Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Vertheilung von Leid und Freude in der Welt weckte die Lust- und Unlustphilosophie des Tages zum Hervortreten. Ganz junge Männer offenbarten sich als Anhänger des Pessimismus. Ihr Herren, rief der Friese Omma. Ich begreife Euch nicht! Ihr sagt, es sei kein Glück in der Welt! Ich entgegne, man muß nur seine glücklichen Momente im Leben auszudehnen wissen! Muß sie festhalten! Sie wirklich genießen! Mit Bewußtsein! Da stürzt man Kelche voll Rosenwein hinunter, wie ein Glas Wasser! Am Glück, Ihr Herren, muß man nippen, Tropfen für Tropfen! Ja, wer jede Freude wie eine Alltäglichkeit hinnimmt, wie eine Blüthe, die rasch verwelkt und immer wiederkommt, sie mit Gleichgültigkeit betrachtet, dann ist das Leben schaal und nüchtern. Sehen Sie, fuhr der Baumeister in seiner frischen breiten Sprechweise fort, wenn ich einen Brief von einem Freund bekomme, so gleiche ich nicht den jungen Backfischen, die jeden Brief hastig aufreißen, den Inhalt hinunterstürzen und dann wieder dastehen in der Welt mit einem Was nun? Warum? Wieso? Ich lasse den Brief ruhig liegen, versetze mich durch den Poststempel in den Zusammenhang mit dem Verfasser, denke den schönen Rapport durch, in dem ich mit ihm stehe, und dann erst - manchmal erst nach Tisch bei einer Cigarre - lese ich ihn -! Vertheilung von Leid und Freude in der Welt weckte die Lust- und Unlustphilosophie des Tages zum Hervortreten. Ganz junge Männer offenbarten sich als Anhänger des Pessimismus. Ihr Herren, rief der Friese Omma. Ich begreife Euch nicht! Ihr sagt, es sei kein Glück in der Welt! Ich entgegne, man muß nur seine glücklichen Momente im Leben auszudehnen wissen! Muß sie festhalten! Sie wirklich genießen! Mit Bewußtsein! Da stürzt man Kelche voll Rosenwein hinunter, wie ein Glas Wasser! Am Glück, Ihr Herren, muß man nippen, Tropfen für Tropfen! Ja, wer jede Freude wie eine Alltäglichkeit hinnimmt, wie eine Blüthe, die rasch verwelkt und immer wiederkommt, sie mit Gleichgültigkeit betrachtet, dann ist das Leben schaal und nüchtern. Sehen Sie, fuhr der Baumeister in seiner frischen breiten Sprechweise fort, wenn ich einen Brief von einem Freund bekomme, so gleiche ich nicht den jungen Backfischen, die jeden Brief hastig aufreißen, den Inhalt hinunterstürzen und dann wieder dastehen in der Welt mit einem Was nun? Warum? Wieso? Ich lasse den Brief ruhig liegen, versetze mich durch den Poststempel in den Zusammenhang mit dem Verfasser, denke den schönen Rapport durch, in dem ich mit ihm stehe, und dann erst – manchmal erst nach Tisch bei einer Cigarre – lese ich ihn –! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="209"/> Vertheilung von Leid und Freude in der Welt weckte die Lust- und Unlustphilosophie des Tages zum Hervortreten. Ganz junge Männer offenbarten sich als Anhänger des Pessimismus.</p> <p>Ihr Herren, rief der Friese Omma. Ich begreife Euch nicht! Ihr sagt, es sei kein Glück in der Welt! Ich entgegne, man muß nur seine glücklichen Momente im Leben auszudehnen wissen! Muß sie festhalten! Sie wirklich genießen! Mit Bewußtsein! Da stürzt man Kelche voll Rosenwein hinunter, wie ein Glas Wasser! Am Glück, Ihr Herren, muß man nippen, Tropfen für Tropfen! Ja, wer jede Freude wie eine Alltäglichkeit hinnimmt, wie eine Blüthe, die rasch verwelkt und immer wiederkommt, sie mit Gleichgültigkeit betrachtet, dann ist das Leben schaal und nüchtern. Sehen Sie, fuhr der Baumeister in seiner frischen breiten Sprechweise fort, wenn ich einen Brief von einem Freund bekomme, so gleiche ich nicht den jungen Backfischen, die jeden Brief hastig aufreißen, den Inhalt hinunterstürzen und dann wieder dastehen in der Welt mit einem Was nun? Warum? Wieso? Ich lasse den Brief ruhig liegen, versetze mich durch den Poststempel in den Zusammenhang mit dem Verfasser, denke den schönen Rapport durch, in dem ich mit ihm stehe, und dann erst – manchmal erst nach Tisch bei einer Cigarre – lese ich ihn –!</p> </div> </body> </text> </TEI> [209/0215]
Vertheilung von Leid und Freude in der Welt weckte die Lust- und Unlustphilosophie des Tages zum Hervortreten. Ganz junge Männer offenbarten sich als Anhänger des Pessimismus.
Ihr Herren, rief der Friese Omma. Ich begreife Euch nicht! Ihr sagt, es sei kein Glück in der Welt! Ich entgegne, man muß nur seine glücklichen Momente im Leben auszudehnen wissen! Muß sie festhalten! Sie wirklich genießen! Mit Bewußtsein! Da stürzt man Kelche voll Rosenwein hinunter, wie ein Glas Wasser! Am Glück, Ihr Herren, muß man nippen, Tropfen für Tropfen! Ja, wer jede Freude wie eine Alltäglichkeit hinnimmt, wie eine Blüthe, die rasch verwelkt und immer wiederkommt, sie mit Gleichgültigkeit betrachtet, dann ist das Leben schaal und nüchtern. Sehen Sie, fuhr der Baumeister in seiner frischen breiten Sprechweise fort, wenn ich einen Brief von einem Freund bekomme, so gleiche ich nicht den jungen Backfischen, die jeden Brief hastig aufreißen, den Inhalt hinunterstürzen und dann wieder dastehen in der Welt mit einem Was nun? Warum? Wieso? Ich lasse den Brief ruhig liegen, versetze mich durch den Poststempel in den Zusammenhang mit dem Verfasser, denke den schönen Rapport durch, in dem ich mit ihm stehe, und dann erst – manchmal erst nach Tisch bei einer Cigarre – lese ich ihn –!
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