Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sechs Pferden schenken wollen, wenn dieser nicht ein so guter Fußgänger wäre. Kurz, Moritz ist ein Kind des Tages und des Jahrhunderts, wenn das Letztere seinen schwärmerischen Zug behaupten sollte. Wer steht nun aber in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen? Der Herr des Hauses, der Besitzer der Firma, ein Pair der Börse, ein Mann von mittlerer Größe, im feinsten königsblauen Frack, eine goldene Kette wedelt ihm auf dem schwellenden Embonpoint, das Gesicht leuchtet von der Vortrefflichkeit seines Mittagstisches. Man vergesse nicht! Dieser Banquier hat Geist, haarscharfen Verstand, Adlerblick, Combination, er hat sogar ein Herz, aber er braucht es nicht; er setzt es nicht in Bewegung. Die Nationen, die Könige, die Jnteressen derselben sind da, aber ihn kümmern nur ihre Anleihen. Seine Jdeen erstrecken sich auf jede Lebensrichtung, aber sie erregen sein Gemüth nicht, sondern beschäftigen nur seine arithmetische Combination. Mildthätigen Zwecken wird er sich nie entziehen. Er unterschreibt jede Subscriptionsliste, aber nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil er den Talisman seines Glückes damit beschwören will, weil er fürchtet, an der moralischen Ordnung der Dinge etwas zu verstoßen, das sich rächen könnte! Sonst ist sein Jnneres kalt, frostig kalt. Aktien, Dividenden, Coupons, Eisenbahnen, Kanäle beleben seine rationelle Phantasie, Tunnelideen untergraben sein Jnneres. Er interessirt sich für Alles, wenn es Jnteressen trägt. Kohlengruben sind seine Gefäße, sechs Pferden schenken wollen, wenn dieser nicht ein so guter Fußgänger wäre. Kurz, Moritz ist ein Kind des Tages und des Jahrhunderts, wenn das Letztere seinen schwärmerischen Zug behaupten sollte. Wer steht nun aber in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen? Der Herr des Hauses, der Besitzer der Firma, ein Pair der Börse, ein Mann von mittlerer Größe, im feinsten königsblauen Frack, eine goldene Kette wedelt ihm auf dem schwellenden Embonpoint, das Gesicht leuchtet von der Vortrefflichkeit seines Mittagstisches. Man vergesse nicht! Dieser Banquier hat Geist, haarscharfen Verstand, Adlerblick, Combination, er hat sogar ein Herz, aber er braucht es nicht; er setzt es nicht in Bewegung. Die Nationen, die Könige, die Jnteressen derselben sind da, aber ihn kümmern nur ihre Anleihen. Seine Jdeen erstrecken sich auf jede Lebensrichtung, aber sie erregen sein Gemüth nicht, sondern beschäftigen nur seine arithmetische Combination. Mildthätigen Zwecken wird er sich nie entziehen. Er unterschreibt jede Subscriptionsliste, aber nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil er den Talisman seines Glückes damit beschwören will, weil er fürchtet, an der moralischen Ordnung der Dinge etwas zu verstoßen, das sich rächen könnte! Sonst ist sein Jnneres kalt, frostig kalt. Aktien, Dividenden, Coupons, Eisenbahnen, Kanäle beleben seine rationelle Phantasie, Tunnelideen untergraben sein Jnneres. Er interessirt sich für Alles, wenn es Jnteressen trägt. Kohlengruben sind seine Gefäße, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="107"/> sechs Pferden schenken wollen, wenn dieser nicht ein so guter Fußgänger wäre. Kurz, Moritz ist ein Kind des Tages und des Jahrhunderts, wenn das Letztere seinen schwärmerischen Zug behaupten sollte.</p> <p>Wer steht nun aber in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen? Der Herr des Hauses, der Besitzer der Firma, ein Pair der Börse, ein Mann von mittlerer Größe, im feinsten königsblauen Frack, eine goldene Kette wedelt ihm auf dem schwellenden Embonpoint, das Gesicht leuchtet von der Vortrefflichkeit seines Mittagstisches. Man vergesse nicht! Dieser Banquier hat Geist, haarscharfen Verstand, Adlerblick, Combination, er hat sogar ein Herz, aber er braucht es nicht; er setzt es nicht in Bewegung. Die Nationen, die Könige, die Jnteressen derselben sind da, aber ihn kümmern nur ihre Anleihen. Seine Jdeen erstrecken sich auf jede Lebensrichtung, aber sie erregen sein Gemüth nicht, sondern beschäftigen nur seine arithmetische Combination. Mildthätigen Zwecken wird er sich nie entziehen. Er unterschreibt jede Subscriptionsliste, aber nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil er den Talisman seines Glückes damit beschwören will, weil er fürchtet, an der moralischen Ordnung der Dinge etwas zu verstoßen, das sich rächen könnte! Sonst ist sein Jnneres kalt, frostig kalt. Aktien, Dividenden, Coupons, Eisenbahnen, Kanäle beleben seine rationelle Phantasie, Tunnelideen untergraben sein Jnneres. Er interessirt sich für Alles, wenn es Jnteressen trägt. Kohlengruben sind seine Gefäße, </p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0135]
sechs Pferden schenken wollen, wenn dieser nicht ein so guter Fußgänger wäre. Kurz, Moritz ist ein Kind des Tages und des Jahrhunderts, wenn das Letztere seinen schwärmerischen Zug behaupten sollte.
Wer steht nun aber in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen? Der Herr des Hauses, der Besitzer der Firma, ein Pair der Börse, ein Mann von mittlerer Größe, im feinsten königsblauen Frack, eine goldene Kette wedelt ihm auf dem schwellenden Embonpoint, das Gesicht leuchtet von der Vortrefflichkeit seines Mittagstisches. Man vergesse nicht! Dieser Banquier hat Geist, haarscharfen Verstand, Adlerblick, Combination, er hat sogar ein Herz, aber er braucht es nicht; er setzt es nicht in Bewegung. Die Nationen, die Könige, die Jnteressen derselben sind da, aber ihn kümmern nur ihre Anleihen. Seine Jdeen erstrecken sich auf jede Lebensrichtung, aber sie erregen sein Gemüth nicht, sondern beschäftigen nur seine arithmetische Combination. Mildthätigen Zwecken wird er sich nie entziehen. Er unterschreibt jede Subscriptionsliste, aber nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil er den Talisman seines Glückes damit beschwören will, weil er fürchtet, an der moralischen Ordnung der Dinge etwas zu verstoßen, das sich rächen könnte! Sonst ist sein Jnneres kalt, frostig kalt. Aktien, Dividenden, Coupons, Eisenbahnen, Kanäle beleben seine rationelle Phantasie, Tunnelideen untergraben sein Jnneres. Er interessirt sich für Alles, wenn es Jnteressen trägt. Kohlengruben sind seine Gefäße,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/135>, abgerufen am 28.07.2024. |