Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

kömmt im Walde, nicht von dem Edelstein un¬
serer deutschen mittelalterlichen Dichtkunst. Nur
jener Zug ist so meisterhaft schön, wo Tschio¬
natulander, als er in die Welt hinaus muß und
sein treues Windspiel klug zu den beiden Lie¬
benden hinaufsieht, Sigunen anfleht, um eine
Gunst -- "

Cäsar stockte und sprach dann leise, mit fast
verhaltenem Athem: "daß Sigune, um durch
ihre Schönheit ihn gleichsam fest zu machen,
wie der magische Ausdruck der alten Zeit ist,
um ihm einen Anblick zu hinterlassen, der Wun¬
der wirkte in seiner Tapferkeit und Ausdauer,
-- daß Sigune -- in vollkommener Nacktheit
zum vielleicht -- ewigen Abschiede sich ihm zei¬
gen möge."

Wally betrachtete Cäsar einen Augenblick.
Dann erhob sie sich stolz und verließ, ohne ein
Wort zu sprechen, das Zimmer. An ihre Rück¬
kehr war nicht zu denken.

kömmt im Walde, nicht von dem Edelſtein un¬
ſerer deutſchen mittelalterlichen Dichtkunſt. Nur
jener Zug iſt ſo meiſterhaft ſchön, wo Tſchio¬
natulander, als er in die Welt hinaus muß und
ſein treues Windſpiel klug zu den beiden Lie¬
benden hinaufſieht, Sigunen anfleht, um eine
Gunſt — “

Cäſar ſtockte und ſprach dann leiſe, mit faſt
verhaltenem Athem: „daß Sigune, um durch
ihre Schönheit ihn gleichſam feſt zu machen,
wie der magiſche Ausdruck der alten Zeit iſt,
um ihm einen Anblick zu hinterlaſſen, der Wun¬
der wirkte in ſeiner Tapferkeit und Ausdauer,
— daß Sigune — in vollkommener Nacktheit
zum vielleicht — ewigen Abſchiede ſich ihm zei¬
gen möge.“

Wally betrachtete Cäſar einen Augenblick.
Dann erhob ſie ſich ſtolz und verließ, ohne ein
Wort zu ſprechen, das Zimmer. An ihre Rück¬
kehr war nicht zu denken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="120"/>
kömmt im Walde, nicht von dem Edel&#x017F;tein un¬<lb/>
&#x017F;erer deut&#x017F;chen mittelalterlichen Dichtkun&#x017F;t. Nur<lb/>
jener Zug i&#x017F;t &#x017F;o mei&#x017F;terhaft &#x017F;chön, wo T&#x017F;chio¬<lb/>
natulander, als er in die Welt hinaus muß und<lb/>
&#x017F;ein treues Wind&#x017F;piel klug zu den beiden Lie¬<lb/>
benden hinauf&#x017F;ieht, Sigunen anfleht, um eine<lb/>
Gun&#x017F;t &#x2014; &#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x017F;ar &#x017F;tockte und &#x017F;prach dann lei&#x017F;e, mit fa&#x017F;t<lb/>
verhaltenem Athem: &#x201E;daß Sigune, um durch<lb/>
ihre Schönheit ihn gleich&#x017F;am fe&#x017F;t zu machen,<lb/>
wie der magi&#x017F;che Ausdruck der alten Zeit i&#x017F;t,<lb/>
um ihm einen Anblick zu hinterla&#x017F;&#x017F;en, der Wun¬<lb/>
der wirkte in &#x017F;einer Tapferkeit und Ausdauer,<lb/>
&#x2014; daß Sigune &#x2014; in vollkommener Nacktheit<lb/>
zum vielleicht &#x2014; ewigen Ab&#x017F;chiede &#x017F;ich ihm zei¬<lb/>
gen möge.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wally betrachtete Cä&#x017F;ar einen Augenblick.<lb/>
Dann erhob &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;tolz und verließ, ohne ein<lb/>
Wort zu &#x017F;prechen, das Zimmer. An ihre Rück¬<lb/>
kehr war nicht zu denken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0129] kömmt im Walde, nicht von dem Edelſtein un¬ ſerer deutſchen mittelalterlichen Dichtkunſt. Nur jener Zug iſt ſo meiſterhaft ſchön, wo Tſchio¬ natulander, als er in die Welt hinaus muß und ſein treues Windſpiel klug zu den beiden Lie¬ benden hinaufſieht, Sigunen anfleht, um eine Gunſt — “ Cäſar ſtockte und ſprach dann leiſe, mit faſt verhaltenem Athem: „daß Sigune, um durch ihre Schönheit ihn gleichſam feſt zu machen, wie der magiſche Ausdruck der alten Zeit iſt, um ihm einen Anblick zu hinterlaſſen, der Wun¬ der wirkte in ſeiner Tapferkeit und Ausdauer, — daß Sigune — in vollkommener Nacktheit zum vielleicht — ewigen Abſchiede ſich ihm zei¬ gen möge.“ Wally betrachtete Cäſar einen Augenblick. Dann erhob ſie ſich ſtolz und verließ, ohne ein Wort zu ſprechen, das Zimmer. An ihre Rück¬ kehr war nicht zu denken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/129
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/129>, abgerufen am 22.11.2024.