Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.das ist ja unedel, sagte sie, zum mindesten taktlos! Ich sagte von je, fuhr sie fort und dachte dabei gewiß an die von den Höfen eingehaltenen Trauerzeiten, es giebt auch in den Empfindungen einen gewissen Styl und leider thut unsre Erziehung so wenig, uns über den richtigen Ausdruck unsrer Gefühle zu belehren! Beim Styl konnte Martha an Tante Dora denken. Diese wohnte in Dresden und schrieb ihr zuweilen. Aber obgleich sie alle Dresdener Bibliotheken durchlas, so schrieb sie doch so trocken und styllos, daß man erstaunen mußte, wie sich soviel literarische Aufnahme nicht besser verwerthete. Dem Pfarrer war Martha höflich, nicht grade zuvorkommend. Er wollte, das war sein Lebensziel, in die Residenz versetzt sein und dann weiter. Dazu mißbrauchte er den Einfluß der gebornen Fürstin nach allen Richtungen hin. Es waren Empfehlungen, die auf Unwahrheiten beruhten, die sich da die besten Menschen erlaubten. Martha haßte den geistlichen Streber, der die Evangeliengeschichte mit ihren Wundern für eine von Gott ausdrücklich vorgenommene Ausnahme von der allgemeinen Naturregel erklärte. Sie sah mit Angst, daß er schon von Gräfin Adas geringer Zuneigung zum Grafen Udo zu sprechen anfing. Lächelnd träufelte er Gift in's Ohr der alten Gräfin, die mit einem das ist ja unedel, sagte sie, zum mindesten taktlos! Ich sagte von je, fuhr sie fort und dachte dabei gewiß an die von den Höfen eingehaltenen Trauerzeiten, es giebt auch in den Empfindungen einen gewissen Styl und leider thut unsre Erziehung so wenig, uns über den richtigen Ausdruck unsrer Gefühle zu belehren! Beim Styl konnte Martha an Tante Dora denken. Diese wohnte in Dresden und schrieb ihr zuweilen. Aber obgleich sie alle Dresdener Bibliotheken durchlas, so schrieb sie doch so trocken und styllos, daß man erstaunen mußte, wie sich soviel literarische Aufnahme nicht besser verwerthete. Dem Pfarrer war Martha höflich, nicht grade zuvorkommend. Er wollte, das war sein Lebensziel, in die Residenz versetzt sein und dann weiter. Dazu mißbrauchte er den Einfluß der gebornen Fürstin nach allen Richtungen hin. Es waren Empfehlungen, die auf Unwahrheiten beruhten, die sich da die besten Menschen erlaubten. Martha haßte den geistlichen Streber, der die Evangeliengeschichte mit ihren Wundern für eine von Gott ausdrücklich vorgenommene Ausnahme von der allgemeinen Naturregel erklärte. Sie sah mit Angst, daß er schon von Gräfin Adas geringer Zuneigung zum Grafen Udo zu sprechen anfing. Lächelnd träufelte er Gift in’s Ohr der alten Gräfin, die mit einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="89"/> das ist ja unedel, sagte sie, zum mindesten taktlos! Ich sagte von je, fuhr sie fort und dachte dabei gewiß an die von den Höfen eingehaltenen Trauerzeiten, es giebt auch in den Empfindungen einen gewissen Styl und leider thut unsre Erziehung so wenig, uns über den richtigen Ausdruck unsrer Gefühle zu belehren!</p> <p>Beim Styl konnte Martha an Tante Dora denken. Diese wohnte in Dresden und schrieb ihr zuweilen. Aber obgleich sie alle Dresdener Bibliotheken durchlas, so schrieb sie doch so trocken und styllos, daß man erstaunen mußte, wie sich soviel literarische Aufnahme nicht besser verwerthete.</p> <p>Dem Pfarrer war Martha höflich, nicht grade zuvorkommend. Er wollte, das war sein Lebensziel, in die Residenz versetzt sein und dann weiter. Dazu mißbrauchte er den Einfluß der gebornen Fürstin nach allen Richtungen hin. Es waren Empfehlungen, die auf Unwahrheiten beruhten, die sich da die besten Menschen erlaubten. Martha haßte den geistlichen Streber, der die Evangeliengeschichte mit ihren Wundern für eine von Gott ausdrücklich vorgenommene Ausnahme von der allgemeinen Naturregel erklärte. Sie sah mit Angst, daß er schon von Gräfin Adas geringer Zuneigung zum Grafen Udo zu sprechen anfing. Lächelnd träufelte er Gift in’s Ohr der alten Gräfin, die mit einem </p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0095]
das ist ja unedel, sagte sie, zum mindesten taktlos! Ich sagte von je, fuhr sie fort und dachte dabei gewiß an die von den Höfen eingehaltenen Trauerzeiten, es giebt auch in den Empfindungen einen gewissen Styl und leider thut unsre Erziehung so wenig, uns über den richtigen Ausdruck unsrer Gefühle zu belehren!
Beim Styl konnte Martha an Tante Dora denken. Diese wohnte in Dresden und schrieb ihr zuweilen. Aber obgleich sie alle Dresdener Bibliotheken durchlas, so schrieb sie doch so trocken und styllos, daß man erstaunen mußte, wie sich soviel literarische Aufnahme nicht besser verwerthete.
Dem Pfarrer war Martha höflich, nicht grade zuvorkommend. Er wollte, das war sein Lebensziel, in die Residenz versetzt sein und dann weiter. Dazu mißbrauchte er den Einfluß der gebornen Fürstin nach allen Richtungen hin. Es waren Empfehlungen, die auf Unwahrheiten beruhten, die sich da die besten Menschen erlaubten. Martha haßte den geistlichen Streber, der die Evangeliengeschichte mit ihren Wundern für eine von Gott ausdrücklich vorgenommene Ausnahme von der allgemeinen Naturregel erklärte. Sie sah mit Angst, daß er schon von Gräfin Adas geringer Zuneigung zum Grafen Udo zu sprechen anfing. Lächelnd träufelte er Gift in’s Ohr der alten Gräfin, die mit einem
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