Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Welt, wie sie rennt und jagt, nicht allmäliges, klareres Bewußtsein überhaupt und selbst Gedanken - Gedanken der Mordlust, Erwürgenwollen der Ugarti mit beiden Händen . . . Kupplerin! hätte er hinausschreien mögen in die ganze Welt. Es ist Alles wahr! O Gott! So tobte es in ihm. Nichts half. Ja er schämte sich, daß er sich noch für Edwina bei Wolny hatte verbürgen, mit ihr großthun wollen. Nachdem doch schon lange seine Stellung bei ihr ganz untergraben war! Ihre Wohnung war auf seinen Rath vereinfacht, die Pfandverleiher hatten Alles weggenommen, was sonst die großen Räume füllte. Schon lange hatte er gefunden, daß auch er störte, auch er, wie er wohl wüthend schreien konnte, ein überflüssiges Möbel sei. Er sah Fremde aus Wien, aus Pest eingeführt, begegnete schönen Männern, in denen er in Civil gekleidete Offiziere erkannte. Sein Herz hätte ihm schon oft brechen mögen, wenn er Edwina suchte und sie nicht fand. Die Ugarti mit ihrer südlichen Gemüthlichkeit! Landsleute von ihr, die nicht Deutsch verstünden, hieß es! Immer ein Anderer von den hundert Zichys oder Esterhazys! Bildschön, muthig, wild, steinreich! Heute gekommen, morgen verschwunden! Das letzte gute Wort, das Raimund von Edwina vernommen, war, als sie über den Selbstmord des Justizraths Luzius weinte. Der Edle! Es war mein bester Freund! hatte Welt, wie sie rennt und jagt, nicht allmäliges, klareres Bewußtsein überhaupt und selbst Gedanken – Gedanken der Mordlust, Erwürgenwollen der Ugarti mit beiden Händen . . . Kupplerin! hätte er hinausschreien mögen in die ganze Welt. Es ist Alles wahr! O Gott! So tobte es in ihm. Nichts half. Ja er schämte sich, daß er sich noch für Edwina bei Wolny hatte verbürgen, mit ihr großthun wollen. Nachdem doch schon lange seine Stellung bei ihr ganz untergraben war! Ihre Wohnung war auf seinen Rath vereinfacht, die Pfandverleiher hatten Alles weggenommen, was sonst die großen Räume füllte. Schon lange hatte er gefunden, daß auch er störte, auch er, wie er wohl wüthend schreien konnte, ein überflüssiges Möbel sei. Er sah Fremde aus Wien, aus Pest eingeführt, begegnete schönen Männern, in denen er in Civil gekleidete Offiziere erkannte. Sein Herz hätte ihm schon oft brechen mögen, wenn er Edwina suchte und sie nicht fand. Die Ugarti mit ihrer südlichen Gemüthlichkeit! Landsleute von ihr, die nicht Deutsch verstünden, hieß es! Immer ein Anderer von den hundert Zichys oder Esterhazys! Bildschön, muthig, wild, steinreich! Heute gekommen, morgen verschwunden! Das letzte gute Wort, das Raimund von Edwina vernommen, war, als sie über den Selbstmord des Justizraths Luzius weinte. Der Edle! Es war mein bester Freund! hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0241" n="235"/> Welt, wie sie rennt und jagt, nicht allmäliges, klareres Bewußtsein überhaupt und selbst Gedanken – Gedanken der Mordlust, Erwürgenwollen der Ugarti mit beiden Händen . . . Kupplerin! hätte er hinausschreien mögen in die ganze Welt. Es ist Alles wahr! O Gott! So tobte es in ihm. Nichts half. Ja er schämte sich, daß er sich noch für Edwina bei Wolny hatte verbürgen, mit ihr großthun wollen. Nachdem doch schon lange seine Stellung bei ihr ganz untergraben war! Ihre Wohnung war auf seinen Rath vereinfacht, die Pfandverleiher hatten Alles weggenommen, was sonst die großen Räume füllte. Schon lange hatte er gefunden, daß auch er störte, auch er, wie er wohl wüthend schreien konnte, ein überflüssiges Möbel sei. Er sah Fremde aus Wien, aus Pest eingeführt, begegnete schönen Männern, in denen er in Civil gekleidete Offiziere erkannte. Sein Herz hätte ihm schon oft brechen mögen, wenn er Edwina suchte und sie nicht fand. Die Ugarti mit ihrer südlichen Gemüthlichkeit! Landsleute von ihr, die nicht Deutsch verstünden, hieß es! Immer ein Anderer von den hundert Zichys oder Esterhazys! Bildschön, muthig, wild, steinreich! Heute gekommen, morgen verschwunden! Das letzte gute Wort, das Raimund von Edwina vernommen, war, als sie über den Selbstmord des Justizraths Luzius weinte. Der Edle! Es war mein bester Freund! hatte </p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0241]
Welt, wie sie rennt und jagt, nicht allmäliges, klareres Bewußtsein überhaupt und selbst Gedanken – Gedanken der Mordlust, Erwürgenwollen der Ugarti mit beiden Händen . . . Kupplerin! hätte er hinausschreien mögen in die ganze Welt. Es ist Alles wahr! O Gott! So tobte es in ihm. Nichts half. Ja er schämte sich, daß er sich noch für Edwina bei Wolny hatte verbürgen, mit ihr großthun wollen. Nachdem doch schon lange seine Stellung bei ihr ganz untergraben war! Ihre Wohnung war auf seinen Rath vereinfacht, die Pfandverleiher hatten Alles weggenommen, was sonst die großen Räume füllte. Schon lange hatte er gefunden, daß auch er störte, auch er, wie er wohl wüthend schreien konnte, ein überflüssiges Möbel sei. Er sah Fremde aus Wien, aus Pest eingeführt, begegnete schönen Männern, in denen er in Civil gekleidete Offiziere erkannte. Sein Herz hätte ihm schon oft brechen mögen, wenn er Edwina suchte und sie nicht fand. Die Ugarti mit ihrer südlichen Gemüthlichkeit! Landsleute von ihr, die nicht Deutsch verstünden, hieß es! Immer ein Anderer von den hundert Zichys oder Esterhazys! Bildschön, muthig, wild, steinreich! Heute gekommen, morgen verschwunden! Das letzte gute Wort, das Raimund von Edwina vernommen, war, als sie über den Selbstmord des Justizraths Luzius weinte. Der Edle! Es war mein bester Freund! hatte
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