Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Leben ist es vollends! Wer sagt uns denn, daß wir Kinder sind, denen Alles nach Wunsch geschenkt werden müsse? Das sind mönchische Ideen, die von Deinem Vater herstammen! sagte der Graf lachend und verlor sich in paradoxe Behauptungen: Pfarrer müßten erst Talent zum Schauspieler zeigen, ehe man sie anstellte, Diplomaten müßten den ganzen Charakter des Staates, den sie repräsentirten, wiedergeben. Er kam auf den Seecapitän Holl und meinte zuletzt: Martha könnte uns Allen helfen! Martha hat Talent, entscheidende Züge zu thun! Sie ist für Natur und Wahrheit! Jetzt ergab sich ein reizender Anblick. Die Gleichartigkeit des Weges hatte aufgehört. Ehe man in die bedeutendere Steigung des zu fällenden Waldstrichs kam, sah man eine Thalmulde, die mitten in den Bergen wellenförmige Wege, Häuser, eines höher als das andere, zur Anschauung brachte. Es war ein Gebirgsdorf, mit einer ebenfalls vom Pfarrer Merkus versehenen Kirche. Dabei breiteten sich fernhin am Rande des Horizontes die wohlgepflegten Landstriche aus. Wie man an einem stetig fortschreitenden weißen Wölkchen ersah, waren diese von einer Eisenbahn durchzogen. Leider hatte diese ihre Haltepunkte erst in bedeutender Entfernung. Die malerische Wirkung des Dorfes Pfahleck übertraf noch bei Weitem die Umgebung von Hochlinden. Leben ist es vollends! Wer sagt uns denn, daß wir Kinder sind, denen Alles nach Wunsch geschenkt werden müsse? Das sind mönchische Ideen, die von Deinem Vater herstammen! sagte der Graf lachend und verlor sich in paradoxe Behauptungen: Pfarrer müßten erst Talent zum Schauspieler zeigen, ehe man sie anstellte, Diplomaten müßten den ganzen Charakter des Staates, den sie repräsentirten, wiedergeben. Er kam auf den Seecapitän Holl und meinte zuletzt: Martha könnte uns Allen helfen! Martha hat Talent, entscheidende Züge zu thun! Sie ist für Natur und Wahrheit! Jetzt ergab sich ein reizender Anblick. Die Gleichartigkeit des Weges hatte aufgehört. Ehe man in die bedeutendere Steigung des zu fällenden Waldstrichs kam, sah man eine Thalmulde, die mitten in den Bergen wellenförmige Wege, Häuser, eines höher als das andere, zur Anschauung brachte. Es war ein Gebirgsdorf, mit einer ebenfalls vom Pfarrer Merkus versehenen Kirche. Dabei breiteten sich fernhin am Rande des Horizontes die wohlgepflegten Landstriche aus. Wie man an einem stetig fortschreitenden weißen Wölkchen ersah, waren diese von einer Eisenbahn durchzogen. Leider hatte diese ihre Haltepunkte erst in bedeutender Entfernung. Die malerische Wirkung des Dorfes Pfahleck übertraf noch bei Weitem die Umgebung von Hochlinden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="58"/> Leben ist es vollends! Wer sagt uns denn, daß wir Kinder sind, denen Alles nach Wunsch geschenkt werden müsse?</p> <p>Das sind mönchische Ideen, die von Deinem Vater herstammen! sagte der Graf lachend und verlor sich in paradoxe Behauptungen: Pfarrer müßten erst Talent zum Schauspieler zeigen, ehe man sie anstellte, Diplomaten müßten den ganzen Charakter des Staates, den sie repräsentirten, wiedergeben. Er kam auf den Seecapitän Holl und meinte zuletzt: Martha könnte uns Allen helfen! Martha hat Talent, entscheidende Züge zu thun! Sie ist für Natur und Wahrheit!</p> <p>Jetzt ergab sich ein reizender Anblick. Die Gleichartigkeit des Weges hatte aufgehört. Ehe man in die bedeutendere Steigung des zu fällenden Waldstrichs kam, sah man eine Thalmulde, die mitten in den Bergen wellenförmige Wege, Häuser, eines höher als das andere, zur Anschauung brachte. Es war ein Gebirgsdorf, mit einer ebenfalls vom Pfarrer Merkus versehenen Kirche. Dabei breiteten sich fernhin am Rande des Horizontes die wohlgepflegten Landstriche aus. Wie man an einem stetig fortschreitenden weißen Wölkchen ersah, waren diese von einer Eisenbahn durchzogen. Leider hatte diese ihre Haltepunkte erst in bedeutender Entfernung. Die malerische Wirkung des Dorfes Pfahleck übertraf noch bei Weitem die Umgebung von Hochlinden.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0064]
Leben ist es vollends! Wer sagt uns denn, daß wir Kinder sind, denen Alles nach Wunsch geschenkt werden müsse?
Das sind mönchische Ideen, die von Deinem Vater herstammen! sagte der Graf lachend und verlor sich in paradoxe Behauptungen: Pfarrer müßten erst Talent zum Schauspieler zeigen, ehe man sie anstellte, Diplomaten müßten den ganzen Charakter des Staates, den sie repräsentirten, wiedergeben. Er kam auf den Seecapitän Holl und meinte zuletzt: Martha könnte uns Allen helfen! Martha hat Talent, entscheidende Züge zu thun! Sie ist für Natur und Wahrheit!
Jetzt ergab sich ein reizender Anblick. Die Gleichartigkeit des Weges hatte aufgehört. Ehe man in die bedeutendere Steigung des zu fällenden Waldstrichs kam, sah man eine Thalmulde, die mitten in den Bergen wellenförmige Wege, Häuser, eines höher als das andere, zur Anschauung brachte. Es war ein Gebirgsdorf, mit einer ebenfalls vom Pfarrer Merkus versehenen Kirche. Dabei breiteten sich fernhin am Rande des Horizontes die wohlgepflegten Landstriche aus. Wie man an einem stetig fortschreitenden weißen Wölkchen ersah, waren diese von einer Eisenbahn durchzogen. Leider hatte diese ihre Haltepunkte erst in bedeutender Entfernung. Die malerische Wirkung des Dorfes Pfahleck übertraf noch bei Weitem die Umgebung von Hochlinden.
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