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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

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Welt mit ihrem strengen Urtheil -! Der zürnende Schatten des Onkels trat vor seine Seele und redete mit ihm -! Da stand das Schachbrett -! Sie hatte es aufbewahrt -! Eine Thräne trat in sein Auge. Einige schöngeformte Aschenbecher betrachtete er mit Wehmuth. Er kannte diese vollkommen. Sie hatten vor Jahren auf seines Onkels Schreibtisch gestanden.

Eine Weile hatte er so gewartet, auch seinem eigenen Leid nachgedacht, der Hoffnung, die er in der Natur und dem Leben der Fremde finden mußte, als plötzlich Lärm auf der Straße erscholl, ein Hier, Hier! ein bekanntes Zurück! der Polizeiwächter, ein Jammern von Frauenstimmen und endlich ein Schrei der alten Frau, die ihm die Wohnung geöffnet hatte.

Er hat's wahr gemacht! wehklagte die Matrone und hielt sich nicht mehr aufrecht. Frauen aus dem Volke, die schon heraufdrangen, mußten sie halten. Alles war außer sich.

Graf Udo sah, was gekommen. Man brachte eine Ohnmächtige oder wohl gar eine Leiche getragen. Außer sich trat der Erstarrte näher. Ein schönes weibliches Wesen - zerzaust - blutig - ja gewiß, es war todt. Edwina Marloff! So hieß die Besitzerin der Wohnung. Wiederbelebungsversuche machte ein von der Straße gekommener Arzt. Nichts wollte dieser von Aderöffnung wissen.

Welt mit ihrem strengen Urtheil –! Der zürnende Schatten des Onkels trat vor seine Seele und redete mit ihm –! Da stand das Schachbrett –! Sie hatte es aufbewahrt –! Eine Thräne trat in sein Auge. Einige schöngeformte Aschenbecher betrachtete er mit Wehmuth. Er kannte diese vollkommen. Sie hatten vor Jahren auf seines Onkels Schreibtisch gestanden.

Eine Weile hatte er so gewartet, auch seinem eigenen Leid nachgedacht, der Hoffnung, die er in der Natur und dem Leben der Fremde finden mußte, als plötzlich Lärm auf der Straße erscholl, ein Hier, Hier! ein bekanntes Zurück! der Polizeiwächter, ein Jammern von Frauenstimmen und endlich ein Schrei der alten Frau, die ihm die Wohnung geöffnet hatte.

Er hat’s wahr gemacht! wehklagte die Matrone und hielt sich nicht mehr aufrecht. Frauen aus dem Volke, die schon heraufdrangen, mußten sie halten. Alles war außer sich.

Graf Udo sah, was gekommen. Man brachte eine Ohnmächtige oder wohl gar eine Leiche getragen. Außer sich trat der Erstarrte näher. Ein schönes weibliches Wesen – zerzaust – blutig – ja gewiß, es war todt. Edwina Marloff! So hieß die Besitzerin der Wohnung. Wiederbelebungsversuche machte ein von der Straße gekommener Arzt. Nichts wollte dieser von Aderöffnung wissen.

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[289/0295] Welt mit ihrem strengen Urtheil –! Der zürnende Schatten des Onkels trat vor seine Seele und redete mit ihm –! Da stand das Schachbrett –! Sie hatte es aufbewahrt –! Eine Thräne trat in sein Auge. Einige schöngeformte Aschenbecher betrachtete er mit Wehmuth. Er kannte diese vollkommen. Sie hatten vor Jahren auf seines Onkels Schreibtisch gestanden. Eine Weile hatte er so gewartet, auch seinem eigenen Leid nachgedacht, der Hoffnung, die er in der Natur und dem Leben der Fremde finden mußte, als plötzlich Lärm auf der Straße erscholl, ein Hier, Hier! ein bekanntes Zurück! der Polizeiwächter, ein Jammern von Frauenstimmen und endlich ein Schrei der alten Frau, die ihm die Wohnung geöffnet hatte. Er hat’s wahr gemacht! wehklagte die Matrone und hielt sich nicht mehr aufrecht. Frauen aus dem Volke, die schon heraufdrangen, mußten sie halten. Alles war außer sich. Graf Udo sah, was gekommen. Man brachte eine Ohnmächtige oder wohl gar eine Leiche getragen. Außer sich trat der Erstarrte näher. Ein schönes weibliches Wesen – zerzaust – blutig – ja gewiß, es war todt. Edwina Marloff! So hieß die Besitzerin der Wohnung. Wiederbelebungsversuche machte ein von der Straße gekommener Arzt. Nichts wollte dieser von Aderöffnung wissen.

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/295>, abgerufen am 22.11.2024.