Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.unsere Nation von der übrigen Welt so geringschätzig behandeln läßt! Denn die Russinnen haben doch wenigstens in ihrem bekannten Uebermaß nationalen Selbstgefühls noch einen Firniß französischer Bildung, die Oesterreicherinnen sind italianisirt, aber bei diesem norddeutschen, hinterelbischen Volk herrscht nur die absolute Wachtparade, rohe Anmaßung und als Bildungsschliff ein Bischen Reminiscenz an dies oder jenes Fashionable, was sie einmal, weil es mit der Aristokratie zusammenhängt, in sich aufgenommen haben! Gräfin Constanze gab es Ada, die ihr zu kühl von der Musik des Vetters gesprochen. Ada war heiter, trällerte, ging auf und ab. Es tobten in ihr nicht die Geister der Verzweiflung, sondern Stimmen, die von Hoffnung, Glück, Erfolg sprachen. Du scheinst ja die Abreise unserer Lieben wie ein Freudenfest zu feiern! sagte die ehemalige Prinzessin. Mamachen! antwortete Ada, indem sie trällerte. Die Welt ist rund und muß sich drehen! Am folgenden Morgen fuhren Helene und Ottomar schon so zeitig auf die sehr entlegene Eisenbahnstation, daß die alte Gräfin und Ada ihre Abfahrt nicht bemerkten. Graf Udo und Martha fehlten aber beim Abschied nicht. Die Anwesenheit Marthas hielt den Grafen im Schach, der sonst im Stande gewesen wäre, unsere Nation von der übrigen Welt so geringschätzig behandeln läßt! Denn die Russinnen haben doch wenigstens in ihrem bekannten Uebermaß nationalen Selbstgefühls noch einen Firniß französischer Bildung, die Oesterreicherinnen sind italianisirt, aber bei diesem norddeutschen, hinterelbischen Volk herrscht nur die absolute Wachtparade, rohe Anmaßung und als Bildungsschliff ein Bischen Reminiscenz an dies oder jenes Fashionable, was sie einmal, weil es mit der Aristokratie zusammenhängt, in sich aufgenommen haben! Gräfin Constanze gab es Ada, die ihr zu kühl von der Musik des Vetters gesprochen. Ada war heiter, trällerte, ging auf und ab. Es tobten in ihr nicht die Geister der Verzweiflung, sondern Stimmen, die von Hoffnung, Glück, Erfolg sprachen. Du scheinst ja die Abreise unserer Lieben wie ein Freudenfest zu feiern! sagte die ehemalige Prinzessin. Mamachen! antwortete Ada, indem sie trällerte. Die Welt ist rund und muß sich drehen! Am folgenden Morgen fuhren Helene und Ottomar schon so zeitig auf die sehr entlegene Eisenbahnstation, daß die alte Gräfin und Ada ihre Abfahrt nicht bemerkten. Graf Udo und Martha fehlten aber beim Abschied nicht. Die Anwesenheit Marthas hielt den Grafen im Schach, der sonst im Stande gewesen wäre, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079" n="73"/> unsere Nation von der übrigen Welt so geringschätzig behandeln läßt! Denn die Russinnen haben doch wenigstens in ihrem bekannten Uebermaß nationalen Selbstgefühls noch einen Firniß französischer Bildung, die Oesterreicherinnen sind italianisirt, aber bei diesem norddeutschen, hinterelbischen Volk herrscht nur die absolute Wachtparade, rohe Anmaßung und als Bildungsschliff ein Bischen Reminiscenz an dies oder jenes Fashionable, was sie einmal, weil es mit der Aristokratie zusammenhängt, in sich aufgenommen haben!</p> <p>Gräfin Constanze gab es Ada, die ihr zu kühl von der Musik des Vetters gesprochen. Ada war heiter, trällerte, ging auf und ab. Es tobten in ihr nicht die Geister der Verzweiflung, sondern Stimmen, die von Hoffnung, Glück, Erfolg sprachen. Du scheinst ja die Abreise unserer Lieben wie ein Freudenfest zu feiern! sagte die ehemalige Prinzessin.</p> <p>Mamachen! antwortete Ada, indem sie trällerte. Die Welt ist rund und muß sich drehen!</p> <p>Am folgenden Morgen fuhren Helene und Ottomar schon so zeitig auf die sehr entlegene Eisenbahnstation, daß die alte Gräfin und Ada ihre Abfahrt nicht bemerkten. Graf Udo und Martha fehlten aber beim Abschied nicht. Die Anwesenheit Marthas hielt den Grafen im Schach, der sonst im Stande gewesen wäre, </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0079]
unsere Nation von der übrigen Welt so geringschätzig behandeln läßt! Denn die Russinnen haben doch wenigstens in ihrem bekannten Uebermaß nationalen Selbstgefühls noch einen Firniß französischer Bildung, die Oesterreicherinnen sind italianisirt, aber bei diesem norddeutschen, hinterelbischen Volk herrscht nur die absolute Wachtparade, rohe Anmaßung und als Bildungsschliff ein Bischen Reminiscenz an dies oder jenes Fashionable, was sie einmal, weil es mit der Aristokratie zusammenhängt, in sich aufgenommen haben!
Gräfin Constanze gab es Ada, die ihr zu kühl von der Musik des Vetters gesprochen. Ada war heiter, trällerte, ging auf und ab. Es tobten in ihr nicht die Geister der Verzweiflung, sondern Stimmen, die von Hoffnung, Glück, Erfolg sprachen. Du scheinst ja die Abreise unserer Lieben wie ein Freudenfest zu feiern! sagte die ehemalige Prinzessin.
Mamachen! antwortete Ada, indem sie trällerte. Die Welt ist rund und muß sich drehen!
Am folgenden Morgen fuhren Helene und Ottomar schon so zeitig auf die sehr entlegene Eisenbahnstation, daß die alte Gräfin und Ada ihre Abfahrt nicht bemerkten. Graf Udo und Martha fehlten aber beim Abschied nicht. Die Anwesenheit Marthas hielt den Grafen im Schach, der sonst im Stande gewesen wäre,
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