Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.spottet, angelte der Fürst um Halt nach unten. Ein Prinz des Hofes sollte ihm den Namen "Narziß", aus "Narr" und "Ziska" gebildet, gegeben haben, ein andrer behauptete, aus dem Tonzeichen "Cis" und "Narr". Soviel stand fest, weichlicher war nie ein Mann, der sich in eine Husaren-Uniform verirrt hatte. Die Musik hatte ihn so erschlafft, wie Musik nach der Meinung der Alten ganze Völker erschlaffen kann, wenn sie so getrieben wird, wie kürzlich in Bayreuth. Fürst Rauden bewohnte ein prächtiges Palais. Dort wimmerte und jammerte er den ganzen Tag auf dem Clavier nach irgend einem vor ihm aufgeschlagenen Buche oder Manuscripte. Ein Contrapunktist, ein armer Teufel, der sich leider nur etwa bis vier Uhr Nachmittags gegen die dann zu mächtig anziehende Gewalt des Alkohols zu behaupten vermochte - nennen wir ihn einfach Meyer - brachte diese schwachen Motive, Melismen, Ausweichungen aus einer Tonart in die andere, kurz eine höhere Katzenmusik, in eine gesetzmäßige Form. Diese Persönlichkeit, schlank, wohlfrisirt, immer mit einem Stern am Frack, kam jeden Abend zur Brennicke. Die Regierungsräthin wurde grade dieses immerhin reichen und hochgestellten Dilettanten wegen umschmeichelt und umworben. Aber - von Prinz Narziß selbst war Nichts zu beziehen! Er besang Edwina in schmelzenden spottet, angelte der Fürst um Halt nach unten. Ein Prinz des Hofes sollte ihm den Namen „Narziß“, aus „Narr“ und „Ziska“ gebildet, gegeben haben, ein andrer behauptete, aus dem Tonzeichen „Cis“ und „Narr“. Soviel stand fest, weichlicher war nie ein Mann, der sich in eine Husaren-Uniform verirrt hatte. Die Musik hatte ihn so erschlafft, wie Musik nach der Meinung der Alten ganze Völker erschlaffen kann, wenn sie so getrieben wird, wie kürzlich in Bayreuth. Fürst Rauden bewohnte ein prächtiges Palais. Dort wimmerte und jammerte er den ganzen Tag auf dem Clavier nach irgend einem vor ihm aufgeschlagenen Buche oder Manuscripte. Ein Contrapunktist, ein armer Teufel, der sich leider nur etwa bis vier Uhr Nachmittags gegen die dann zu mächtig anziehende Gewalt des Alkohols zu behaupten vermochte – nennen wir ihn einfach Meyer – brachte diese schwachen Motive, Melismen, Ausweichungen aus einer Tonart in die andere, kurz eine höhere Katzenmusik, in eine gesetzmäßige Form. Diese Persönlichkeit, schlank, wohlfrisirt, immer mit einem Stern am Frack, kam jeden Abend zur Brennicke. Die Regierungsräthin wurde grade dieses immerhin reichen und hochgestellten Dilettanten wegen umschmeichelt und umworben. Aber – von Prinz Narziß selbst war Nichts zu beziehen! Er besang Edwina in schmelzenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="87"/> spottet, angelte der Fürst um Halt nach unten. Ein Prinz des Hofes sollte ihm den Namen „Narziß“, aus „Narr“ und „Ziska“ gebildet, gegeben haben, ein andrer behauptete, aus dem Tonzeichen „Cis“ und „Narr“. Soviel stand fest, weichlicher war nie ein Mann, der sich in eine Husaren-Uniform verirrt hatte. <ref xml:id="TEXTDieMusikBISBayreuth" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLDieMusikBISBayreuth">Die Musik hatte ihn so erschlafft, wie Musik nach der Meinung der Alten ganze Völker erschlaffen kann, wenn sie so getrieben wird, wie kürzlich in Bayreuth</ref>. Fürst Rauden bewohnte ein prächtiges Palais. Dort wimmerte und jammerte er den ganzen Tag auf dem Clavier nach irgend einem vor ihm aufgeschlagenen Buche oder Manuscripte. Ein <ref xml:id="TEXTContrapunctist" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLContrapunctist">Contrapunktist</ref>, ein armer Teufel, der sich leider nur etwa bis vier Uhr Nachmittags gegen die dann zu mächtig anziehende Gewalt des Alkohols zu behaupten vermochte – nennen wir ihn einfach Meyer – brachte diese schwachen Motive, <ref xml:id="TEXTMelismen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLMelismen">Melismen</ref>, Ausweichungen aus einer Tonart in die andere, kurz eine höhere Katzenmusik, in eine gesetzmäßige Form.</p> <p>Diese Persönlichkeit, schlank, wohlfrisirt, immer mit einem Stern am Frack, kam jeden Abend zur Brennicke. Die Regierungsräthin wurde grade dieses immerhin reichen und hochgestellten Dilettanten wegen umschmeichelt und umworben. Aber – von Prinz Narziß selbst war Nichts zu beziehen! Er besang Edwina in schmelzenden </p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0093]
spottet, angelte der Fürst um Halt nach unten. Ein Prinz des Hofes sollte ihm den Namen „Narziß“, aus „Narr“ und „Ziska“ gebildet, gegeben haben, ein andrer behauptete, aus dem Tonzeichen „Cis“ und „Narr“. Soviel stand fest, weichlicher war nie ein Mann, der sich in eine Husaren-Uniform verirrt hatte. Die Musik hatte ihn so erschlafft, wie Musik nach der Meinung der Alten ganze Völker erschlaffen kann, wenn sie so getrieben wird, wie kürzlich in Bayreuth. Fürst Rauden bewohnte ein prächtiges Palais. Dort wimmerte und jammerte er den ganzen Tag auf dem Clavier nach irgend einem vor ihm aufgeschlagenen Buche oder Manuscripte. Ein Contrapunktist, ein armer Teufel, der sich leider nur etwa bis vier Uhr Nachmittags gegen die dann zu mächtig anziehende Gewalt des Alkohols zu behaupten vermochte – nennen wir ihn einfach Meyer – brachte diese schwachen Motive, Melismen, Ausweichungen aus einer Tonart in die andere, kurz eine höhere Katzenmusik, in eine gesetzmäßige Form.
Diese Persönlichkeit, schlank, wohlfrisirt, immer mit einem Stern am Frack, kam jeden Abend zur Brennicke. Die Regierungsräthin wurde grade dieses immerhin reichen und hochgestellten Dilettanten wegen umschmeichelt und umworben. Aber – von Prinz Narziß selbst war Nichts zu beziehen! Er besang Edwina in schmelzenden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/93 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/93>, abgerufen am 23.07.2024. |