Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.habt ihr gezählt, die ich zurückstellte! Er murmelte: Was haben mir die Forbeck'schen Schulden zu schaffen gemacht! Weil ich die Forbecks nicht zur Thür hinausgeworfen, wenn sie mich um Geld anbettelten und weil ich Ottomar zum Vermittler in Dingen brauchte, wo ich selbst hätte eingreifen, selbst vielleicht handeln sollen - freilich es nicht wagte - darum bin ich Euch - schlaff, feige? Nicht wagte -! Das war's! Er hatte sich vor jeder Annäherung an Edwina gefürchtet. Helene hat diesen Brief nicht inspirirt! rief er laut und ging die Reihe seiner seitherigen Handlungen und Erfahrungen, soweit diese Helenen bekannt sein konnten, durch und vertheidigte sich vor sich selbst. Dann zog er eine Anzahl photographischer Abbildungen des geliebten Mädchens aus der Brusttasche, analysirte wieder die einzelnen Züge ihrer Anmuth und versank in Trübsinn, bis La Rose kam und ihn an dämonische Mächte des Verhängnisses erinnerte, die wie Gespenster dicht neben ihm standen, Standesrücksichten, Besuche, Haltung vor der Welt, vor den Dienstboten. Der Einzige, der ihn hätte aufrichten können, der ihm die Sprache der Zeit, die so Vieles und vielleicht zu Vieles zu vergessen lehrt, hätte reden können, der Einzige, der sich schon vor Jahren so treuherzig in Bonn an seinem Krankenbett bewährte, Ottomar Althing, floh vor ihm, weil er vor seinem habt ihr gezählt, die ich zurückstellte! Er murmelte: Was haben mir die Forbeck’schen Schulden zu schaffen gemacht! Weil ich die Forbecks nicht zur Thür hinausgeworfen, wenn sie mich um Geld anbettelten und weil ich Ottomar zum Vermittler in Dingen brauchte, wo ich selbst hätte eingreifen, selbst vielleicht handeln sollen – freilich es nicht wagte – darum bin ich Euch – schlaff, feige? Nicht wagte –! Das war’s! Er hatte sich vor jeder Annäherung an Edwina gefürchtet. Helene hat diesen Brief nicht inspirirt! rief er laut und ging die Reihe seiner seitherigen Handlungen und Erfahrungen, soweit diese Helenen bekannt sein konnten, durch und vertheidigte sich vor sich selbst. Dann zog er eine Anzahl photographischer Abbildungen des geliebten Mädchens aus der Brusttasche, analysirte wieder die einzelnen Züge ihrer Anmuth und versank in Trübsinn, bis La Rose kam und ihn an dämonische Mächte des Verhängnisses erinnerte, die wie Gespenster dicht neben ihm standen, Standesrücksichten, Besuche, Haltung vor der Welt, vor den Dienstboten. Der Einzige, der ihn hätte aufrichten können, der ihm die Sprache der Zeit, die so Vieles und vielleicht zu Vieles zu vergessen lehrt, hätte reden können, der Einzige, der sich schon vor Jahren so treuherzig in Bonn an seinem Krankenbett bewährte, Ottomar Althing, floh vor ihm, weil er vor seinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0147" n="141"/> habt ihr gezählt, die ich zurückstellte! Er murmelte: Was haben mir die Forbeck’schen Schulden zu schaffen gemacht! Weil ich die Forbecks nicht zur Thür hinausgeworfen, wenn sie mich um Geld anbettelten und weil ich Ottomar zum Vermittler in Dingen brauchte, wo ich selbst hätte eingreifen, selbst vielleicht handeln sollen – freilich es nicht wagte – darum bin ich Euch – schlaff, feige? Nicht wagte –! Das war’s! Er hatte sich vor jeder Annäherung an Edwina gefürchtet.</p> <p>Helene hat diesen Brief nicht inspirirt! rief er laut und ging die Reihe seiner seitherigen Handlungen und Erfahrungen, soweit diese Helenen bekannt sein konnten, durch und vertheidigte sich vor sich selbst. Dann zog er eine Anzahl photographischer Abbildungen des geliebten Mädchens aus der Brusttasche, analysirte wieder die einzelnen Züge ihrer Anmuth und versank in Trübsinn, bis La Rose kam und ihn an dämonische Mächte des Verhängnisses erinnerte, die wie Gespenster dicht neben ihm standen, Standesrücksichten, Besuche, Haltung vor der Welt, vor den Dienstboten. Der Einzige, der ihn hätte aufrichten können, der ihm die Sprache der Zeit, die so Vieles und vielleicht zu Vieles zu vergessen lehrt, hätte reden können, der Einzige, der sich schon vor Jahren so treuherzig in Bonn an seinem Krankenbett bewährte, Ottomar Althing, floh vor ihm, weil er vor seinem </p> </div> </body> </text> </TEI> [141/0147]
habt ihr gezählt, die ich zurückstellte! Er murmelte: Was haben mir die Forbeck’schen Schulden zu schaffen gemacht! Weil ich die Forbecks nicht zur Thür hinausgeworfen, wenn sie mich um Geld anbettelten und weil ich Ottomar zum Vermittler in Dingen brauchte, wo ich selbst hätte eingreifen, selbst vielleicht handeln sollen – freilich es nicht wagte – darum bin ich Euch – schlaff, feige? Nicht wagte –! Das war’s! Er hatte sich vor jeder Annäherung an Edwina gefürchtet.
Helene hat diesen Brief nicht inspirirt! rief er laut und ging die Reihe seiner seitherigen Handlungen und Erfahrungen, soweit diese Helenen bekannt sein konnten, durch und vertheidigte sich vor sich selbst. Dann zog er eine Anzahl photographischer Abbildungen des geliebten Mädchens aus der Brusttasche, analysirte wieder die einzelnen Züge ihrer Anmuth und versank in Trübsinn, bis La Rose kam und ihn an dämonische Mächte des Verhängnisses erinnerte, die wie Gespenster dicht neben ihm standen, Standesrücksichten, Besuche, Haltung vor der Welt, vor den Dienstboten. Der Einzige, der ihn hätte aufrichten können, der ihm die Sprache der Zeit, die so Vieles und vielleicht zu Vieles zu vergessen lehrt, hätte reden können, der Einzige, der sich schon vor Jahren so treuherzig in Bonn an seinem Krankenbett bewährte, Ottomar Althing, floh vor ihm, weil er vor seinem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>)
(2014-02-19T11:57:26Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |