Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Jch werde mich niemals der Vermuthung aussetzen, als wär' ich ein geweihter Anhänger der Väter von Menilmontant, einer Religion, die vielleicht in diesem Augenblick noch aus fünf oder sechs Bekennern besteht; allein ich glaube, der St. Simonismus hat eine Aufgabe, freilich nicht gelöst, aber konstatirt, die nämlich, den arbeitenden Klassen eine geistigere und moralischere Stellung zu geben. Der St. Simonismus hat sogar das Mittel richtig angegeben, welches hier einzig und allein helfen könnte: Befreiung der untern Volksklassen von der Noth um ihre Existenz. Um diese Befreiung zu bewirken, kam er auf die agrarischen Jdeen des Alterthums zurück, auf die sogar apostolische Gemeinschaft der Güter, kurz auf vortreffliche Vorschläge, wenn es sich darum gehandelt hätte, ganz Europa in kleine Gemeinwesen aufzulösen und vom Grund friedlich gesicherter idyllischer Duodezterritorien aus das neue Evangelium praktisch zu verbreiten. Die Spartanische Verfassung war einst auf den reinsten St. Simonismus gebaut. Der platonischen Republik lagen ähnliche Annahmen unter. Die öffentlichen Mahlzeiten, die große allgemeine Suppenterrine der Nation, aus welcher jedes Jndividuum seinen Teller voll bekam, ja sogar die den antiken Völkern nicht ekelhafte Gemeinschaft der Weiber, das Alles ist von Lykurg und Plato eben so konsequent entwickelt und auf ein kleines Terrain so glücklich angewandt, wie St. Simon sein Gebäude nur immer aufstellen, und Enfantin nur immer corrumpiren konnte. Jch werde mich niemals der Vermuthung aussetzen, als wär’ ich ein geweihter Anhänger der Väter von Menilmontant, einer Religion, die vielleicht in diesem Augenblick noch aus fünf oder sechs Bekennern besteht; allein ich glaube, der St. Simonismus hat eine Aufgabe, freilich nicht gelöst, aber konstatirt, die nämlich, den arbeitenden Klassen eine geistigere und moralischere Stellung zu geben. Der St. Simonismus hat sogar das Mittel richtig angegeben, welches hier einzig und allein helfen könnte: Befreiung der untern Volksklassen von der Noth um ihre Existenz. Um diese Befreiung zu bewirken, kam er auf die agrarischen Jdeen des Alterthums zurück, auf die sogar apostolische Gemeinschaft der Güter, kurz auf vortreffliche Vorschläge, wenn es sich darum gehandelt hätte, ganz Europa in kleine Gemeinwesen aufzulösen und vom Grund friedlich gesicherter idyllischer Duodezterritorien aus das neue Evangelium praktisch zu verbreiten. Die Spartanische Verfassung war einst auf den reinsten St. Simonismus gebaut. Der platonischen Republik lagen ähnliche Annahmen unter. Die öffentlichen Mahlzeiten, die große allgemeine Suppenterrine der Nation, aus welcher jedes Jndividuum seinen Teller voll bekam, ja sogar die den antiken Völkern nicht ekelhafte Gemeinschaft der Weiber, das Alles ist von Lykurg und Plato eben so konsequent entwickelt und auf ein kleines Terrain so glücklich angewandt, wie St. Simon sein Gebäude nur immer aufstellen, und Enfantin nur immer corrumpiren konnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0245" n="217"/> <p> Jch werde mich niemals der Vermuthung aussetzen, als wär’ ich ein geweihter Anhänger der Väter von Menilmontant, einer Religion, die vielleicht in diesem Augenblick noch aus fünf oder sechs Bekennern besteht; allein ich glaube, der St. Simonismus hat eine Aufgabe, freilich nicht gelöst, aber konstatirt, die nämlich, den arbeitenden Klassen eine geistigere und moralischere Stellung zu geben. Der St. Simonismus hat sogar das Mittel richtig angegeben, welches hier einzig und allein helfen könnte: Befreiung der untern Volksklassen von der Noth um ihre Existenz. Um diese Befreiung zu bewirken, kam er auf die agrarischen Jdeen des Alterthums zurück, auf die sogar apostolische Gemeinschaft der Güter, kurz auf vortreffliche Vorschläge, wenn es sich darum gehandelt hätte, ganz Europa in kleine Gemeinwesen aufzulösen und vom Grund friedlich gesicherter idyllischer Duodezterritorien aus das neue Evangelium praktisch zu verbreiten. Die Spartanische Verfassung war einst auf den reinsten St. Simonismus gebaut. Der platonischen Republik lagen ähnliche Annahmen unter. Die öffentlichen Mahlzeiten, die große allgemeine Suppenterrine der Nation, aus welcher jedes Jndividuum seinen Teller voll bekam, ja sogar die den antiken Völkern nicht ekelhafte Gemeinschaft der Weiber, das Alles ist von Lykurg und Plato eben so konsequent entwickelt und auf ein kleines Terrain so glücklich angewandt, wie St. Simon sein Gebäude nur immer aufstellen, und Enfantin nur immer corrumpiren konnte. </p> </div> </body> </text> </TEI> [217/0245]
Jch werde mich niemals der Vermuthung aussetzen, als wär’ ich ein geweihter Anhänger der Väter von Menilmontant, einer Religion, die vielleicht in diesem Augenblick noch aus fünf oder sechs Bekennern besteht; allein ich glaube, der St. Simonismus hat eine Aufgabe, freilich nicht gelöst, aber konstatirt, die nämlich, den arbeitenden Klassen eine geistigere und moralischere Stellung zu geben. Der St. Simonismus hat sogar das Mittel richtig angegeben, welches hier einzig und allein helfen könnte: Befreiung der untern Volksklassen von der Noth um ihre Existenz. Um diese Befreiung zu bewirken, kam er auf die agrarischen Jdeen des Alterthums zurück, auf die sogar apostolische Gemeinschaft der Güter, kurz auf vortreffliche Vorschläge, wenn es sich darum gehandelt hätte, ganz Europa in kleine Gemeinwesen aufzulösen und vom Grund friedlich gesicherter idyllischer Duodezterritorien aus das neue Evangelium praktisch zu verbreiten. Die Spartanische Verfassung war einst auf den reinsten St. Simonismus gebaut. Der platonischen Republik lagen ähnliche Annahmen unter. Die öffentlichen Mahlzeiten, die große allgemeine Suppenterrine der Nation, aus welcher jedes Jndividuum seinen Teller voll bekam, ja sogar die den antiken Völkern nicht ekelhafte Gemeinschaft der Weiber, das Alles ist von Lykurg und Plato eben so konsequent entwickelt und auf ein kleines Terrain so glücklich angewandt, wie St. Simon sein Gebäude nur immer aufstellen, und Enfantin nur immer corrumpiren konnte.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/245>, abgerufen am 28.07.2024. |