Wally sahe nur auf das Aeußre, auf den Einband, dann las sie etwas. Sie las einige Verse, ein halbes Kapitel und fragte ihr Mäd¬ chen, wann sie zuletzt in der Kirche gewesen wäre?
Aurora war nicht frivol: sie war vor vier Wochen da gewesen.
Wally las, ohne zu hören. Dann fragte sie: "warum bist du so still?"
Aurora war nicht mehr im Zimmer: Wally blickte sich scheu um, und las weiter. Ihr Auge haftete stier auf den Buchstaben: sie schlug eine Seite nach der andern um: dann lehnte sie sich zurück, eine Thräne stand in ihrem Auge. Sie sah mit einem flehenden, ver¬ zweifelnden Blick auf den kleinen Tisch, der so viel Widersprechendes friedlich umschloß. Sie stützte den Kopf auf die Lehne ihres Sessels; es war Sonntag. Die Glocken läuteten, aus der nahen Kirche brausten die Töne der Orgel
Wally ſahe nur auf das Aeußre, auf den Einband, dann las ſie etwas. Sie las einige Verſe, ein halbes Kapitel und fragte ihr Mäd¬ chen, wann ſie zuletzt in der Kirche geweſen wäre?
Aurora war nicht frivol: ſie war vor vier Wochen da geweſen.
Wally las, ohne zu hören. Dann fragte ſie: „warum biſt du ſo ſtill?“
Aurora war nicht mehr im Zimmer: Wally blickte ſich ſcheu um, und las weiter. Ihr Auge haftete ſtier auf den Buchſtaben: ſie ſchlug eine Seite nach der andern um: dann lehnte ſie ſich zurück, eine Thräne ſtand in ihrem Auge. Sie ſah mit einem flehenden, ver¬ zweifelnden Blick auf den kleinen Tiſch, der ſo viel Widerſprechendes friedlich umſchloß. Sie ſtützte den Kopf auf die Lehne ihres Seſſels; es war Sonntag. Die Glocken läuteten, aus der nahen Kirche brauſten die Töne der Orgel
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Wally ſahe nur auf das Aeußre, auf den
Einband, dann las ſie etwas. Sie las einige
Verſe, ein halbes Kapitel und fragte ihr Mäd¬
chen, wann ſie zuletzt in der Kirche geweſen
wäre?
Aurora war nicht frivol: ſie war vor vier
Wochen da geweſen.
Wally las, ohne zu hören. Dann fragte
ſie: „warum biſt du ſo ſtill?“
Aurora war nicht mehr im Zimmer: Wally
blickte ſich ſcheu um, und las weiter. Ihr
Auge haftete ſtier auf den Buchſtaben: ſie
ſchlug eine Seite nach der andern um: dann
lehnte ſie ſich zurück, eine Thräne ſtand in
ihrem Auge. Sie ſah mit einem flehenden, ver¬
zweifelnden Blick auf den kleinen Tiſch, der
ſo viel Widerſprechendes friedlich umſchloß. Sie
ſtützte den Kopf auf die Lehne ihres Seſſels;
es war Sonntag. Die Glocken läuteten, aus
der nahen Kirche brauſten die Töne der Orgel
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/29>, abgerufen am 22.11.2024.
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