Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Siegel des Geheimnisses nahm. Er eröffnete das Grab des Psamniuthes und ließ von der schon früher besuchten Pyramide von Dschischeh den Sand der Wüste wegfegen, der den Eingang verschüttet hatte. Freilich war der Lohn der Anstrengung kein anderer, als der, daß man sie überwunden hatte. Man hatte geglaubt, in den Pyramiden das Archiv der Urgeschichte zu entdecken und fand nur Staub, Verwesung, fand nur die vermoderten Grabschriften vermoderter Königsmumien. Welche Räthsel hatte man geglaubt, würden hinter der Keilschrift verborgen seyn? Sie enthielten nicht mehr, als die Jnschriften, welche unsre Philologen aus dem klassischen Alterthum gerettet haben: Küchenzettel des athenischen Staatshaushalts, Aus- und Einnahme-Budget's der eleusinischen Tempelverwaltung. Gerade das, was man durch seine Jnschrift auf Stein für das Ewige in der klassischen Literatur hätte halten sollen, war das Vergänglichste in ihr, war die Makulatur des Alterthums. Die Entdeckungen in Asien waren weniger geographisch als physikalisch. Asien hat zu lange im Wechselverkehre mit Europa gestanden; wir selbst sind die Enkel asiatischer Väter; die ganze Kraft Europa's hat sich auf Asien geworfen und ihm von allen Seiten scharf zugesetzt. Wir kennen es genauer als Afrika. - Alexanders Zug nach Jndien mußte aufgeklärte Geographie im Gefolge haben. Arrhian ist eben so sehr Quelle für die Geschichte wie für die Erdbeschreibung. Andrerseits trug Asien aus seinem Schooße selbst heraus die Bekanntschaft Siegel des Geheimnisses nahm. Er eröffnete das Grab des Psamniuthes und ließ von der schon früher besuchten Pyramide von Dschischeh den Sand der Wüste wegfegen, der den Eingang verschüttet hatte. Freilich war der Lohn der Anstrengung kein anderer, als der, daß man sie überwunden hatte. Man hatte geglaubt, in den Pyramiden das Archiv der Urgeschichte zu entdecken und fand nur Staub, Verwesung, fand nur die vermoderten Grabschriften vermoderter Königsmumien. Welche Räthsel hatte man geglaubt, würden hinter der Keilschrift verborgen seyn? Sie enthielten nicht mehr, als die Jnschriften, welche unsre Philologen aus dem klassischen Alterthum gerettet haben: Küchenzettel des athenischen Staatshaushalts, Aus- und Einnahme-Budget’s der eleusinischen Tempelverwaltung. Gerade das, was man durch seine Jnschrift auf Stein für das Ewige in der klassischen Literatur hätte halten sollen, war das Vergänglichste in ihr, war die Makulatur des Alterthums. Die Entdeckungen in Asien waren weniger geographisch als physikalisch. Asien hat zu lange im Wechselverkehre mit Europa gestanden; wir selbst sind die Enkel asiatischer Väter; die ganze Kraft Europa’s hat sich auf Asien geworfen und ihm von allen Seiten scharf zugesetzt. Wir kennen es genauer als Afrika. – Alexanders Zug nach Jndien mußte aufgeklärte Geographie im Gefolge haben. Arrhian ist eben so sehr Quelle für die Geschichte wie für die Erdbeschreibung. Andrerseits trug Asien aus seinem Schooße selbst heraus die Bekanntschaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0270" n="242"/> Siegel des Geheimnisses nahm. Er eröffnete das Grab des Psamniuthes und ließ von der schon früher besuchten Pyramide von Dschischeh den Sand der Wüste wegfegen, der den Eingang verschüttet hatte. Freilich war der Lohn der Anstrengung kein anderer, als der, daß man sie überwunden hatte. Man hatte geglaubt, in den Pyramiden das Archiv der Urgeschichte zu entdecken und fand nur Staub, Verwesung, fand nur die vermoderten Grabschriften vermoderter Königsmumien. Welche Räthsel hatte man geglaubt, würden hinter der Keilschrift verborgen seyn? Sie enthielten nicht mehr, als die Jnschriften, welche unsre Philologen aus dem klassischen Alterthum gerettet haben: Küchenzettel des athenischen Staatshaushalts, Aus- und Einnahme-Budget’s der eleusinischen Tempelverwaltung. Gerade das, was man durch seine Jnschrift auf Stein für das Ewige in der klassischen Literatur hätte halten sollen, war das Vergänglichste in ihr, war die Makulatur des Alterthums.</p> <p>Die Entdeckungen in Asien waren weniger geographisch als physikalisch. Asien hat zu lange im Wechselverkehre mit Europa gestanden; wir selbst sind die Enkel asiatischer Väter; die ganze Kraft Europa’s hat sich auf Asien geworfen und ihm von allen Seiten scharf zugesetzt. Wir kennen es genauer als Afrika. – Alexanders Zug nach Jndien mußte aufgeklärte Geographie im Gefolge haben. Arrhian ist eben so sehr Quelle für die Geschichte wie für die Erdbeschreibung. Andrerseits trug Asien aus seinem Schooße selbst heraus die Bekanntschaft </p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0270]
Siegel des Geheimnisses nahm. Er eröffnete das Grab des Psamniuthes und ließ von der schon früher besuchten Pyramide von Dschischeh den Sand der Wüste wegfegen, der den Eingang verschüttet hatte. Freilich war der Lohn der Anstrengung kein anderer, als der, daß man sie überwunden hatte. Man hatte geglaubt, in den Pyramiden das Archiv der Urgeschichte zu entdecken und fand nur Staub, Verwesung, fand nur die vermoderten Grabschriften vermoderter Königsmumien. Welche Räthsel hatte man geglaubt, würden hinter der Keilschrift verborgen seyn? Sie enthielten nicht mehr, als die Jnschriften, welche unsre Philologen aus dem klassischen Alterthum gerettet haben: Küchenzettel des athenischen Staatshaushalts, Aus- und Einnahme-Budget’s der eleusinischen Tempelverwaltung. Gerade das, was man durch seine Jnschrift auf Stein für das Ewige in der klassischen Literatur hätte halten sollen, war das Vergänglichste in ihr, war die Makulatur des Alterthums.
Die Entdeckungen in Asien waren weniger geographisch als physikalisch. Asien hat zu lange im Wechselverkehre mit Europa gestanden; wir selbst sind die Enkel asiatischer Väter; die ganze Kraft Europa’s hat sich auf Asien geworfen und ihm von allen Seiten scharf zugesetzt. Wir kennen es genauer als Afrika. – Alexanders Zug nach Jndien mußte aufgeklärte Geographie im Gefolge haben. Arrhian ist eben so sehr Quelle für die Geschichte wie für die Erdbeschreibung. Andrerseits trug Asien aus seinem Schooße selbst heraus die Bekanntschaft
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/270>, abgerufen am 16.02.2025. |