Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.es nicht zu dürfen, glaubt man, die künstliche Existenz, welche jetzt Millionen ernährt, werde noch einmal soviel vor Hunger decken können, so wird die Folge nur die seyn, daß die Menschheit vom Boden das wegnimmt, was seinen Reichthum hindert. Jn der Uebervölkerung liegt auch zu gleicher Zeit der Untergang der Verhältnisse, welche jetzt dem europäischen Körper seine Gestalt geben. Sind die Menschen erst da, bricht, wie früher oder später geschehen muß, die künstliche Maschine eingebildeter Bedürfnisse und darauf gebauter Nahrungszweige zusammen, so wird die hungernde Menschheit nichts hindern, den Priester- und Königszehnten der Ernte für sich in Beschlag zu nehmen und aus der potenzirten Natur all die arithmetischen Wurzeln zu ziehen, die nur in ihr drin stecken. Die Staatsmänner, welche bedacht sind, Europa in seiner gegenwärtigen Form zu lassen oder doch nichts Wesentliches an ihr zu ändern, Staatsmänner sogar, die Philanthropen sind und zuviel Mitleid mit der Menschheit haben, als daß sie wünschten, je die Nachkommen in Verlegenheit über ihre Existenz zu wissen, haben Vorschläge aller Art gethan, um der reißend um sich greifenden Zunahme der europäischen Bevölkerung Einhalt zu thun. Die Auswanderung nach unbebauten Regionen, deren viele ebenso noch in Europa, wie in den übrigen Welttheilen liegen, war das natürliche Palliativ. Allein wie inkonsequent! die Auswanderung wird nicht gern gesehen. Denn natürlich, diese Leute nehmen mit es nicht zu dürfen, glaubt man, die künstliche Existenz, welche jetzt Millionen ernährt, werde noch einmal soviel vor Hunger decken können, so wird die Folge nur die seyn, daß die Menschheit vom Boden das wegnimmt, was seinen Reichthum hindert. Jn der Uebervölkerung liegt auch zu gleicher Zeit der Untergang der Verhältnisse, welche jetzt dem europäischen Körper seine Gestalt geben. Sind die Menschen erst da, bricht, wie früher oder später geschehen muß, die künstliche Maschine eingebildeter Bedürfnisse und darauf gebauter Nahrungszweige zusammen, so wird die hungernde Menschheit nichts hindern, den Priester- und Königszehnten der Ernte für sich in Beschlag zu nehmen und aus der potenzirten Natur all die arithmetischen Wurzeln zu ziehen, die nur in ihr drin stecken. Die Staatsmänner, welche bedacht sind, Europa in seiner gegenwärtigen Form zu lassen oder doch nichts Wesentliches an ihr zu ändern, Staatsmänner sogar, die Philanthropen sind und zuviel Mitleid mit der Menschheit haben, als daß sie wünschten, je die Nachkommen in Verlegenheit über ihre Existenz zu wissen, haben Vorschläge aller Art gethan, um der reißend um sich greifenden Zunahme der europäischen Bevölkerung Einhalt zu thun. Die Auswanderung nach unbebauten Regionen, deren viele ebenso noch in Europa, wie in den übrigen Welttheilen liegen, war das natürliche Palliativ. Allein wie inkonsequent! die Auswanderung wird nicht gern gesehen. Denn natürlich, diese Leute nehmen mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="188"/> es nicht zu dürfen, glaubt man, die künstliche Existenz, welche jetzt Millionen ernährt, werde noch einmal soviel vor Hunger decken können, so wird die Folge nur die seyn, daß die Menschheit vom Boden das wegnimmt, was seinen Reichthum hindert. Jn der Uebervölkerung liegt auch zu gleicher Zeit der Untergang der Verhältnisse, welche jetzt dem europäischen Körper seine Gestalt geben. Sind die Menschen erst da, bricht, wie früher oder später geschehen muß, die künstliche Maschine eingebildeter Bedürfnisse und darauf gebauter Nahrungszweige zusammen, so wird die hungernde Menschheit nichts hindern, den Priester- und Königszehnten der Ernte für sich in Beschlag zu nehmen und aus der potenzirten Natur all die arithmetischen Wurzeln zu ziehen, die nur in ihr drin stecken.</p> <p>Die Staatsmänner, welche bedacht sind, Europa in seiner gegenwärtigen Form zu lassen oder doch nichts Wesentliches an ihr zu ändern, Staatsmänner sogar, die Philanthropen sind und zuviel Mitleid mit der Menschheit haben, als daß sie wünschten, je die Nachkommen in Verlegenheit über ihre Existenz zu wissen, haben Vorschläge aller Art gethan, um der reißend um sich greifenden Zunahme der europäischen Bevölkerung Einhalt zu thun. Die Auswanderung nach unbebauten Regionen, deren viele ebenso noch in Europa, wie in den übrigen Welttheilen liegen, war das natürliche Palliativ. Allein wie inkonsequent! die Auswanderung wird nicht gern gesehen. Denn natürlich, diese Leute nehmen mit </p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0216]
es nicht zu dürfen, glaubt man, die künstliche Existenz, welche jetzt Millionen ernährt, werde noch einmal soviel vor Hunger decken können, so wird die Folge nur die seyn, daß die Menschheit vom Boden das wegnimmt, was seinen Reichthum hindert. Jn der Uebervölkerung liegt auch zu gleicher Zeit der Untergang der Verhältnisse, welche jetzt dem europäischen Körper seine Gestalt geben. Sind die Menschen erst da, bricht, wie früher oder später geschehen muß, die künstliche Maschine eingebildeter Bedürfnisse und darauf gebauter Nahrungszweige zusammen, so wird die hungernde Menschheit nichts hindern, den Priester- und Königszehnten der Ernte für sich in Beschlag zu nehmen und aus der potenzirten Natur all die arithmetischen Wurzeln zu ziehen, die nur in ihr drin stecken.
Die Staatsmänner, welche bedacht sind, Europa in seiner gegenwärtigen Form zu lassen oder doch nichts Wesentliches an ihr zu ändern, Staatsmänner sogar, die Philanthropen sind und zuviel Mitleid mit der Menschheit haben, als daß sie wünschten, je die Nachkommen in Verlegenheit über ihre Existenz zu wissen, haben Vorschläge aller Art gethan, um der reißend um sich greifenden Zunahme der europäischen Bevölkerung Einhalt zu thun. Die Auswanderung nach unbebauten Regionen, deren viele ebenso noch in Europa, wie in den übrigen Welttheilen liegen, war das natürliche Palliativ. Allein wie inkonsequent! die Auswanderung wird nicht gern gesehen. Denn natürlich, diese Leute nehmen mit
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/216>, abgerufen am 28.07.2024. |