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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Grund zu suchen, daß ich glaube, die Regeneration Südamerika's könne durch Nordamerika reißende Fortschritte machen. Die religiöse Propaganda würde im Gegentheil die politische nur aufhalten oder bei dem Fanatismus, der den Südamerikanern in Sachen der Religion einmal eingeimpft, man kann wohl sagen, durch Scheiterhaufen eingebrannt ist, sie völlig verhindern. Auf die Religion keinen ausschließlichen Werth legen, heißt die Jndividualität, die angeborne Cultur, die Sitten und Gewohnheiten, heißt das Familienleben, kurz Alles in Schutz nehmen, was die Menschen nicht gern aufopfern, wenn man ihnen dafür auch noch soviel Aufklärung und politische Freiheit geben will. Die Toleranz in Sachen der Religion garantirt den Nordamerikanern, daß sie jenen großen Einfluß auf Südamerika, den sie nach dem Rathschlusse Gottes ausüben zu müssen scheinen, bald gewinnen oder, wenn der Gewinn schwierig seyn sollte, doch später dauernd befestigen können.

Dieß scheint mir die große Mission der vereinigten Staaten zu seyn! Sie dagegen mit Europa in Verbindung bringen, heißt Europa nicht kennen. Wir können niemals auf Nordamerika hinauskommen, weil wir in Europa ganz andere Faktoren zu summiren, ganz andere Stoffe zu verbrauchen haben, als die Söhne Franklins und Washingtons. Die Stoffe, aus welchen unsre Zustände zusammengesetzt sind, sind unübersehbar, und wenn wir noch so lange daran arbeiten und

Grund zu suchen, daß ich glaube, die Regeneration Südamerika’s könne durch Nordamerika reißende Fortschritte machen. Die religiöse Propaganda würde im Gegentheil die politische nur aufhalten oder bei dem Fanatismus, der den Südamerikanern in Sachen der Religion einmal eingeimpft, man kann wohl sagen, durch Scheiterhaufen eingebrannt ist, sie völlig verhindern. Auf die Religion keinen ausschließlichen Werth legen, heißt die Jndividualität, die angeborne Cultur, die Sitten und Gewohnheiten, heißt das Familienleben, kurz Alles in Schutz nehmen, was die Menschen nicht gern aufopfern, wenn man ihnen dafür auch noch soviel Aufklärung und politische Freiheit geben will. Die Toleranz in Sachen der Religion garantirt den Nordamerikanern, daß sie jenen großen Einfluß auf Südamerika, den sie nach dem Rathschlusse Gottes ausüben zu müssen scheinen, bald gewinnen oder, wenn der Gewinn schwierig seyn sollte, doch später dauernd befestigen können.

Dieß scheint mir die große Mission der vereinigten Staaten zu seyn! Sie dagegen mit Europa in Verbindung bringen, heißt Europa nicht kennen. Wir können niemals auf Nordamerika hinauskommen, weil wir in Europa ganz andere Faktoren zu summiren, ganz andere Stoffe zu verbrauchen haben, als die Söhne Franklins und Washingtons. Die Stoffe, aus welchen unsre Zustände zusammengesetzt sind, sind unübersehbar, und wenn wir noch so lange daran arbeiten und

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[132/0160] Grund zu suchen, daß ich glaube, die Regeneration Südamerika’s könne durch Nordamerika reißende Fortschritte machen. Die religiöse Propaganda würde im Gegentheil die politische nur aufhalten oder bei dem Fanatismus, der den Südamerikanern in Sachen der Religion einmal eingeimpft, man kann wohl sagen, durch Scheiterhaufen eingebrannt ist, sie völlig verhindern. Auf die Religion keinen ausschließlichen Werth legen, heißt die Jndividualität, die angeborne Cultur, die Sitten und Gewohnheiten, heißt das Familienleben, kurz Alles in Schutz nehmen, was die Menschen nicht gern aufopfern, wenn man ihnen dafür auch noch soviel Aufklärung und politische Freiheit geben will. Die Toleranz in Sachen der Religion garantirt den Nordamerikanern, daß sie jenen großen Einfluß auf Südamerika, den sie nach dem Rathschlusse Gottes ausüben zu müssen scheinen, bald gewinnen oder, wenn der Gewinn schwierig seyn sollte, doch später dauernd befestigen können. Dieß scheint mir die große Mission der vereinigten Staaten zu seyn! Sie dagegen mit Europa in Verbindung bringen, heißt Europa nicht kennen. Wir können niemals auf Nordamerika hinauskommen, weil wir in Europa ganz andere Faktoren zu summiren, ganz andere Stoffe zu verbrauchen haben, als die Söhne Franklins und Washingtons. Die Stoffe, aus welchen unsre Zustände zusammengesetzt sind, sind unübersehbar, und wenn wir noch so lange daran arbeiten und

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/160>, abgerufen am 24.11.2024.