Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.das die ihr so widerstrebende Person ihrem Bruder gebracht haben sollte. Dann las sie, den Brief gegen das Kerzenlicht, das auf dem Nachttisch stand, gehalten, weiter: "Du weißt, ich dirigire die Rabe'sche Fabrik! Die Geschäfte gehen sehr, sehr schlecht! Das Gründungscapital war zu hoch gegriffen! Nicht die Zinsen kommen heraus! Die Actien fallen fürchterlich! Der Verwaltungsrath ist natürlich außer sich! Nun stand gar eine Generalversammlung bevor und eine allgemeine Absetzung der bisher maßgebenden Persönlichkeiten, ein Sturm bis zum erwarteten Aufgebot der Polizei. Rabe, an Händen und Füßen seit einiger Zeit gelähmt, an den Krankenstuhl gefesselt, wand sich wie ein Wurm vor Wuth und Verzweiflung. Baron Forbeck - sage aber um Gottes willen Nichts seinem Schwager, denn Beide stehen blank gegen einander und ich will keine Duelle veranlassen - drohte sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen. Baron Cohn von Cohnheim steckt schon so tief in den Rumäniern und Türken, daß er sich die Ohren zuhielt, als man ihn bat, einige flotte Einkäufe unserer Actien an der Börse zu veranstalten und dadurch etwas Animo hinein zu bringen. Alles stand auf dem Spiele. Da fuhr mir ein Gedanke: Edwina! durch die Seele. Ich hin zu ihr! Ein altes böses Weib, das sie seit einiger Zeit als das die ihr so widerstrebende Person ihrem Bruder gebracht haben sollte. Dann las sie, den Brief gegen das Kerzenlicht, das auf dem Nachttisch stand, gehalten, weiter: „Du weißt, ich dirigire die Rabe’sche Fabrik! Die Geschäfte gehen sehr, sehr schlecht! Das Gründungscapital war zu hoch gegriffen! Nicht die Zinsen kommen heraus! Die Actien fallen fürchterlich! Der Verwaltungsrath ist natürlich außer sich! Nun stand gar eine Generalversammlung bevor und eine allgemeine Absetzung der bisher maßgebenden Persönlichkeiten, ein Sturm bis zum erwarteten Aufgebot der Polizei. Rabe, an Händen und Füßen seit einiger Zeit gelähmt, an den Krankenstuhl gefesselt, wand sich wie ein Wurm vor Wuth und Verzweiflung. Baron Forbeck – sage aber um Gottes willen Nichts seinem Schwager, denn Beide stehen blank gegen einander und ich will keine Duelle veranlassen – drohte sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen. Baron Cohn von Cohnheim steckt schon so tief in den Rumäniern und Türken, daß er sich die Ohren zuhielt, als man ihn bat, einige flotte Einkäufe unserer Actien an der Börse zu veranstalten und dadurch etwas Animo hinein zu bringen. Alles stand auf dem Spiele. Da fuhr mir ein Gedanke: Edwina! durch die Seele. Ich hin zu ihr! Ein altes böses Weib, das sie seit einiger Zeit als <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0046" n="40"/> das die ihr so widerstrebende Person ihrem Bruder gebracht haben sollte. Dann las sie, den Brief gegen das Kerzenlicht, das auf dem Nachttisch stand, gehalten, weiter:</p> <p>„Du weißt, ich dirigire die Rabe’sche Fabrik! Die Geschäfte gehen sehr, sehr schlecht! Das Gründungscapital war zu hoch gegriffen! Nicht die Zinsen kommen heraus! Die Actien fallen fürchterlich! Der Verwaltungsrath ist natürlich außer sich! Nun stand gar eine Generalversammlung bevor und eine allgemeine Absetzung der bisher maßgebenden Persönlichkeiten, ein Sturm bis zum erwarteten Aufgebot der Polizei. Rabe, an Händen und Füßen seit einiger Zeit gelähmt, an den Krankenstuhl gefesselt, wand sich wie ein Wurm vor Wuth und Verzweiflung. Baron Forbeck – sage aber um Gottes willen Nichts seinem Schwager, denn Beide stehen blank gegen einander und ich will keine Duelle veranlassen – drohte sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen. Baron Cohn von Cohnheim steckt schon so tief in den Rumäniern und Türken, daß er sich die Ohren zuhielt, als man ihn bat, einige flotte Einkäufe unserer Actien an der Börse zu veranstalten und dadurch etwas Animo hinein zu bringen. Alles stand auf dem Spiele. Da fuhr mir ein Gedanke: Edwina! durch die Seele. Ich hin zu ihr! Ein altes böses Weib, das sie seit einiger Zeit als </p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0046]
das die ihr so widerstrebende Person ihrem Bruder gebracht haben sollte. Dann las sie, den Brief gegen das Kerzenlicht, das auf dem Nachttisch stand, gehalten, weiter:
„Du weißt, ich dirigire die Rabe’sche Fabrik! Die Geschäfte gehen sehr, sehr schlecht! Das Gründungscapital war zu hoch gegriffen! Nicht die Zinsen kommen heraus! Die Actien fallen fürchterlich! Der Verwaltungsrath ist natürlich außer sich! Nun stand gar eine Generalversammlung bevor und eine allgemeine Absetzung der bisher maßgebenden Persönlichkeiten, ein Sturm bis zum erwarteten Aufgebot der Polizei. Rabe, an Händen und Füßen seit einiger Zeit gelähmt, an den Krankenstuhl gefesselt, wand sich wie ein Wurm vor Wuth und Verzweiflung. Baron Forbeck – sage aber um Gottes willen Nichts seinem Schwager, denn Beide stehen blank gegen einander und ich will keine Duelle veranlassen – drohte sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen. Baron Cohn von Cohnheim steckt schon so tief in den Rumäniern und Türken, daß er sich die Ohren zuhielt, als man ihn bat, einige flotte Einkäufe unserer Actien an der Börse zu veranstalten und dadurch etwas Animo hinein zu bringen. Alles stand auf dem Spiele. Da fuhr mir ein Gedanke: Edwina! durch die Seele. Ich hin zu ihr! Ein altes böses Weib, das sie seit einiger Zeit als
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/46>, abgerufen am 17.02.2025. |