Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Cäsar wird in Ländern wohnen, wo das
französische Recht herrscht. Er ist glücklich,
sich ohne die Kirche verheirathen zu dürfen.
Eine bürgerliche Verbindung wird zwischen ihm
und Delphinen stattfinden. Wenn er nur mei¬
nen Zustand schonte! Aber er kennt ihn nicht.
Wüßte er, wie mich seine leichte Manier über
die Religion so tief verwundet! Das Pein¬
lichste ist dies, daß er sich öfter das Ansehen
giebt, als ließen sich einige Wahrheiten sogar
im christlichen Glauben unumstößlich beweisen.
Dann thut er's und beginnt über die schwierig¬
sten Punkte Entwickelungen, welche er mit ern¬
ster Miene durchführt und wenn er zu Ende
ist, für phantastischen Witz erklärt. So be¬
gann er neulich folgende Auseinandersetzung
der christlichen Lehre von der Dreieinigkeit,
eines Begriffes, den ich noch gar nicht an¬
rührte, weil ich mit seinen Prämissen noch nicht
im Reinen bin. Er sagte: Die bloße Vater¬

Cäſar wird in Ländern wohnen, wo das
franzöſiſche Recht herrſcht. Er iſt glücklich,
ſich ohne die Kirche verheirathen zu dürfen.
Eine bürgerliche Verbindung wird zwiſchen ihm
und Delphinen ſtattfinden. Wenn er nur mei¬
nen Zuſtand ſchonte! Aber er kennt ihn nicht.
Wüßte er, wie mich ſeine leichte Manier über
die Religion ſo tief verwundet! Das Pein¬
lichſte iſt dies, daß er ſich öfter das Anſehen
giebt, als ließen ſich einige Wahrheiten ſogar
im chriſtlichen Glauben unumſtößlich beweiſen.
Dann thut er's und beginnt über die ſchwierig¬
ſten Punkte Entwickelungen, welche er mit ern¬
ſter Miene durchführt und wenn er zu Ende
iſt, für phantaſtiſchen Witz erklärt. So be¬
gann er neulich folgende Auseinanderſetzung
der chriſtlichen Lehre von der Dreieinigkeit,
eines Begriffes, den ich noch gar nicht an¬
rührte, weil ich mit ſeinen Prämiſſen noch nicht
im Reinen bin. Er ſagte: Die bloße Vater¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0243" n="234"/>
          <p>&#x017F;ar wird in Ländern wohnen, wo das<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;che Recht herr&#x017F;cht. Er i&#x017F;t glücklich,<lb/>
&#x017F;ich ohne die Kirche verheirathen zu dürfen.<lb/>
Eine bürgerliche Verbindung wird zwi&#x017F;chen ihm<lb/>
und Delphinen &#x017F;tattfinden. Wenn er nur mei¬<lb/>
nen Zu&#x017F;tand &#x017F;chonte! Aber er kennt ihn nicht.<lb/>
Wüßte er, wie mich &#x017F;eine leichte Manier über<lb/>
die Religion &#x017F;o tief verwundet! Das Pein¬<lb/>
lich&#x017F;te i&#x017F;t dies, daß er &#x017F;ich öfter das An&#x017F;ehen<lb/>
giebt, als ließen &#x017F;ich einige Wahrheiten &#x017F;ogar<lb/>
im chri&#x017F;tlichen Glauben unum&#x017F;tößlich bewei&#x017F;en.<lb/>
Dann thut er's und beginnt über die &#x017F;chwierig¬<lb/>
&#x017F;ten Punkte Entwickelungen, welche er mit ern¬<lb/>
&#x017F;ter Miene durchführt und wenn er zu Ende<lb/>
i&#x017F;t, für phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Witz erklärt. So be¬<lb/>
gann er neulich folgende Auseinander&#x017F;etzung<lb/>
der chri&#x017F;tlichen Lehre von der Dreieinigkeit,<lb/>
eines Begriffes, den ich noch gar nicht an¬<lb/>
rührte, weil ich mit &#x017F;einen Prämi&#x017F;&#x017F;en noch nicht<lb/>
im Reinen bin. Er &#x017F;agte: Die bloße Vater¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0243] Cäſar wird in Ländern wohnen, wo das franzöſiſche Recht herrſcht. Er iſt glücklich, ſich ohne die Kirche verheirathen zu dürfen. Eine bürgerliche Verbindung wird zwiſchen ihm und Delphinen ſtattfinden. Wenn er nur mei¬ nen Zuſtand ſchonte! Aber er kennt ihn nicht. Wüßte er, wie mich ſeine leichte Manier über die Religion ſo tief verwundet! Das Pein¬ lichſte iſt dies, daß er ſich öfter das Anſehen giebt, als ließen ſich einige Wahrheiten ſogar im chriſtlichen Glauben unumſtößlich beweiſen. Dann thut er's und beginnt über die ſchwierig¬ ſten Punkte Entwickelungen, welche er mit ern¬ ſter Miene durchführt und wenn er zu Ende iſt, für phantaſtiſchen Witz erklärt. So be¬ gann er neulich folgende Auseinanderſetzung der chriſtlichen Lehre von der Dreieinigkeit, eines Begriffes, den ich noch gar nicht an¬ rührte, weil ich mit ſeinen Prämiſſen noch nicht im Reinen bin. Er ſagte: Die bloße Vater¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/243
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/243>, abgerufen am 22.11.2024.