Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Aha? sagte Althing, halb sitzend, halb stehend. Ich dulde auf meinem Tische nur altbackne Waare! Die Erwählte hat ihn erwählt, er nicht sie! vermittelte auch Wolny. Aber er hat sie festgehalten, festhalten müssen mit feurigen Liebesarmen! Noch müssen sie über Dornen und Hindernisse, Gericht und Sühneversuch - Der Alte ließ vor Schmerz die Gabel fallen und schlug die Hände über'm Kopf zusammen. Alles noch alter Schutt, erklärte Schindler, wie er eben bei abgerissenen Häusern, wo sich neue Paläste erheben sollen, vorkommt. Im Vater erwachte ein Bild der Erinnerung an - die schöne Reiterin - an den holdseligen Gruß - das abgerissene Palais - das Ritzen am Kirschlorbeer - er legte den Kopf auf den Tisch. Sein ganzes Leben ging in diesem Augenblick an ihm vorüber, sein eignes Ringen und Streben. Dann erleichterte freilich die Erinnerung an die Werbung des Grafen Alles. Erstreckte sich auch die sittliche Anschauung des Alten in ganzer Ausdehnung bis an die Grenze des vielleicht nur poetisch Erlaubten - und nur problematischen "Warum denn nicht auch im Leben Durchgeführten?" - so schien doch das nun einmal Thatsächliche zu siegen. Ottomar sprang auf und umarmte den Vater, der zuletzt nur noch ton- und machtlos sprach: Du ruinirst Dir Ruf und Carriere! Aha? sagte Althing, halb sitzend, halb stehend. Ich dulde auf meinem Tische nur altbackne Waare! Die Erwählte hat ihn erwählt, er nicht sie! vermittelte auch Wolny. Aber er hat sie festgehalten, festhalten müssen mit feurigen Liebesarmen! Noch müssen sie über Dornen und Hindernisse, Gericht und Sühneversuch – Der Alte ließ vor Schmerz die Gabel fallen und schlug die Hände über’m Kopf zusammen. Alles noch alter Schutt, erklärte Schindler, wie er eben bei abgerissenen Häusern, wo sich neue Paläste erheben sollen, vorkommt. Im Vater erwachte ein Bild der Erinnerung an – die schöne Reiterin – an den holdseligen Gruß – das abgerissene Palais – das Ritzen am Kirschlorbeer – er legte den Kopf auf den Tisch. Sein ganzes Leben ging in diesem Augenblick an ihm vorüber, sein eignes Ringen und Streben. Dann erleichterte freilich die Erinnerung an die Werbung des Grafen Alles. Erstreckte sich auch die sittliche Anschauung des Alten in ganzer Ausdehnung bis an die Grenze des vielleicht nur poetisch Erlaubten – und nur problematischen „Warum denn nicht auch im Leben Durchgeführten?“ – so schien doch das nun einmal Thatsächliche zu siegen. Ottomar sprang auf und umarmte den Vater, der zuletzt nur noch ton- und machtlos sprach: Du ruinirst Dir Ruf und Carrière! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0206" n="200"/> <p> Aha? sagte Althing, halb sitzend, halb stehend. Ich dulde auf meinem Tische nur altbackne Waare!</p> <p>Die Erwählte hat ihn erwählt, er nicht sie! vermittelte auch Wolny. Aber er hat sie festgehalten, festhalten müssen mit feurigen Liebesarmen! Noch müssen sie über Dornen und Hindernisse, Gericht und Sühneversuch –</p> <p>Der Alte ließ vor Schmerz die Gabel fallen und schlug die Hände über’m Kopf zusammen.</p> <p>Alles noch alter Schutt, erklärte Schindler, wie er eben bei abgerissenen Häusern, wo sich neue Paläste erheben sollen, vorkommt.</p> <p>Im Vater erwachte ein Bild der Erinnerung an – die schöne Reiterin – an den holdseligen Gruß – das abgerissene Palais – das Ritzen am Kirschlorbeer – er legte den Kopf auf den Tisch. Sein ganzes Leben ging in diesem Augenblick an ihm vorüber, sein eignes Ringen und Streben. Dann erleichterte freilich die Erinnerung an die Werbung des Grafen Alles. Erstreckte sich auch die sittliche Anschauung des Alten in ganzer Ausdehnung bis an die Grenze des vielleicht nur poetisch Erlaubten – und nur problematischen „Warum denn nicht auch im Leben Durchgeführten?“ – so schien doch das nun einmal Thatsächliche zu siegen. Ottomar sprang auf und umarmte den Vater, der zuletzt nur noch ton- und machtlos sprach: Du ruinirst Dir Ruf und Carrière!</p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0206]
Aha? sagte Althing, halb sitzend, halb stehend. Ich dulde auf meinem Tische nur altbackne Waare!
Die Erwählte hat ihn erwählt, er nicht sie! vermittelte auch Wolny. Aber er hat sie festgehalten, festhalten müssen mit feurigen Liebesarmen! Noch müssen sie über Dornen und Hindernisse, Gericht und Sühneversuch –
Der Alte ließ vor Schmerz die Gabel fallen und schlug die Hände über’m Kopf zusammen.
Alles noch alter Schutt, erklärte Schindler, wie er eben bei abgerissenen Häusern, wo sich neue Paläste erheben sollen, vorkommt.
Im Vater erwachte ein Bild der Erinnerung an – die schöne Reiterin – an den holdseligen Gruß – das abgerissene Palais – das Ritzen am Kirschlorbeer – er legte den Kopf auf den Tisch. Sein ganzes Leben ging in diesem Augenblick an ihm vorüber, sein eignes Ringen und Streben. Dann erleichterte freilich die Erinnerung an die Werbung des Grafen Alles. Erstreckte sich auch die sittliche Anschauung des Alten in ganzer Ausdehnung bis an die Grenze des vielleicht nur poetisch Erlaubten – und nur problematischen „Warum denn nicht auch im Leben Durchgeführten?“ – so schien doch das nun einmal Thatsächliche zu siegen. Ottomar sprang auf und umarmte den Vater, der zuletzt nur noch ton- und machtlos sprach: Du ruinirst Dir Ruf und Carrière!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>)
(2014-02-19T11:57:26Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |