Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.seiner sparsamen einfachen Lebensweise nicht sammeln können. Und wie ein Verzweifelnder auf der Spitze eines Felsens steht, unter ihm die brausende Woge des Meeres tobt und er ermißt: Stürzest Du Dich hinab? Wagst Du den ungeheuren Sprung, der Dir das Entsetzen noch eine Terzie lang fühlbar machen wird -? so stand Edwina am Spiegel und warf dann einen Sammetmantel um, der schon einige Saisons mitgemacht hatte. Ihre edle Gestalt ließ sich nicht verdecken. Der Federhut saß unternehmend auf dem schnell wieder geordneten Haar. Ein weißer Schleier wurde über das Gesicht gezogen. Der Quast mit rother Schminke betupfte noch leicht die Wangen. Die Ungarin trug ein auffallend langschleppendes Seidenkleid mit weißen Spitzen, die ihre Bleiche wohl zumeist nur vom Mondlicht erwarten konnten. So gingen sie - auf die Straße. Die alte Großmutter rang die Hände. Inzwischen war Graf Udo auf dem Wege und tastete zuweilen auf die linke Brusttasche, wo sein Portefeuille nachholen wollte, was doch wohl von uns, wie er sagte, versäumt worden sei. Dann nahm er einen Wagen. La Rose immer mit. Dieser sollte warten. Ich wollte nur diese Hülfe noch bringen! sagte der Graf seiner sparsamen einfachen Lebensweise nicht sammeln können. Und wie ein Verzweifelnder auf der Spitze eines Felsens steht, unter ihm die brausende Woge des Meeres tobt und er ermißt: Stürzest Du Dich hinab? Wagst Du den ungeheuren Sprung, der Dir das Entsetzen noch eine Terzie lang fühlbar machen wird –? so stand Edwina am Spiegel und warf dann einen Sammetmantel um, der schon einige Saisons mitgemacht hatte. Ihre edle Gestalt ließ sich nicht verdecken. Der Federhut saß unternehmend auf dem schnell wieder geordneten Haar. Ein weißer Schleier wurde über das Gesicht gezogen. Der Quast mit rother Schminke betupfte noch leicht die Wangen. Die Ungarin trug ein auffallend langschleppendes Seidenkleid mit weißen Spitzen, die ihre Bleiche wohl zumeist nur vom Mondlicht erwarten konnten. So gingen sie – auf die Straße. Die alte Großmutter rang die Hände. Inzwischen war Graf Udo auf dem Wege und tastete zuweilen auf die linke Brusttasche, wo sein Portefeuille nachholen wollte, was doch wohl von uns, wie er sagte, versäumt worden sei. Dann nahm er einen Wagen. La Rose immer mit. Dieser sollte warten. Ich wollte nur diese Hülfe noch bringen! sagte der Graf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0293" n="287"/> seiner sparsamen einfachen Lebensweise nicht sammeln können.</p> <p>Und wie ein Verzweifelnder auf der Spitze eines Felsens steht, unter ihm die brausende Woge des Meeres tobt und er ermißt: Stürzest Du Dich hinab? Wagst Du den ungeheuren Sprung, der Dir das Entsetzen noch eine Terzie lang fühlbar machen wird –? so stand Edwina am Spiegel und warf dann einen Sammetmantel um, der schon einige Saisons mitgemacht hatte. Ihre edle Gestalt ließ sich nicht verdecken. Der Federhut saß unternehmend auf dem schnell wieder geordneten Haar. Ein weißer Schleier wurde über das Gesicht gezogen. Der Quast mit rother Schminke betupfte noch leicht die Wangen.</p> <p>Die Ungarin trug ein auffallend langschleppendes Seidenkleid mit weißen Spitzen, die ihre Bleiche wohl zumeist nur vom Mondlicht erwarten konnten.</p> <p>So gingen sie – auf die Straße. Die alte Großmutter rang die Hände.</p> <p>Inzwischen war Graf Udo auf dem Wege und tastete zuweilen auf die linke Brusttasche, wo sein Portefeuille nachholen wollte, was doch wohl von uns, wie er sagte, versäumt worden sei. Dann nahm er einen Wagen. La Rose immer mit. Dieser sollte warten. Ich wollte nur diese Hülfe noch bringen! sagte der Graf </p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0293]
seiner sparsamen einfachen Lebensweise nicht sammeln können.
Und wie ein Verzweifelnder auf der Spitze eines Felsens steht, unter ihm die brausende Woge des Meeres tobt und er ermißt: Stürzest Du Dich hinab? Wagst Du den ungeheuren Sprung, der Dir das Entsetzen noch eine Terzie lang fühlbar machen wird –? so stand Edwina am Spiegel und warf dann einen Sammetmantel um, der schon einige Saisons mitgemacht hatte. Ihre edle Gestalt ließ sich nicht verdecken. Der Federhut saß unternehmend auf dem schnell wieder geordneten Haar. Ein weißer Schleier wurde über das Gesicht gezogen. Der Quast mit rother Schminke betupfte noch leicht die Wangen.
Die Ungarin trug ein auffallend langschleppendes Seidenkleid mit weißen Spitzen, die ihre Bleiche wohl zumeist nur vom Mondlicht erwarten konnten.
So gingen sie – auf die Straße. Die alte Großmutter rang die Hände.
Inzwischen war Graf Udo auf dem Wege und tastete zuweilen auf die linke Brusttasche, wo sein Portefeuille nachholen wollte, was doch wohl von uns, wie er sagte, versäumt worden sei. Dann nahm er einen Wagen. La Rose immer mit. Dieser sollte warten. Ich wollte nur diese Hülfe noch bringen! sagte der Graf
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/293>, abgerufen am 16.02.2025. |