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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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was 1) nach der bloßen Eingebung des sanguinischen Dilettantismus gebaut wird: Museen, Odeen, Theater, Kirchen und Kapellen nach alten Mustern, in frivoler Nachahmung; 2) alles dasjenige Bauwerk, was wir wirklich leisten können, nämlich glatte, kahle, innerlich mit vortrefflichstem Comfort eingerichtete Häuser zu gemeinnützigen und Privatzwecken; 3) damit zusammenhängend alles Nebenwerk der Baukunst, als da sind Cloakenreinigungen, Wasserleitungen, Sumpfaustrocknungen u. dergl. mehr. Ein herrliches Phänomen der modernen Kraftlosigkeit! wird man ausrufen; allein dieß beruht auf sich; gerechter würde man thun, den Charakter des Modernen aus dieser Thatsache zu entwickeln und den Maßstab der vergangenen Zeiten nicht im moralischen Sinne an das Neue anzulegen. Denn das Meiste von dem, was wir haben durch uns selbst, hatten die Alten nicht. Die einzige Thorheit, die man uns vorwerfen kann, ist nur die, daß wir unsre Blöße zu bedecken suchen und uns mit Nachäffungen abmühen, daß wir griechische Städte entstehen sehen auf dem Continent, z. B. München, wo die Neustadt Athen und die Altstadt das erbärmlichste Häusergerümpel vorstellen soll.

Daß sich die moderne Zeit vielleicht noch einmal einen eigenen Baustyl erfindet, scheint mir keineswegs unwahrscheinlich. Doch müßte dieser Erfindung der Sieg aller der Jdeen vorangehen, welche unsre Zeit alp-artig bedrückt. Wir müßten im Klaren seyn über den Staat,

was 1) nach der bloßen Eingebung des sanguinischen Dilettantismus gebaut wird: Museen, Odeen, Theater, Kirchen und Kapellen nach alten Mustern, in frivoler Nachahmung; 2) alles dasjenige Bauwerk, was wir wirklich leisten können, nämlich glatte, kahle, innerlich mit vortrefflichstem Comfort eingerichtete Häuser zu gemeinnützigen und Privatzwecken; 3) damit zusammenhängend alles Nebenwerk der Baukunst, als da sind Cloakenreinigungen, Wasserleitungen, Sumpfaustrocknungen u. dergl. mehr. Ein herrliches Phänomen der modernen Kraftlosigkeit! wird man ausrufen; allein dieß beruht auf sich; gerechter würde man thun, den Charakter des Modernen aus dieser Thatsache zu entwickeln und den Maßstab der vergangenen Zeiten nicht im moralischen Sinne an das Neue anzulegen. Denn das Meiste von dem, was wir haben durch uns selbst, hatten die Alten nicht. Die einzige Thorheit, die man uns vorwerfen kann, ist nur die, daß wir unsre Blöße zu bedecken suchen und uns mit Nachäffungen abmühen, daß wir griechische Städte entstehen sehen auf dem Continent, z. B. München, wo die Neustadt Athen und die Altstadt das erbärmlichste Häusergerümpel vorstellen soll.

Daß sich die moderne Zeit vielleicht noch einmal einen eigenen Baustyl erfindet, scheint mir keineswegs unwahrscheinlich. Doch müßte dieser Erfindung der Sieg aller der Jdeen vorangehen, welche unsre Zeit alp-artig bedrückt. Wir müßten im Klaren seyn über den Staat,

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[158/0186] was 1) nach der bloßen Eingebung des sanguinischen Dilettantismus gebaut wird: Museen, Odeen, Theater, Kirchen und Kapellen nach alten Mustern, in frivoler Nachahmung; 2) alles dasjenige Bauwerk, was wir wirklich leisten können, nämlich glatte, kahle, innerlich mit vortrefflichstem Comfort eingerichtete Häuser zu gemeinnützigen und Privatzwecken; 3) damit zusammenhängend alles Nebenwerk der Baukunst, als da sind Cloakenreinigungen, Wasserleitungen, Sumpfaustrocknungen u. dergl. mehr. Ein herrliches Phänomen der modernen Kraftlosigkeit! wird man ausrufen; allein dieß beruht auf sich; gerechter würde man thun, den Charakter des Modernen aus dieser Thatsache zu entwickeln und den Maßstab der vergangenen Zeiten nicht im moralischen Sinne an das Neue anzulegen. Denn das Meiste von dem, was wir haben durch uns selbst, hatten die Alten nicht. Die einzige Thorheit, die man uns vorwerfen kann, ist nur die, daß wir unsre Blöße zu bedecken suchen und uns mit Nachäffungen abmühen, daß wir griechische Städte entstehen sehen auf dem Continent, z. B. München, wo die Neustadt Athen und die Altstadt das erbärmlichste Häusergerümpel vorstellen soll. Daß sich die moderne Zeit vielleicht noch einmal einen eigenen Baustyl erfindet, scheint mir keineswegs unwahrscheinlich. Doch müßte dieser Erfindung der Sieg aller der Jdeen vorangehen, welche unsre Zeit alp-artig bedrückt. Wir müßten im Klaren seyn über den Staat,

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/186>, abgerufen am 24.11.2024.