Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

weiße Oefen mit zierlichen Medaillons, schwellende Sophas und Rollstühle ringsum.

Wie gern wäre ich der gesunden Vernunft gefolgt! wehklagte Ottomar.

Nenne doch das Princip meines eingehaltenen Trauerjahres nicht correct! fiel der ältere Freund ein. Ich bin ein Pedant! Ja, ja! Ein Philologe! Nur Ehlerdt und seine Gesellschaft sollen das nicht sagen dürfen. Die sollen erst über den Strich der Pflicht schreiten, diese erfüllen und dann mögen sie den ungebundenen Genius leben lassen! Möglich, ich hätte Talent für unsern Ordensheiligen Serapion! Um ein Princip hätte ich diese und jene Kasteiung durchführen können! Um die erste glückliche Periode, die ich mit meiner dahingeschiedenen Gattin hatte, mochte ich diese nicht entweihen, nicht verschütten. Ist das nicht toll, ihr klugen Leute? Ich wollte einen Zeitabschnitt nicht sogleich einem neuen Glück opfern, nicht darnach lüstern gewesen erscheinen und nicht darum, daß ich mir sagte: Wer das Glück zu hastig genießt, stumpft sich gegen seinen Reiz ab, nein, wir müssen uns selbst allerlei Religion, allerlei Cultus schaffen, sonst sinkt der Mensch zum Vieh herab! Die Pfaffen leisten wahrhaftig zu wenig. Ein guter Schriftsteller kann jetzt mehr wirken, als ein ganzes Consistorium zusammengenommen!

weiße Oefen mit zierlichen Medaillons, schwellende Sophas und Rollstühle ringsum.

Wie gern wäre ich der gesunden Vernunft gefolgt! wehklagte Ottomar.

Nenne doch das Princip meines eingehaltenen Trauerjahres nicht correct! fiel der ältere Freund ein. Ich bin ein Pedant! Ja, ja! Ein Philologe! Nur Ehlerdt und seine Gesellschaft sollen das nicht sagen dürfen. Die sollen erst über den Strich der Pflicht schreiten, diese erfüllen und dann mögen sie den ungebundenen Genius leben lassen! Möglich, ich hätte Talent für unsern Ordensheiligen Serapion! Um ein Princip hätte ich diese und jene Kasteiung durchführen können! Um die erste glückliche Periode, die ich mit meiner dahingeschiedenen Gattin hatte, mochte ich diese nicht entweihen, nicht verschütten. Ist das nicht toll, ihr klugen Leute? Ich wollte einen Zeitabschnitt nicht sogleich einem neuen Glück opfern, nicht darnach lüstern gewesen erscheinen und nicht darum, daß ich mir sagte: Wer das Glück zu hastig genießt, stumpft sich gegen seinen Reiz ab, nein, wir müssen uns selbst allerlei Religion, allerlei Cultus schaffen, sonst sinkt der Mensch zum Vieh herab! Die Pfaffen leisten wahrhaftig zu wenig. Ein guter Schriftsteller kann jetzt mehr wirken, als ein ganzes Consistorium zusammengenommen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0190" n="184"/>
weiße Oefen mit zierlichen Medaillons, schwellende Sophas und Rollstühle ringsum.</p>
        <p>Wie gern wäre ich der gesunden Vernunft gefolgt! wehklagte Ottomar.</p>
        <p>Nenne doch das Princip meines eingehaltenen Trauerjahres nicht correct! fiel der ältere Freund ein. Ich bin ein Pedant! Ja, ja! Ein Philologe! Nur Ehlerdt und seine Gesellschaft sollen das nicht sagen dürfen. Die sollen erst über den Strich der Pflicht schreiten, diese erfüllen und dann mögen sie den ungebundenen Genius leben lassen! Möglich, ich hätte Talent für unsern Ordensheiligen Serapion! Um ein Princip hätte ich diese und jene Kasteiung durchführen können! Um die erste glückliche Periode, die ich mit meiner dahingeschiedenen Gattin hatte, mochte ich diese nicht entweihen, nicht verschütten. Ist das nicht toll, ihr klugen Leute? Ich wollte einen Zeitabschnitt nicht sogleich einem neuen Glück opfern, nicht darnach lüstern gewesen erscheinen und nicht darum, daß ich mir sagte: Wer das Glück zu hastig genießt, stumpft sich gegen seinen Reiz ab, nein, wir müssen uns selbst allerlei Religion, allerlei Cultus schaffen, sonst sinkt der Mensch zum Vieh herab! Die Pfaffen leisten wahrhaftig zu wenig. Ein guter Schriftsteller kann jetzt mehr wirken, als ein ganzes Consistorium zusammengenommen!</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0190] weiße Oefen mit zierlichen Medaillons, schwellende Sophas und Rollstühle ringsum. Wie gern wäre ich der gesunden Vernunft gefolgt! wehklagte Ottomar. Nenne doch das Princip meines eingehaltenen Trauerjahres nicht correct! fiel der ältere Freund ein. Ich bin ein Pedant! Ja, ja! Ein Philologe! Nur Ehlerdt und seine Gesellschaft sollen das nicht sagen dürfen. Die sollen erst über den Strich der Pflicht schreiten, diese erfüllen und dann mögen sie den ungebundenen Genius leben lassen! Möglich, ich hätte Talent für unsern Ordensheiligen Serapion! Um ein Princip hätte ich diese und jene Kasteiung durchführen können! Um die erste glückliche Periode, die ich mit meiner dahingeschiedenen Gattin hatte, mochte ich diese nicht entweihen, nicht verschütten. Ist das nicht toll, ihr klugen Leute? Ich wollte einen Zeitabschnitt nicht sogleich einem neuen Glück opfern, nicht darnach lüstern gewesen erscheinen und nicht darum, daß ich mir sagte: Wer das Glück zu hastig genießt, stumpft sich gegen seinen Reiz ab, nein, wir müssen uns selbst allerlei Religion, allerlei Cultus schaffen, sonst sinkt der Mensch zum Vieh herab! Die Pfaffen leisten wahrhaftig zu wenig. Ein guter Schriftsteller kann jetzt mehr wirken, als ein ganzes Consistorium zusammengenommen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/190
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/190>, abgerufen am 24.11.2024.