Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh' mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache
Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache
<TEI><text><front><divtype="dedication"><p><refxml:id="TEXTEndlichmischtBISverlorenhat"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLEndlichmischtBISverlorenhat"><pbfacs="#f0016"n="XII"/>
Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat</ref>. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur <refxml:id="TEXTCravatte"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLCravatte">Cravatte</ref>; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, <refxml:id="TEXTdassduhintenBISlueftenmusst"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLdassduhintenBISlueftenmusst">daß du hinten ein wenig lüften mußt</ref>, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse <refxml:id="TEXTRaison"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLRaison">Raison</ref> hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der <refxml:id="TEXTNonsens"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLNonsens">Nonsens</ref> unsrer <refxml:id="TEXTconversationell"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLconversationell">conversationellen</ref> Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache
</p></div></front></text></TEI>
[XII/0016]
Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/16>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.