Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Sprechers ohne Gleichen. In dieser Weise redete er und schritt dabei auf und ab. Napoleon hatte dieselbe Art und wollte, daß Talma von ihm lernte. "Natürlich bin ich der Mann nicht, der halbe Verhältnisse duldet, las Martha weiter. Noch bin ich mit Edwina nicht durch die Ehe verbunden. Aber der Tag wird ehestens kommen. Sie hat mir Opfer gebracht, die nur eine sich beglückt fühlende Braut bringen kann. Die Brennicke ist abgethan. Fahre hin, Unsinn, auf Stelzen gehende sogenannte Poesie! Das einzige Gedicht vom Gerstenkorn von Robert Burns ist mir mehr werth als zwanzig Bände deutscher Lyrik! Epik ist mir vollends unerträglich. Unsere Zeit will keine Seekönige mehr mit goldenen Harfen, keine Minstrels, die mit Drachenjungfrauen durch die Lande ziehen! Wo soll man die Zeit hernehmen, sich mit solchen alten Tröstern zu beschäftigen? Mit Hülfe von Gesangs- und Freimaurervereinen betteln sich gewisse Sänger noch durch die Lande! Auch bei Fürsten, die sich in ihren kleinen Residenzen langweilen, mögt Ihr Euch anmelden, da Orden und Pensionen ersingen! Schiller und selbst Goethe sind mir ehrwürdige epheuumrankte Ruinen! Der erste Theil des Faust, göttlich, groß im Aufbäumen gegen die Räthsel der Welt! Im zweiten Theil erbärmlich, vermittelnd, verflachend, ausglättend durch Reue, ja sogar durch Begnadigung im Sprechers ohne Gleichen. In dieser Weise redete er und schritt dabei auf und ab. Napoleon hatte dieselbe Art und wollte, daß Talma von ihm lernte. „Natürlich bin ich der Mann nicht, der halbe Verhältnisse duldet, las Martha weiter. Noch bin ich mit Edwina nicht durch die Ehe verbunden. Aber der Tag wird ehestens kommen. Sie hat mir Opfer gebracht, die nur eine sich beglückt fühlende Braut bringen kann. Die Brennicke ist abgethan. Fahre hin, Unsinn, auf Stelzen gehende sogenannte Poesie! Das einzige Gedicht vom Gerstenkorn von Robert Burns ist mir mehr werth als zwanzig Bände deutscher Lyrik! Epik ist mir vollends unerträglich. Unsere Zeit will keine Seekönige mehr mit goldenen Harfen, keine Minstrels, die mit Drachenjungfrauen durch die Lande ziehen! Wo soll man die Zeit hernehmen, sich mit solchen alten Tröstern zu beschäftigen? Mit Hülfe von Gesangs- und Freimaurervereinen betteln sich gewisse Sänger noch durch die Lande! Auch bei Fürsten, die sich in ihren kleinen Residenzen langweilen, mögt Ihr Euch anmelden, da Orden und Pensionen ersingen! Schiller und selbst Goethe sind mir ehrwürdige epheuumrankte Ruinen! Der erste Theil des Faust, göttlich, groß im Aufbäumen gegen die Räthsel der Welt! Im zweiten Theil erbärmlich, vermittelnd, verflachend, ausglättend durch Reue, ja sogar durch Begnadigung im <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0043" n="37"/> Sprechers ohne Gleichen. In dieser Weise redete er und schritt dabei auf und ab. Napoleon hatte dieselbe Art und wollte, daß Talma von ihm lernte.</p> <p>„Natürlich bin ich der Mann nicht, der halbe Verhältnisse duldet, las Martha weiter. Noch bin ich mit Edwina nicht durch die Ehe verbunden. Aber der Tag wird ehestens kommen. Sie hat mir Opfer gebracht, die nur eine sich beglückt fühlende Braut bringen kann. Die Brennicke ist abgethan. Fahre hin, Unsinn, auf Stelzen gehende sogenannte Poesie! Das einzige Gedicht vom Gerstenkorn von Robert Burns ist mir mehr werth als zwanzig Bände deutscher Lyrik! Epik ist mir vollends unerträglich. Unsere Zeit will keine Seekönige mehr mit goldenen Harfen, keine Minstrels, die mit Drachenjungfrauen durch die Lande ziehen! Wo soll man die Zeit hernehmen, sich mit solchen alten Tröstern zu beschäftigen? Mit Hülfe von Gesangs- und Freimaurervereinen betteln sich gewisse Sänger noch durch die Lande! Auch bei Fürsten, die sich in ihren kleinen Residenzen langweilen, mögt Ihr Euch anmelden, da Orden und Pensionen ersingen! Schiller und selbst Goethe sind mir ehrwürdige epheuumrankte Ruinen! Der erste Theil des Faust, göttlich, groß im Aufbäumen gegen die Räthsel der Welt! Im zweiten Theil erbärmlich, vermittelnd, verflachend, ausglättend durch Reue, ja sogar durch Begnadigung im </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0043]
Sprechers ohne Gleichen. In dieser Weise redete er und schritt dabei auf und ab. Napoleon hatte dieselbe Art und wollte, daß Talma von ihm lernte.
„Natürlich bin ich der Mann nicht, der halbe Verhältnisse duldet, las Martha weiter. Noch bin ich mit Edwina nicht durch die Ehe verbunden. Aber der Tag wird ehestens kommen. Sie hat mir Opfer gebracht, die nur eine sich beglückt fühlende Braut bringen kann. Die Brennicke ist abgethan. Fahre hin, Unsinn, auf Stelzen gehende sogenannte Poesie! Das einzige Gedicht vom Gerstenkorn von Robert Burns ist mir mehr werth als zwanzig Bände deutscher Lyrik! Epik ist mir vollends unerträglich. Unsere Zeit will keine Seekönige mehr mit goldenen Harfen, keine Minstrels, die mit Drachenjungfrauen durch die Lande ziehen! Wo soll man die Zeit hernehmen, sich mit solchen alten Tröstern zu beschäftigen? Mit Hülfe von Gesangs- und Freimaurervereinen betteln sich gewisse Sänger noch durch die Lande! Auch bei Fürsten, die sich in ihren kleinen Residenzen langweilen, mögt Ihr Euch anmelden, da Orden und Pensionen ersingen! Schiller und selbst Goethe sind mir ehrwürdige epheuumrankte Ruinen! Der erste Theil des Faust, göttlich, groß im Aufbäumen gegen die Räthsel der Welt! Im zweiten Theil erbärmlich, vermittelnd, verflachend, ausglättend durch Reue, ja sogar durch Begnadigung im
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/43>, abgerufen am 02.03.2025. |