Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.über das Belachen des Ankers. Sie hatte doch etwas von einem so bedeutenden Legate, wie 30,000 Thaler immerhin sind, manchmal munkeln hören. Sie hatte ein gewisses Geheimthun in der Rentenkammer beobachtet! Es wollte ihr nicht aus dem Kopfe, dies hämische Lachen des Pfarrers über die Beständigkeit. Sie suchte sich zu zerstreuen. Sie durchwandelte den Garten, schnitt selbst die Trauben ab, die man schnell retten mußte, ehe sie noch obenein die Spatzen verzehrten. Abends nahm sie alte Briefe vor. Der Kampf mit ihrer Familie stand ihr in grellen Zügen vor Augen. Sie vermied den Pastor, da sie der Mann so aufgeregt hatte. Sah sie ihn irgendwo in der Gegend kommen, so machte sie, wenn sie konnte, einen Umweg. Sie lud ihn nicht ein. Er haßte meinen Wilhelm immer! sagte sie sich. Das weiß ich ja! Sie erinnerte sich eines Streites bei Tisch, wo ihr geliebter Seliger zu Merkus gesagt hatte: Aber was wollen Sie denn mit diesen furchtbaren Strafen und Mahnreden des Apostels Paulus an die einzelnen Gemeinden! Wie erlauben denn diese noch eine Anwendung auf unsere jetzige Zeit! Bedenken Sie doch nur, daß jene Gemeinden sich aus ganz andern Lebensanschauungen entwickelten, aus dem grauenhaften Cultus der Diana zu Ephesus, aus den scheußlichen Opferdiensten, aus den Gräueln der Mysterien und einer antiken Lebensanschauung überhaupt, über das Belachen des Ankers. Sie hatte doch etwas von einem so bedeutenden Legate, wie 30,000 Thaler immerhin sind, manchmal munkeln hören. Sie hatte ein gewisses Geheimthun in der Rentenkammer beobachtet! Es wollte ihr nicht aus dem Kopfe, dies hämische Lachen des Pfarrers über die Beständigkeit. Sie suchte sich zu zerstreuen. Sie durchwandelte den Garten, schnitt selbst die Trauben ab, die man schnell retten mußte, ehe sie noch obenein die Spatzen verzehrten. Abends nahm sie alte Briefe vor. Der Kampf mit ihrer Familie stand ihr in grellen Zügen vor Augen. Sie vermied den Pastor, da sie der Mann so aufgeregt hatte. Sah sie ihn irgendwo in der Gegend kommen, so machte sie, wenn sie konnte, einen Umweg. Sie lud ihn nicht ein. Er haßte meinen Wilhelm immer! sagte sie sich. Das weiß ich ja! Sie erinnerte sich eines Streites bei Tisch, wo ihr geliebter Seliger zu Merkus gesagt hatte: Aber was wollen Sie denn mit diesen furchtbaren Strafen und Mahnreden des Apostels Paulus an die einzelnen Gemeinden! Wie erlauben denn diese noch eine Anwendung auf unsere jetzige Zeit! Bedenken Sie doch nur, daß jene Gemeinden sich aus ganz andern Lebensanschauungen entwickelten, aus dem grauenhaften Cultus der Diana zu Ephesus, aus den scheußlichen Opferdiensten, aus den Gräueln der Mysterien und einer antiken Lebensanschauung überhaupt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="99"/> über das Belachen des Ankers. Sie hatte doch etwas von einem so bedeutenden Legate, wie 30,000 Thaler immerhin sind, manchmal munkeln hören. Sie hatte ein gewisses Geheimthun in der Rentenkammer beobachtet! Es wollte ihr nicht aus dem Kopfe, dies hämische Lachen des Pfarrers über die Beständigkeit. Sie suchte sich zu zerstreuen. Sie durchwandelte den Garten, schnitt selbst die Trauben ab, die man schnell retten mußte, ehe sie noch obenein die Spatzen verzehrten. Abends nahm sie alte Briefe vor. Der Kampf mit ihrer Familie stand ihr in grellen Zügen vor Augen. Sie vermied den Pastor, da sie der Mann so aufgeregt hatte. Sah sie ihn irgendwo in der Gegend kommen, so machte sie, wenn sie konnte, einen Umweg. Sie lud ihn nicht ein. Er haßte meinen Wilhelm immer! sagte sie sich. Das weiß ich ja! Sie erinnerte sich eines Streites bei Tisch, wo ihr geliebter Seliger zu Merkus gesagt hatte: Aber was wollen Sie denn mit diesen furchtbaren Strafen und Mahnreden des Apostels Paulus an die einzelnen Gemeinden! Wie erlauben denn diese noch eine Anwendung auf unsere jetzige Zeit! Bedenken Sie doch nur, daß jene Gemeinden sich aus ganz andern Lebensanschauungen entwickelten, aus dem grauenhaften Cultus der Diana zu Ephesus, aus den scheußlichen Opferdiensten, aus den Gräueln der Mysterien und einer antiken Lebensanschauung überhaupt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0105]
über das Belachen des Ankers. Sie hatte doch etwas von einem so bedeutenden Legate, wie 30,000 Thaler immerhin sind, manchmal munkeln hören. Sie hatte ein gewisses Geheimthun in der Rentenkammer beobachtet! Es wollte ihr nicht aus dem Kopfe, dies hämische Lachen des Pfarrers über die Beständigkeit. Sie suchte sich zu zerstreuen. Sie durchwandelte den Garten, schnitt selbst die Trauben ab, die man schnell retten mußte, ehe sie noch obenein die Spatzen verzehrten. Abends nahm sie alte Briefe vor. Der Kampf mit ihrer Familie stand ihr in grellen Zügen vor Augen. Sie vermied den Pastor, da sie der Mann so aufgeregt hatte. Sah sie ihn irgendwo in der Gegend kommen, so machte sie, wenn sie konnte, einen Umweg. Sie lud ihn nicht ein. Er haßte meinen Wilhelm immer! sagte sie sich. Das weiß ich ja! Sie erinnerte sich eines Streites bei Tisch, wo ihr geliebter Seliger zu Merkus gesagt hatte: Aber was wollen Sie denn mit diesen furchtbaren Strafen und Mahnreden des Apostels Paulus an die einzelnen Gemeinden! Wie erlauben denn diese noch eine Anwendung auf unsere jetzige Zeit! Bedenken Sie doch nur, daß jene Gemeinden sich aus ganz andern Lebensanschauungen entwickelten, aus dem grauenhaften Cultus der Diana zu Ephesus, aus den scheußlichen Opferdiensten, aus den Gräueln der Mysterien und einer antiken Lebensanschauung überhaupt,
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