Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.schwärmte für diese "Quadrille", wie sie es nannte, sie schwärmte, behauptete sie, für Helenen und hätte gern die Wünsche des Grafen gefördert. Eifersucht läge ihr ferne. Auch heute, wo sie den entscheidenden Schritt für's Leben zu thun gedachte, wo sie Ottomars Schweigen nicht mehr ertragen zu können zeigen wollte, ihn selbst auf Sein oder Nichtsein mit ihrer Erklärung vielleicht zur Verzweiflung brachte, merkte ihr Spürsinn, daß der Graf eine tiefdüstre, fast kranke Physiognomie zeigte, schon den ganzen Tag über; sein Laufen im Park, sein Verweilen im Zimmer, die Annahme des Bruders sprachen dafür. Sie dachte: Der Arme hat Malheur mit Helenen! Könnte ihn doch etwas zerstreuen! Ihres Mannes Thermometer war La Rose. Ließ dieser die Flügel hängen, so stand etwas beim Grafen unter Null. Lachte der Franzose, so war Alles nach Wunsch und in der Ordnung. Schon um vier Uhr hatte der Franzose geklopft und in französischer Sprache berichtet: Die Theaterlogenbillets seien da! Der Graf hatte auf eine Opernloge für einige Tage in der Woche abonnirt. Heut grade war sein Tag. Der Mann im schwarzen Frack, der in Lissabon Frau und Kinder wohlgeborgen wußte - "das große Erdbeben wird doch der gütige Herrgott nicht zu erneuern die Absicht haben" -! konnte er gelegentlich äußern - schwärmte für diese „Quadrille“, wie sie es nannte, sie schwärmte, behauptete sie, für Helenen und hätte gern die Wünsche des Grafen gefördert. Eifersucht läge ihr ferne. Auch heute, wo sie den entscheidenden Schritt für’s Leben zu thun gedachte, wo sie Ottomars Schweigen nicht mehr ertragen zu können zeigen wollte, ihn selbst auf Sein oder Nichtsein mit ihrer Erklärung vielleicht zur Verzweiflung brachte, merkte ihr Spürsinn, daß der Graf eine tiefdüstre, fast kranke Physiognomie zeigte, schon den ganzen Tag über; sein Laufen im Park, sein Verweilen im Zimmer, die Annahme des Bruders sprachen dafür. Sie dachte: Der Arme hat Malheur mit Helenen! Könnte ihn doch etwas zerstreuen! Ihres Mannes Thermometer war La Rose. Ließ dieser die Flügel hängen, so stand etwas beim Grafen unter Null. Lachte der Franzose, so war Alles nach Wunsch und in der Ordnung. Schon um vier Uhr hatte der Franzose geklopft und in französischer Sprache berichtet: Die Theaterlogenbillets seien da! Der Graf hatte auf eine Opernloge für einige Tage in der Woche abonnirt. Heut grade war sein Tag. Der Mann im schwarzen Frack, der in Lissabon Frau und Kinder wohlgeborgen wußte – „das große Erdbeben wird doch der gütige Herrgott nicht zu erneuern die Absicht haben“ –! konnte er gelegentlich äußern – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0172" n="166"/> schwärmte für diese „Quadrille“, wie sie es nannte, sie schwärmte, behauptete sie, für Helenen und hätte gern die Wünsche des Grafen gefördert. Eifersucht läge ihr ferne. Auch heute, wo sie den entscheidenden Schritt für’s Leben zu thun gedachte, wo sie Ottomars Schweigen nicht mehr ertragen zu können zeigen wollte, ihn selbst auf Sein oder Nichtsein mit ihrer Erklärung vielleicht zur Verzweiflung brachte, merkte ihr Spürsinn, daß der Graf eine tiefdüstre, fast kranke Physiognomie zeigte, schon den ganzen Tag über; sein Laufen im Park, sein Verweilen im Zimmer, die Annahme des Bruders sprachen dafür. Sie dachte: Der Arme hat Malheur mit Helenen! Könnte ihn doch etwas zerstreuen!</p> <p>Ihres Mannes Thermometer war La Rose. Ließ dieser die Flügel hängen, so stand etwas beim Grafen unter Null. Lachte der Franzose, so war Alles nach Wunsch und in der Ordnung.</p> <p>Schon um vier Uhr hatte der Franzose geklopft und in französischer Sprache berichtet: Die Theaterlogenbillets seien da! Der Graf hatte auf eine Opernloge für einige Tage in der Woche abonnirt. Heut grade war sein Tag.</p> <p>Der Mann im schwarzen Frack, der in Lissabon Frau und Kinder wohlgeborgen wußte – „das große Erdbeben wird doch der gütige Herrgott nicht zu erneuern die Absicht haben“ –! konnte er gelegentlich äußern – </p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0172]
schwärmte für diese „Quadrille“, wie sie es nannte, sie schwärmte, behauptete sie, für Helenen und hätte gern die Wünsche des Grafen gefördert. Eifersucht läge ihr ferne. Auch heute, wo sie den entscheidenden Schritt für’s Leben zu thun gedachte, wo sie Ottomars Schweigen nicht mehr ertragen zu können zeigen wollte, ihn selbst auf Sein oder Nichtsein mit ihrer Erklärung vielleicht zur Verzweiflung brachte, merkte ihr Spürsinn, daß der Graf eine tiefdüstre, fast kranke Physiognomie zeigte, schon den ganzen Tag über; sein Laufen im Park, sein Verweilen im Zimmer, die Annahme des Bruders sprachen dafür. Sie dachte: Der Arme hat Malheur mit Helenen! Könnte ihn doch etwas zerstreuen!
Ihres Mannes Thermometer war La Rose. Ließ dieser die Flügel hängen, so stand etwas beim Grafen unter Null. Lachte der Franzose, so war Alles nach Wunsch und in der Ordnung.
Schon um vier Uhr hatte der Franzose geklopft und in französischer Sprache berichtet: Die Theaterlogenbillets seien da! Der Graf hatte auf eine Opernloge für einige Tage in der Woche abonnirt. Heut grade war sein Tag.
Der Mann im schwarzen Frack, der in Lissabon Frau und Kinder wohlgeborgen wußte – „das große Erdbeben wird doch der gütige Herrgott nicht zu erneuern die Absicht haben“ –! konnte er gelegentlich äußern –
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