Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Die Verbindungen der Handwerker, um die Arbeitspreise auf der Höhe eines von ihnen selbst angesetzten Tarifs zu erhalten, haben mehr Verbreitung gefunden. Sie sind meist immer veranlaßt worden durch einige philanthropische oder auch demagogische Theoretiker, in England durch die Owensche Nützlichkeitsphilosophie, in Frankreich durch die Clubbs, die, von politischen Jdeen ausgehend, sich Material schaffen mußten im Volke, um sie durchzuführen. Vor zwei Jahren haben aber beide einen harten Stoß erlitten, der sie so ziemlich mit Vergessenheit bedeckte. Die Associationen der französischen Handwerker verbluteten sich in Lyon. Die Culmination der englischen war die große Prozession in demselben Jahre, die vom Copenhagenfeld zu Lord Melbourne wallfahrtete, um ihm eine Adresse an den König zur Abstellung oder Milderung einer allzuschweren Strafe einiger ihrer Brüder vorzulegen. Vielleicht löste die Scham diese Verbindung auf: denn beschämend war es, eine Anzahl von nahe an 100,000 zu bilden, und sich so gebückt, artig und hungrig durch die Straßen zu schleichen, wie es jene Arbeiter thaten. Die Vorstellung eines großen Handwerksbundes war drohender, als der Anblick. Statt Furcht fing man an Mitleiden mit diesen Armen zu empfinden. Als mehrere Sektionen von ihnen, die immer eine ganze Zunft vorstellten, sich weigerten, zu einem von den Meistern bestimmten Preise zu arbeiten, engagirten diese Frauenzimmer. Das Risiko war hier für die Gesellen so groß, wie die Schande. Die Verbindungen der Handwerker, um die Arbeitspreise auf der Höhe eines von ihnen selbst angesetzten Tarifs zu erhalten, haben mehr Verbreitung gefunden. Sie sind meist immer veranlaßt worden durch einige philanthropische oder auch demagogische Theoretiker, in England durch die Owensche Nützlichkeitsphilosophie, in Frankreich durch die Clubbs, die, von politischen Jdeen ausgehend, sich Material schaffen mußten im Volke, um sie durchzuführen. Vor zwei Jahren haben aber beide einen harten Stoß erlitten, der sie so ziemlich mit Vergessenheit bedeckte. Die Associationen der französischen Handwerker verbluteten sich in Lyon. Die Culmination der englischen war die große Prozession in demselben Jahre, die vom Copenhagenfeld zu Lord Melbourne wallfahrtete, um ihm eine Adresse an den König zur Abstellung oder Milderung einer allzuschweren Strafe einiger ihrer Brüder vorzulegen. Vielleicht löste die Scham diese Verbindung auf: denn beschämend war es, eine Anzahl von nahe an 100,000 zu bilden, und sich so gebückt, artig und hungrig durch die Straßen zu schleichen, wie es jene Arbeiter thaten. Die Vorstellung eines großen Handwerksbundes war drohender, als der Anblick. Statt Furcht fing man an Mitleiden mit diesen Armen zu empfinden. Als mehrere Sektionen von ihnen, die immer eine ganze Zunft vorstellten, sich weigerten, zu einem von den Meistern bestimmten Preise zu arbeiten, engagirten diese Frauenzimmer. Das Risiko war hier für die Gesellen so groß, wie die Schande. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0232" n="204"/> <p> Die Verbindungen der Handwerker, um die Arbeitspreise auf der Höhe eines von ihnen selbst angesetzten Tarifs zu erhalten, haben mehr Verbreitung gefunden. Sie sind meist immer veranlaßt worden durch einige philanthropische oder auch demagogische Theoretiker, in England durch die Owensche Nützlichkeitsphilosophie, in Frankreich durch die Clubbs, die, von politischen Jdeen ausgehend, sich Material schaffen mußten im Volke, um sie durchzuführen. Vor zwei Jahren haben aber beide einen harten Stoß erlitten, der sie so ziemlich mit Vergessenheit bedeckte. Die Associationen der französischen Handwerker verbluteten sich in Lyon. Die Culmination der englischen war die große Prozession in demselben Jahre, die vom Copenhagenfeld zu Lord Melbourne wallfahrtete, um ihm eine Adresse an den König zur Abstellung oder Milderung einer allzuschweren Strafe einiger ihrer Brüder vorzulegen. Vielleicht löste die Scham diese Verbindung auf: denn beschämend war es, eine Anzahl von nahe an 100,000 zu bilden, und sich so gebückt, artig und hungrig durch die Straßen zu schleichen, wie es jene Arbeiter thaten. Die Vorstellung eines großen Handwerksbundes war drohender, als der Anblick. Statt Furcht fing man an Mitleiden mit diesen Armen zu empfinden. Als mehrere Sektionen von ihnen, die immer eine ganze Zunft vorstellten, sich weigerten, zu einem von den Meistern bestimmten Preise zu arbeiten, engagirten diese Frauenzimmer. Das Risiko war hier für die Gesellen so groß, wie die Schande. </p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0232]
Die Verbindungen der Handwerker, um die Arbeitspreise auf der Höhe eines von ihnen selbst angesetzten Tarifs zu erhalten, haben mehr Verbreitung gefunden. Sie sind meist immer veranlaßt worden durch einige philanthropische oder auch demagogische Theoretiker, in England durch die Owensche Nützlichkeitsphilosophie, in Frankreich durch die Clubbs, die, von politischen Jdeen ausgehend, sich Material schaffen mußten im Volke, um sie durchzuführen. Vor zwei Jahren haben aber beide einen harten Stoß erlitten, der sie so ziemlich mit Vergessenheit bedeckte. Die Associationen der französischen Handwerker verbluteten sich in Lyon. Die Culmination der englischen war die große Prozession in demselben Jahre, die vom Copenhagenfeld zu Lord Melbourne wallfahrtete, um ihm eine Adresse an den König zur Abstellung oder Milderung einer allzuschweren Strafe einiger ihrer Brüder vorzulegen. Vielleicht löste die Scham diese Verbindung auf: denn beschämend war es, eine Anzahl von nahe an 100,000 zu bilden, und sich so gebückt, artig und hungrig durch die Straßen zu schleichen, wie es jene Arbeiter thaten. Die Vorstellung eines großen Handwerksbundes war drohender, als der Anblick. Statt Furcht fing man an Mitleiden mit diesen Armen zu empfinden. Als mehrere Sektionen von ihnen, die immer eine ganze Zunft vorstellten, sich weigerten, zu einem von den Meistern bestimmten Preise zu arbeiten, engagirten diese Frauenzimmer. Das Risiko war hier für die Gesellen so groß, wie die Schande.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/232>, abgerufen am 28.07.2024. |