Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

bekommen, und Ottomar entzog sich Allem! Ich kannte ja schon Alles! antwortete sie endlich laut. Die Originale zu sehen, nun das thut allerdings wohl. Aber wissen Sie, uns Frauen muß dergleichen in irgend einem Lichte aufgehen. Die Sache an sich interessirt uns nicht. Selbst die Engländerinnen, die Alles anstarren und mit dem Buch in der Hand verschlingen, werden von einer nationalen Schwärmerei getragen! Sie sind eben verrückt und rennen Kunst ihrem verrückten Volke zu Liebe. Ihre ganze Nation ist auf Staunen, Bewundern, Anstarren dressirt. Der kalte Deutsche dagegen hat rein gar Nichts als Schulbücher. Wären Sie freilich mit mir in Italien gewesen, sprach sie dann leiser, so würde ich vielleicht für Alles geschwärmt haben!

Ottomar, tiefergriffen von dem Blick in die Frauennatur, sah nur immer nach dem Forste hin.

Lassen Sie es ihn Alles hören! sagte Ada. Er ist ja Ihr Freund und er liebt Ihre Schwester! Sehen Sie, lieber Freund, wenn wir Frauen unglücklich lieben, so hängen wir die Flügel und sind matt, aber die Männer schienen sonst davon einen Schwung zu bekommen, wenigstens glaube ich, daß mein Professor der Literaturgeschichte weit mehr Dichter aufzählte, die nicht erhört wurden, als die erhört! Ich will einmal in der Stadt den Herrn Dieterici und meinen alten Professor

bekommen, und Ottomar entzog sich Allem! Ich kannte ja schon Alles! antwortete sie endlich laut. Die Originale zu sehen, nun das thut allerdings wohl. Aber wissen Sie, uns Frauen muß dergleichen in irgend einem Lichte aufgehen. Die Sache an sich interessirt uns nicht. Selbst die Engländerinnen, die Alles anstarren und mit dem Buch in der Hand verschlingen, werden von einer nationalen Schwärmerei getragen! Sie sind eben verrückt und rennen Kunst ihrem verrückten Volke zu Liebe. Ihre ganze Nation ist auf Staunen, Bewundern, Anstarren dressirt. Der kalte Deutsche dagegen hat rein gar Nichts als Schulbücher. Wären Sie freilich mit mir in Italien gewesen, sprach sie dann leiser, so würde ich vielleicht für Alles geschwärmt haben!

Ottomar, tiefergriffen von dem Blick in die Frauennatur, sah nur immer nach dem Forste hin.

Lassen Sie es ihn Alles hören! sagte Ada. Er ist ja Ihr Freund und er liebt Ihre Schwester! Sehen Sie, lieber Freund, wenn wir Frauen unglücklich lieben, so hängen wir die Flügel und sind matt, aber die Männer schienen sonst davon einen Schwung zu bekommen, wenigstens glaube ich, daß mein Professor der Literaturgeschichte weit mehr Dichter aufzählte, die nicht erhört wurden, als die erhört! Ich will einmal in der Stadt den Herrn Dieterici und meinen alten Professor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="67"/>
bekommen, und Ottomar entzog sich Allem! Ich kannte ja schon Alles! antwortete sie endlich laut. Die Originale zu sehen, nun das thut allerdings wohl. Aber wissen Sie, uns Frauen muß dergleichen in irgend einem Lichte aufgehen. Die Sache an sich interessirt uns nicht. Selbst die Engländerinnen, die Alles anstarren und mit dem Buch in der Hand verschlingen, werden von einer nationalen Schwärmerei getragen! Sie sind eben verrückt und rennen Kunst ihrem verrückten Volke zu Liebe. Ihre ganze Nation ist auf Staunen, Bewundern, Anstarren dressirt. Der kalte Deutsche dagegen hat rein gar Nichts als Schulbücher. Wären Sie freilich mit mir in Italien gewesen, sprach sie dann leiser, so würde ich vielleicht für Alles geschwärmt haben!</p>
        <p>Ottomar, tiefergriffen von dem Blick in die Frauennatur, sah nur immer nach dem Forste hin.</p>
        <p>Lassen Sie es ihn Alles hören! sagte Ada. Er ist ja Ihr Freund und er liebt Ihre Schwester! Sehen Sie, lieber Freund, wenn wir Frauen unglücklich lieben, so hängen wir die Flügel und sind matt, aber die Männer schienen sonst davon einen Schwung zu bekommen, wenigstens glaube ich, daß mein Professor der Literaturgeschichte weit mehr Dichter aufzählte, die nicht erhört wurden, als die erhört! Ich will einmal in der Stadt den Herrn Dieterici und meinen alten Professor
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0073] bekommen, und Ottomar entzog sich Allem! Ich kannte ja schon Alles! antwortete sie endlich laut. Die Originale zu sehen, nun das thut allerdings wohl. Aber wissen Sie, uns Frauen muß dergleichen in irgend einem Lichte aufgehen. Die Sache an sich interessirt uns nicht. Selbst die Engländerinnen, die Alles anstarren und mit dem Buch in der Hand verschlingen, werden von einer nationalen Schwärmerei getragen! Sie sind eben verrückt und rennen Kunst ihrem verrückten Volke zu Liebe. Ihre ganze Nation ist auf Staunen, Bewundern, Anstarren dressirt. Der kalte Deutsche dagegen hat rein gar Nichts als Schulbücher. Wären Sie freilich mit mir in Italien gewesen, sprach sie dann leiser, so würde ich vielleicht für Alles geschwärmt haben! Ottomar, tiefergriffen von dem Blick in die Frauennatur, sah nur immer nach dem Forste hin. Lassen Sie es ihn Alles hören! sagte Ada. Er ist ja Ihr Freund und er liebt Ihre Schwester! Sehen Sie, lieber Freund, wenn wir Frauen unglücklich lieben, so hängen wir die Flügel und sind matt, aber die Männer schienen sonst davon einen Schwung zu bekommen, wenigstens glaube ich, daß mein Professor der Literaturgeschichte weit mehr Dichter aufzählte, die nicht erhört wurden, als die erhört! Ich will einmal in der Stadt den Herrn Dieterici und meinen alten Professor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/73
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/73>, abgerufen am 23.11.2024.