen Umschwung der Zeitgenossen, den großen welterschütternden Begebenheiten und dem verworrenen Antheil, welchen alle Welt an der <hi rendition="#g">Politik</hi> des Tages nahm, erfand man die Schnellpresse für die Buchdruckerei, man erfand zu demselben Zweck das endlose Papier, man erfand in Folge der kriegerischen Stimmung der Zeit die Dampfkanonen, die Perkussionsschlösser an den Feuergewehren; kurz, der menschliche Geist arbeitete und rang in allen Gebieten nach Ueberwältigung der wie Proteus sich sträubenden und in ihren Gesetzen ungemessenen und gestaltenreichen Natur. Man dachte nicht mehr einseitig nur an den Reichthum und die Gesundheit oder ein langes Leben, sondern wurde von einem bis zur Andacht gesteigerten Drange getrieben, von der Natur Alles möglich zu halten, jede Wirkung, jede Verbindung, die der menschliche Geist ihr nur zu geben im Stande wäre. Bei einzelnen Köpfen, die sich vorzüglich auf das Erfinden gelegt hatten, und denen einmal ein glücklicher Wurf gelungen war, steigerte sich der Scharfsinn zur Spitzfindigkeit und die Originalität zu einer an Narrheit grenzenden Monomanie. So erzählte mir jüngst ein Gentleman, welcher zerrütteter Vermögensumstände halber gezwungen war, eine Zeit lang auf </p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0281]
darauf folgenden Erfindungen des neunzehnten Jahrhunderts haben alle einen mehr praktischen Charakter. Mit dem Sinn für die Kunst steigerte sich das Bedürfniß einer mehr wohlfeilen Vervielfältigung ihrer Leistungen; man erfand die Lithographie. Mit dem politischen Umschwung der Zeitgenossen, den großen welterschütternden Begebenheiten und dem verworrenen Antheil, welchen alle Welt an der Politik des Tages nahm, erfand man die Schnellpresse für die Buchdruckerei, man erfand zu demselben Zweck das endlose Papier, man erfand in Folge der kriegerischen Stimmung der Zeit die Dampfkanonen, die Perkussionsschlösser an den Feuergewehren; kurz, der menschliche Geist arbeitete und rang in allen Gebieten nach Ueberwältigung der wie Proteus sich sträubenden und in ihren Gesetzen ungemessenen und gestaltenreichen Natur. Man dachte nicht mehr einseitig nur an den Reichthum und die Gesundheit oder ein langes Leben, sondern wurde von einem bis zur Andacht gesteigerten Drange getrieben, von der Natur Alles möglich zu halten, jede Wirkung, jede Verbindung, die der menschliche Geist ihr nur zu geben im Stande wäre. Bei einzelnen Köpfen, die sich vorzüglich auf das Erfinden gelegt hatten, und denen einmal ein glücklicher Wurf gelungen war, steigerte sich der Scharfsinn zur Spitzfindigkeit und die Originalität zu einer an Narrheit grenzenden Monomanie. So erzählte mir jüngst ein Gentleman, welcher zerrütteter Vermögensumstände halber gezwungen war, eine Zeit lang auf
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/281>, abgerufen am 28.07.2024. |