z. B. ist nirgends mehr die Rede, alle Verhältnisse, die gelehrten wie die gesellschaftlichen, haben ihren Jargon. Die Religion hat ihren Jargon, die Moral, die Politik, die Jndustrie, die Liebe. Man kann sich mit Redensarten weit kürzer und bequemer ausdrücken, als wenn man vernünftig spricht. Man gähnt, man sagt eine Stelle aus Hamlet, man ruft: Sehr, sehr! und man hat beinahe eine Rede gehalten. Denn Jeder, der eingeweiht ist, versteht diese Abkürzungen und Citate. Ein Vernünftiger hält zwei Menschen, die sich auf diese Weise durch Knurren, Schnalzen, Gähnen und einige unartikulirte Jnterjektionen ihre Ansichten und Gefühle wechselseitig zu verstehen geben, für verrückt, während sich doch diese Leute vortrefflich mit einander unterhalten. Jch kenne zwei junge Gentlemen, welche durchaus nicht wie Sprößlinge einer reichen Primogenitur leben können, die sich im Gegentheile noch unter dem Loose jüngerer Söhne befinden und tüchtig rudern müssen, um zu schwimmen. Sie haben unendlich viel Erfahrungen durchzu-
z. B. ist nirgends mehr die Rede, alle Verhältnisse, die gelehrten wie die gesellschaftlichen, haben ihren Jargon. Die Religion hat ihren Jargon, die Moral, die Politik, die Jndustrie, die Liebe. Man kann sich mit Redensarten weit kürzer und bequemer ausdrücken, als wenn man vernünftig spricht. Man gähnt, man sagt eine Stelle aus Hamlet, man ruft: Sehr, sehr! und man hat beinahe eine Rede gehalten. Denn Jeder, der eingeweiht ist, versteht diese Abkürzungen und Citate. Ein Vernünftiger hält zwei Menschen, die sich auf diese Weise durch Knurren, Schnalzen, Gähnen und einige unartikulirte Jnterjektionen ihre Ansichten und Gefühle wechselseitig zu verstehen geben, für verrückt, während sich doch diese Leute vortrefflich mit einander unterhalten. Jch kenne zwei junge Gentlemen, welche durchaus nicht wie Sprößlinge einer reichen Primogenitur leben können, die sich im Gegentheile noch unter dem Loose jüngerer Söhne befinden und tüchtig rudern müssen, um zu schwimmen. Sie haben unendlich viel Erfahrungen durchzu-
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[XIII/0017]
z. B. ist nirgends mehr die Rede, alle Verhältnisse, die gelehrten wie die gesellschaftlichen, haben ihren Jargon. Die Religion hat ihren Jargon, die Moral, die Politik, die Jndustrie, die Liebe. Man kann sich mit Redensarten weit kürzer und bequemer ausdrücken, als wenn man vernünftig spricht. Man gähnt, man sagt eine Stelle aus Hamlet, man ruft: Sehr, sehr! und man hat beinahe eine Rede gehalten. Denn Jeder, der eingeweiht ist, versteht diese Abkürzungen und Citate. Ein Vernünftiger hält zwei Menschen, die sich auf diese Weise durch Knurren, Schnalzen, Gähnen und einige unartikulirte Jnterjektionen ihre Ansichten und Gefühle wechselseitig zu verstehen geben, für verrückt, während sich doch diese Leute vortrefflich mit einander unterhalten. Jch kenne zwei junge Gentlemen, welche durchaus nicht wie Sprößlinge einer reichen Primogenitur leben können, die sich im Gegentheile noch unter dem Loose jüngerer Söhne befinden und tüchtig rudern müssen, um zu schwimmen. Sie haben unendlich viel Erfahrungen durchzu-
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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
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Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/17>, abgerufen am 27.07.2024.
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